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Was ist mit dem Goldpreis los?
Kernpunkte
- Die in den letzten Wochen verzeichneten Rekordstände des Goldpreises – bis zu USD 2’195 pro Unze – scheinen auf Spekulationsströmen zu beruhen. Laut unserem Fair-Value-Modell sollte der Goldpreis im aktuellen makroökonomischen Umfeld bei etwa USD 2’070 pro Unze liegen.
- Die Nachfrage der Notenbanken, die ihre Reserven diversifizieren, hat die Abflüsse aus passiven Anlagen ausgeglichen. Sie ist neben den Realzinsen nun ein struktureller Faktor für den Goldpreis.
- Der US-Dollar, traditionell ein Treiber des Goldpreises, scheint nun ein neutraler Faktor zu sein.
- Wir erwarten, dass der Goldpreis in einem Jahr USD 2’250 pro Unze erreichen könnte, wenn die Fed eine Wende vollzieht und die solide Nachfrage der Notenbanken anhält. Wir behalten unser strategisches Engagement in den Portfolios bei.
Der Goldpreis hat in den ersten Märzwochen wiederholt Rekordstände erreicht. Weshalb? In der Vergangenheit waren drei Faktoren für die Bewegungen am Goldmarkt ausschlaggebend: die realen (inflationsbereinigten) Zinsen, die physische Nachfrage nach Gold und die Entwicklung des US-Dollar. Was hat sich geändert und den Goldpreis in die Höhe getrieben, und wie geht es mit dem Edelmetall weiter?
In den ersten beiden Märzwochen hat der Goldpreis mehrere Rekorde durchbrochen. Er legte um 5,5% zu und erreichte einen Höchststand von USD 2’195 pro Unze. Dieser sprunghafte Anstieg überraschte die Anlegerinnen und Anleger und schien von den Zins- und Währungsmärkten abgekoppelt zu sein. In der Vergangenheit ist der Goldpreis bei sinkenden Realzinsen gestiegen und umgekehrt. Die jüngst extreme Zunahme des Goldpreises lässt sich nicht so einfach erklären. Die Bewegungen bei börsengehandelten Fonds (ETF), die mit physischem Gold unterlegt sind, liefern keine Begründung: ETFs verzeichneten im März trotz des Höhenflugs der Goldpreise weiterhin Abflüsse.
Haupttreiber der jüngsten Goldpreisentwicklung sind unserer Meinung nach Zuflüsse von systematischen, Momentum-orientierten Finanzinvestoren. Aus den wöchentlichen Berichten über Terminkontrakte geht hervor, dass Vermögensverwalter auf den Goldmarkt drängten und die spekulativen Nettopositionen am Markt in die Nähe der Höchststände von 2023 trieben. Sie wetteten darauf, dass die erste Zinssenkung der US-Notenbank Fed früher erfolgen würde als vom Konsens angenommen. Die Wetten beruhten auf den Anfang März veröffentlichten, schwächer als erwartet ausgefallenen Daten zum verarbeitenden Gewerbe in den USA. Der Goldpreis unterbrach jedoch nach der Veröffentlichung der US-Inflationsdaten für Februar seine Rally, während die Märkte die Zinssenkungserwartungen kaum anpassten.
Das Ausmass und die Geschwindigkeit der Goldpreisentwicklung im März war demnach unseres Erachtens vor allem durch Investitionsströme bestimmt und wahrscheinlich übertrieben. Unserem Fair-Value-Modell zufolge sollte der Goldpreis bei etwa USD 2’070 pro Unze liegen, verglichen mit heute USD 2’155 pro Unze. Zugleich verdeutlicht dieser Preissprung den Einfluss der Investitionsströme und bestätigt unseren positiven Ausblick für Gold. Für nachhaltig höhere Preise braucht es mehr fundamentale Unterstützung. Diese zeigt sich unserer Meinung nach bereits in den Realzinsen und der physischen Nachfrage.
