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Die Zukunft der Bildung heisst „Impact“
Von Dr. Maximilian Martin, Global Head of Philanthropy bei Lombard Odier |
Das systematische Sammeln von Wissen und dessen Vermittlung an einige wenige Auserwählte begann in der Antike. Die Gründung der ersten Universitäten im späten 11. und 12. Jahrhundert in Italien, Frankreich und England kam einer Revolution gleich. Die Entwicklung von Recht, Medizin, Wissenschaft und Theologie ebnete der modernen Welt den Weg. Wenn die Katholischen Könige den italienischen Seefahrer Christoph Kolumbus nicht in ihre Dienste gestellt hätten, hätte es das Goldene Zeitalter Spaniens wahrscheinlich nicht gegeben.
Die Bildungsrevolution, die fast ein Jahrtausend später im Gange ist, wird ebenso weitreichend sein.
Bildung 2.0
Die personalisierte Medizin hat bereits einen Wandel bei der Diagnose und Behandlung von Krankheiten bewirkt. Eine Landwirtschaft, die massgeschneiderte Erzeugnisse verspricht, stellt sich die Frage, wie durch chemische Genomik die Pflanzenbiotechnologie verbessert und die Anbaumethoden revolutioniert werden können.
Im Zuge der allgemeinen Entwicklung digitaler und künstlicher Intelligenz bilden sich lange elektronische Lieferketten heraus. Sie stellen für die Menschen in den Schwellenländern eine Verbindung mit der Weltwirtschaft her und tragen zu einer dramatischen Steigerung ihres Einkommens und ihrer Kaufkraft bei.
Ein Beispiel hierfür ist das dänische Startup-Unternehmen CodersTrust. Durch Integration von FinTech, EdTech und WorkTech bietet das Unternehmen jungen Menschen in Bangladesch, Indien und Kenia die Möglichkeit, sich als Freiberufler am Arbeitsmarkt zu behaupten. Sie lernen IT-Fähigkeiten, mit denen sie jederzeit und überall im Online-IT-Markt einen Lebensunterhalt verdienen können. Damit trägt CodersTrust dazu bei, die wachsenden Lücken am Arbeitsmarkt für Programmierer zu schliessen und Arbeitsplätze mit einem Stundenlohn von USD 2 zu schaffen – in Ländern wie Bangladesch, in denen 30% der Menschen unterhalb der Armutsschwelle leben und noch nicht einmal USD 2 pro Tag verdienen.1
Dies ist eine recht deutliche Abkehr von dem industriellen Denkmuster, nach dem Menschen über Jahrzehnte hinweg die gleichen Kenntnisse und Fähigkeiten nutzen, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen. In Anbetracht der zunehmenden Automation und der rascheren Innovation muss jeder Einzelne nun kontinuierlich lernen und sich anpassen.
Maschinen werden immer intelligenter. Alles was automatisiert werden kann, wird automatisiert werden. Angesichts des Wertverlusts von bestehendem Wissen gewinnt Lernfähigkeit zunehmend an Bedeutung. Neue Berufe an der Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine werden zur Normalität.
Neue Ansätze zur Deckung der Nachfrage notwendig
Unser Bildungssystem muss vor allem zwei Anforderungen erfüllen, um uns bei der Anpassung zu helfen: Neben geeigneten Vermittlungsmechanismen und Inhalten muss es Zugang für alle bieten. Nach Einschätzung des Weltwirtschaftsforums werden 65% aller Kinder, die heute die Grundschule besuchen, im Jahr 2025 einen Beruf ausüben, der heute noch nicht existiert.2 Wissenschaftler der Oxford University, deren Forschungsgebiet die Zukunft der Beschäftigung ist, schlossen aus ihren Untersuchungen, dass rund 47% der aktuellen Stellen in den USA durch die Informatisierung gefährdet sind.3
Nur in wohlhabenden Ländern haben jedoch ausreichend Kinder Zugang zu Schulbildung. Weltweit lag die bereinigte Nettoeinschulungsquote für 2014 in der Grundschule bei 91%, in der unteren Sekundarstufe bei 84% und in der oberen Sekundarstufe bei 63%.4 Ungefähr 263 Mio. Kinder und Jugendliche besuchen keine Schule, vor allem in Afrika südlich der Sahara und in Südasien. 61 Mio. davon sind im Grundschulalter.5
Die Gründe dafür sind teilweise finanzieller Natur. Weltweit würden Zusatzkosten von USD 40 Mrd. anfallen, um allen Kindern in Staaten mit geringem oder niedrigem mittlerem Einkommen zwölf Jahre Bildung zu ermöglichen.6 Andere Hindernisse sind nicht finanziell bedingt. Mit einem recht geringen Anteil an ausgebildeten Vorschul-, Grundschul- und Sekundarschullehrern (44%, 74% bzw. 55%) stellen die afrikanischen Länder südlich der Sahara beispielsweise eine besondere Herausforderung dar.7 Die meisten Schulen dort verfügen noch nicht einmal über Strom oder Trinkwasser.
