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Marketingprofis kennen Sie besser als Sie sich selbst
Von James Lumley, Wirtschaftsjournalist der South China Morning Post, des Irish Independent und des Sydney Morning Herald |
Big Data ist ein leistungsstarkes Instrument, hat aber eine Schwäche: Prognosen auf der Basis des Verhaltens in der Vergangenheit helfen Unternehmen nicht, ihre Kunden zu verstehen.
Wir sollten diese Innovation begrüssen, doch von Anfang an sicherstellen, dass wir verantwortungsvoll mit ihr umgehen.
Als Jeff Bezos 1994 einen Online-Buchladen namens Amazon in seiner Garage gründete, erfand er zwar nicht das digitale Marketing. Er schuf jedoch etwas, was später einmal einer der wichtigsten Bausteine des digitalen Marketings werden sollte.
25 Jahre später verfügt das Unternehmen über eine bisher unvorstellbare Datenbank über Kundenverhalten. Ihre Algorithmen betrachten das Kaufverhalten eines Menschen in der Vergangenheit, vergleichen es mit dem Herdenverhalten und prognostizieren mit grosser Genauigkeit, was die Kunden wünschen und wann sie es wünschen.
Das hatte zur Folge, dass Amazon gemessen am Umsatz und der Marktkapitalisierung heute der weltgrösste Online-Einzelhändler und Bezos der zweitreichste Mann der Welt ist. Diese Methode, vielfach im Internet kopiert, hat jedoch einen gravierenden Mangel.
Wenn nämlich Netflix Downton Abbey und nicht Breaking Bad empfiehlt, geschieht das nicht, weil das Unternehmen Erkenntnisse hat über die Überzeugungen, die Zukunftsaussichten und die Persönlichkeit des betreffenden Kunden. Die Empfehlung basiert vielmehr auf Statistiken. Manchmal liegt sie fürchterlich falsch, und die Kunden haben möglicherweise das Gefühl, das Unternehmen „verstehe“ sie nicht mehr.
Der Algorithmus weiss noch nicht mal, warum er einen Vorschlag macht. Ein Marketingprofi erhält demnach keine Erkenntnisse über seine Kunden, auf deren Grundlage er ein Produkt oder eine Werbekampagne entwickeln kann.
Doch die Dinge ändern sich allmählich.
Eine neue Studie der Cambridge University beschäftigte sich mit den Möglichkeiten des psychologischen Profiling von Facebook.
Es zeigte sich, dass es möglich ist, anhand von Posts und Likes unter Verwendung des Fünf-Faktoren-Modells – den sogenannten „Big Five“ – ein sehr genaues psychologisches Profil eines Facebook-Nutzers zu erstellen. Das gleiche Verfahren kann zur Analyse von Tweets, Websites und sogar E-Mails angewendet werden.
Die fünf Persönlichkeitsmerkmale sind: Extrovertiertheit, Verträglichkeit, Offenheit, Gewissenhaftigkeit und Neurotizismus. Keines dieser Merkmale ist gut oder schlecht. Es sind lediglich Deskriptoren. Psychologen haben jahrelang Menschen untersucht und jeden Wesenszug bewertet, um ihre individuellen Persönlichkeitsmerkmale und Verhaltensmuster herauszuarbeiten.
Neu ist, dass das jetzt durchgeführt werden kann, ohne dass die Person anwesend sein muss. Die Methode kann sogar das Persönlichkeitsprofil eines Menschen besser bestimmen als seinen Ehepartner.
Doch: Steigert sie auch den Umsatz? Auch das versuchten die Forscher herauszufinden. Sie erstellten zwei Anzeigen für ein Kosmetikprodukt. Eine Anzeige zielte auf Kunden mit extrovertierten Zügen ab, und die andere wandte sich an introvertierte Menschen. Onlinekunden wurde die Anzeige gezeigt, die ihrer Persönlichkeit entsprach. Der Umsatz stieg.
Geht man dann den nächsten Schritt und verknüpft ein psychologisches Profil mit Big Data, wissen die Marketingprofis nicht nur, wie wahrscheinlich es ist, dass eine Person ein Produkt kauft, sondern auch, wie man am besten auf sie zugeht.
Aber ist das eine gute Sache?