Nachfrage der Notenbanken
Betrachtet man die Entwicklung des Goldpreises in den letzten zwei Jahren, zeigt sich: Die Nachfrage der Notenbanken ist zu einem Faktor geworden, der den Goldpreis zusätzlich zu traditionellen Treibern – US-Realzinsen und Dollar – beeinflusst. Seit 2022 hat die Nachfrage der Notenbanken die durch passive Anleger hervorgerufenen Abflüsse vollständig ausgeglichen.
Die Notenbanken haben ihren Nettoverkaufstrend, der mit dem Zusammenbruch des Bretton-Woods-Systems begann und bis zur grossen Finanzkrise andauerte, umgekehrt. Im Zuge des Russland-Ukraine-Kriegs haben sie die Goldkäufe beschleunigt. Ein Hauptgrund dafür ist die Diversifizierung der Devisenreserven in einer veränderten geopolitischen Landschaft. Als die westlichen Regierungen Sanktionen gegen Russland verhängten und Dollar-Guthaben einfroren, begannen die Notenbanken der Schwellenländer ihre Reserven zu „entdollarisieren“ und entsprechende Vermögenswerte durch Gold zu ersetzen. Die People’s Bank of China führt diesen Trend an. Sie hat ihre Goldreserven in den letzten 16 Monaten aufgestockt und ist 2023 zum weltweit grössten Käufer avanciert. Andere BRICS1-Länder und wohlhabende aufstrebende Volkswirtschaften wie die Golfstaaten und Singapur haben sich ebenfalls als grosse Goldkäufer erwiesen.
Laut einer Umfrage des World Gold Council dürfte sich dieser Trend fortsetzen. Die Umfrage ergab, dass 62% der Notenbanken planen, ihren Goldanteil an den Gesamtreserven zu erhöhen, verglichen mit 46% im Jahr 2022. Da die Goldreserven nur 5% der Gesamtreserven jener Notenbanken ausmachen, die jüngst grosse Käufe getätigt haben, ist die potenzielle strategische Nachfrage in den kommenden Jahren bedeutend.
Goldausblick und unser Zwölf-Monats-Ziel
Wie schätzen wir die Entwicklung des Goldpreises ein? Das hängt in erster Linie weiterhin von den Realzinsen ab. Die zehnjährige US-Realrendite ist gegenüber ihrem Höchststand von 2,5% im Oktober 2023 um rund 50 Basispunkte auf derzeit 2,0% gesunken. Wir erwarten innerhalb eines Jahres einen weiteren Rückgang um 60 Basispunkte vom aktuellen Niveau aus. Statistisch gesehen würde ein solcher Rückgang in einem Wirtschaftsumfeld mit sinkenden Zinsen zu einer Erhöhung des Goldpreises um etwa USD 180 pro Unze führen.
Was ist mit dem US-Dollar? Im bisherigen Jahresverlauf war er relativ stabil und wertete gegenüber einem Korb von globalen Währungen nur um 1,5% auf. Zwar ist viel von einer negativen Beziehung zwischen Gold und dem US-Dollar die Rede. Es gilt jedoch zu beachten, dass der Wechselkurs zwischen dem Euro und dem Dollar unter 1,10 liegt, also auf demselben Niveau wie 2015, während der Goldpreis im selben Zeitraum um mehr als 80% gestiegen ist. Auch wenn sowohl der Dollar als auch Gold zeitweise von den Realzinsen angetrieben werden, sind die Einflüsse unterschiedlich. Wir erwarten, dass die US-Währung stark bleibt, da nach Zinssenkungen der Fed andere Notenbanken schnell nachziehen. Dies bedeutet unseres Erachtens, dass der US-Dollar jetzt nur noch ein neutraler Faktor für die Preisentwicklung von Gold ist.
Die Nachfrage der Notenbanken, vor allem in den Schwellenländern, bleibt robust, und die geopolitischen Spannungen halten an, was zu einem positiven Ausblick für Gold beiträgt. Wir erwarten, dass der Goldpreis in einem Jahr bis zu USD 2’250 pro Unze erreichen könnte. Daher behalten wir unser strategisches Goldengagement in den Portfolios bei.
1 Brasilien, Russland, Indien, China, Südafrika, Ägypten, Äthiopien, Iran und Vereinigte Arabische Emirate.
Wichtige Hinweise.
Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende
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