Daten aus 65 Schwellenländern zufolge haben über 60% der Schulen Internetzugang.8 Dennoch lernen die Schüler häufig nicht das, was sie brauchen. Im 2017 veröffentlichten Bericht des UN-Generalsekretärs über Fortschritte bezüglich der Ziele für nachhaltige Entwicklung kam der Wirtschafts- und Sozialrat der Vereinten Nationen zu dem Ergebnis, dass weniger als die Hälfte der Schüler die Mindestanforderungen in Mathematik erreichen (in neun von 24 Ländern südlich der Sahara und in sechs von 15 lateinamerikanischen Ländern, die in die Studie einbezogen wurden). Weniger als die Hälfte der Grundschüler erreichen Mindeststandards im Lesen (in sechs der 24 untersuchten Länder südlich der Sahara).9 Und der Wissenskanon verändert sich. Im vergangenen Jahr lancierte eine Stiftung, deren Stiftungsratsmitglied ich bin, in Afghanistan den ersten Programmierkurs für Mädchen. Gemessen an der Bevölkerungsgrösse steht Afghanistan unter den Ländern der Welt mit 34 Mio. Einwohnern an 40. Stelle. 52% der Frauen sind Analphabetinnen.10
Dringend benötigt: Innovationskapital
Öffentliche Systeme verstehen sich gut darauf, etablierte Bildungsmodelle zu standardisieren und zu skalieren. Es fällt ihnen jedoch häufig schwer, neue Ansätze zu entwickeln. Schwierig ist ausserdem, Gruppen mit besonderem pädagogischem Förderbedarf wie Kinder in ländlichen Gebieten, Ureinwohner, behinderte Menschen oder Flüchtlingskinder zu erreichen.
Die Bevölkerung Afrikas allein dürfte bis 2050 auf rund 2,6 Mrd. Menschen anwachsen und sich damit mehr als verdoppeln.11
Von der unternehmerischen Energie der Schwellenländer können wir jede Menge lernen. Herausforderungen im Bildungswesen sind dort allgegenwärtig, und die Entwicklung neuer Modelle ist daher Routine. Philanthropie und Kapitalinvestitionen, die finanzielle Erträge und eine soziale Wirkung erzielen sollen, bewirken meist dann hervorragende Ergebnisse, wenn neue unternehmerische Ansätze ausprobiert werden.
2017 stellte sich bei einer Untersuchung des Global Impact Investing Network (GIIN) heraus, dass zwar 80 von 205 Befragten Impact-Investoren in Bildung investieren, diese Investitionen aber lediglich 3% der für Impact Investing aufgewendeten USD 113,7 Mrd. ausmachen.12 Dennoch handelt es sich um wertvolles Innovationskapital. Wenn Anleger im Zuge des Impact Investing neue Mittel mobilisieren, engagieren sie den privaten Sektor auf neuartige Weise in der öffentlichen und privaten Bildung. Ihr Fokus liegt auf Lösungen, die funktionieren, und trägt zur Entwicklung von Instrumenten bei, die Bildungsinnovationen vorantreiben und die Effizienz der Vermittlung steigern.