Das kann es sicher sein. Als Konsumenten werden wir ständig von Unternehmen bombardiert, die unser Geld wollen. Wäre es denn so schlecht, wenn uns in Zukunft nur das präsentiert wird, was wir mögen? Wer kann schon etwas gegen einen schönen Pullover oder eine gute Buchempfehlung für den Urlaub haben. Das ist nicht aufdringlich, sondern ein Dienst am Kunden.
Doch was ist mit Unternehmen, die Finanz- oder Anlageprodukte verkaufen?
Die meisten von ihnen werden es auf Menschen absehen, die konservativ und verantwortungsbewusst sind. Vernünftige und verantwortungsbewusste Menschen werden sich wahrscheinlich mehr Zeit nehmen zu überlegen, wie sie für ihren Ruhestand vorsorgen oder welche Anlage sie tätigen sollten. Auch das ist ein guter Dienst am Kunden.
Man könnte noch einen Schritt weitergehen.
Anstelle von Posts in den sozialen Medien wird heute schon in Schwellenländern anhand von psychometrischen Tests – unter Verwendung sorgfältig ausgearbeiteter Befragungen – bewertet, ob Menschen ohne Kredithistorie kreditwürdig sind.
In Industrieländern ist das nicht nötig, doch diese Daten können auch auf andere Weise genutzt werden.
Beispielsweise könnten Fondsmanager Kunden danach zugeteilt werden, was ihr psychologisches Profil über ihre Einstellung zum Risiko aussagt.
Ein Kunde mit einer geringen Risikobereitschaft könnte von einem Manager betreut werden, der eher konservativ eingestellt ist. Dagegen könnte ein Kunde, der eher bereit ist, Risiken einzugehen, von jemandem beraten werden, der weniger risikoavers ist.
Wenn man allerdings zu weit geht, drohen Gefahren.
Weniger seriöse Firmen wollen vielleicht Menschen, die impulsiv sind und zu grosse Risiken eingehen wollen, von ihren Produkten überzeugen. Auch das kann Umsatz generieren, doch der Umsatz mit Produkten minderer Qualität geht zulasten des Kunden.
Dann haben wir es nicht mehr mit Dienst am Kunden zu tun, sondern mit Manipulation und irregulären Verkaufspraktiken.
In einem klassischen Heizungsraum-Betrug (einem sogenannten „Boiler Room Scam“) haben es Betrüger auf vermögende ältere Menschen abgesehen, die dazu gedrängt werden, Anlagen zu tätigen, die zu gut sind, um wahr zu sein. Man stelle sich nur vor, was diese Leute sonst noch an Schaden anrichten könnten, wenn sie ein psychologisches Profil zur Verfügung hätten.
Wir sind als Konsumenten alle verletzlich – es sei denn wir wollen in einer Höhle ohne Mobiltelefon leben. Soziale Medien, Mobiltelefone mit Geolokalisation, Online-Shopping und das altmodische Einkaufen mit Kreditkarte erzeugen all die erforderlichen Daten, die uns zu einer Zielgruppe machen.
Was wir als Konsumenten am ehesten tun können: Uns darüber im Klaren sein, dass so etwas geschieht, und Missbräuche erkennen. Die jüngsten „Fake News“-Skandale zeigen, dass wir alle kritischer sein sollten, wenn wir online gehen. Doch das ist kein Schutz für die verletzlichsten unter uns.
Es wäre überraschend, wenn Unternehmen Informationen nicht nutzen würden, die ihnen helfen, ihre Kunden besser zu verstehen und ihnen die richtigen Produkte anzubieten. Doch auch sie müssen sich des Manipulationspotenzials bewusst sein.
Grosse Macht bedeutet auch grosse Verantwortung.
Es spielt keine Rolle, ob man Autos, Möhren oder komplexe Derivate verkauft: Es gelten immer die gleichen Regeln, und das wird immer so sein.
Wichtige Hinweise.
Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von Lombard Odier (Europe) S.A., einem in Luxemburg durch die Commission de Surveillance du Secteur Financier (CSSF) zugelassenen und von dieser regulierten Kreditinstitut, herausgegeben. Diese Mitteilung wurde von jeder ihrer Zweigniederlassungen, die in den am Ende dieser Seite angegebenen Gebieten tätig sind (nachstehend "Lombard Odier"), zur Veröffentlichung genehmigt.
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