Wenn Philanthropie ins Spiel kommt, dann werden wirklich kühne Vorstösse möglich. Der einzige Weg, um einige der grossen Herausforderungen unserer Zeit zu meistern, ist möglicherweise eine Kombination aus philanthropischen Mitteln und Anlagekapital, mit denen transformative neue Lösungen erst als Pilotprojekt getestet und, falls erfolgreich, schliesslich flächendeckend eingeführt werden können. Ein Beispiel ist der anhaltende Konflikt in Syrien mit über 11 Mio. Vertriebenen. Vor dem Krieg waren 25% aller Syrer im Alter zwischen 18 und 24 Jahren an einer Hochschule eingeschrieben. Diese Zahl ist mittlerweile auf unter 10% gefallen. Die University of the People schätzt, dass über 100'000 qualifizierte syrische Studierende derzeit keine Gelegenheit haben, ihr Hochschulstudium zu absolvieren.13 Wer aber wird für den Wiederaufbau des Landes sorgen, wenn nicht sie?
Eine Zukunft für Syrien scheint ohne umfassendes Hochschulwesen und technische Bildung fast unvorstellbar. Es stellt sich die Frage, wie diese ehemaligen Studierenden Zugang zu den Kompetenzen erhalten, die sie benötigen, um einen Beitrag für die Zukunft ihres Landes leisten zu können?
Die Erfahrungen, die aus den rund 70 seit 2010 lancierten Social Impact Bonds oder öffentlich-privaten Pay-for-Success-Partnerschaften gewonnen werden konnten, zeigen, dass erhebliches Potenzial in der Bereitstellung webbasierter, kostengünstiger und hochwertiger Online-Studienabschlüsse für zehntausende syrische Flüchtlinge besteht.
Der Zugang zur weltweiten Gemeinschaft der Studierenden würde ihnen nicht nur das notwendige Rüstzeug für den internationalen Stellenmarkt und die für den Wiederaufbau Syriens notwendigen Fähigkeiten mitgeben; er würde auch zur Förderung von Toleranz und gegenseitigem Verständnis beitragen. Dennoch lässt sich mit Sicherheit sagen, dass eine solche Lösung ohne philanthropische Vision und Impact Investing niemals verwirklicht werden wird. Soziale Integration, Kapitalbildung, Geschäftschancen und neue Arbeitsplätze können nur mit neuartigen Lösungen ermöglicht werden.
Gemeinsam können funktionierende Kapitalmärkte, die Impact Investing, philanthropisches Kapital und öffentliche Investitionen ins Auge fassen, den notwendigen Nährboden schaffen. Heute liegt die Zukunft der Bildung im „Impact“.
1 Misha, Farzana und Sulaiman, Munshi, „Bangladesh Priorities: Poverty, Sulaiman and Misha, Copenhagen Consensus Center“, Kopenhagen: Copenhagen Consensus.
2 Weltwirtschaftsforum, „The Future of Jobs“, Genf: Weltwirtschaftsforum.
3 Carl Benedikt Frey und Michael A. Osborne (2013), „The Future of Employment: How Susceptible are Jobs to Computerisation?“ Oxford: Oxford Martin School and Department of Engineering Science, University of Oxford.
4 United Nations Economic and Social Council (2017), „Progress towards the Sustainable Development Goals: Report of the Secretary-General“, E/2017/66, New York und Genf: Vereinte Nationen.
5 Ebd.
6 Office of the Secretary-General’s Envoy on Youth, „#YouthStats: Education“, New York und Genf: Vereinte Nationen.
7 United Nations Economic and Social Council (2017), „Progress towards the Sustainable Development Goals: Report of the Secretary-General“, E/2017/66, New York und Genf: Vereinte Nationen.
8 Ebd.
9 Ebd.
10 World Population Review, 2017, „Afghanistan Population 2017“, Walnut, CA: World Population Review.
11 Population Reference Bureau, 2017, „2017 World Population Data Sheet“, Washington DC: Population Reference Bureau.
12 Abhilash Mudaliar, Hannah Schiff, Rachel Bass und Hannah Dithrich (2017), „Annual Impact Investor Survey 2017“, New York: Global Impact Investing Network.
13 Lauren Holt (2017), „Worldwide, nearly 100,000 college-ready Syrians can't get higher education“, Minneapolis, MN: PRI – Public Radio International.
UNHCR (2017), „The Regional Conference on Higher Education in Crisis Situations. Higher Education in Crisis Situations: Synergizing Policies and Promising Practices to enhance Access, Equity and Quality in the Arab Region“, veranstaltet in Sharm El-Sheikh, Ägypten, 28.–29. März 2017. Genf: UNHCR.
Wichtige Hinweise.
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