investment insights

    Acht Hauptrisiken für Anleger im Jahr 2024

    Acht Hauptrisiken für Anleger im Jahr 2024
    Michael Strobaek - Global CIO Private Bank

    Michael Strobaek

    Global CIO Private Bank
    Dr. Nannette Hechler-Fayd’herbe - Head of Investment Strategy, Sustainability and Research, CIO EMEA

    Dr. Nannette Hechler-Fayd’herbe

    Head of Investment Strategy, Sustainability and Research, CIO EMEA

    Während sich die globalen Aktienmärkte um neue Allzeithochs herum bewegen, fragen sich die Anlegerinnen und Anleger, was 2024 schieflaufen könnte. Wir untersuchen acht Hauptrisiken – mit dem Vorbehalt, dass grosse Störungen oft in nicht beachteten oder schwer modellierbaren Bereichen entstehen.

     

    Kernpunkte:

    • Geopolitik, Bedrohung der Renditen im Technologiesektor, hartnäckigere Inflation, Kreditereignisse und Tragfähigkeit der Staatsverschuldung – dies sind einige der Hauptrisiken für Anleger im Jahr 2024.
    • Wir erwarten eine angespannte geopolitische Lage. Doch die Konflikte dürften lokal begrenzt bleiben, sodass die Finanzmarktrisiken limitiert sein dürften. Das Risiko einer erneut aufflammenden Inflation in den USA ist gering, nimmt aber zu. Die Outperformance der Technologiewerte dürfte sich mit der Zeit abschwächen.
    • Das starke Renditestreben der Anleger und die Lockerung der finanziellen Bedingungen dürften zu einer Begrenzung der Kreditrisiken beitragen. Risiken im Zusammenhang mit Gewerbeimmobilien scheinen für Banken und Versicherer systemisch überschaubar, sind aber für Asset Manager schwieriger zu bewerten.
    • Wir schätzen die bekannten Marktrisiken als gering oder mittel ein. Dies spricht für die aktuelle Risikobereitschaft und unsere Entscheidung, die Risikoengagements in den Portfolios auf strategischen Niveaus zu halten.

     

    1. Geopolitik: Eskalation der Konfliktszenarien (Mittleres Risiko)

    Seit der Einführung von Zöllen durch die Trump-Regierung im Jahr 2017 ist die Geopolitik eine grössere Quelle wirtschaftlicher und finanzieller Risiken. Der Krieg in der Ukraine geht in sein drittes Jahr, der Konflikt im Nahen Osten könnte eskalieren. Der Status Taiwans bleibt ein Grund für Spannungen zwischen den USA und China, ebenso wie der globale Wettlauf um die künftige Dominanz im Technologiebereich. Die Welt ist feindseliger geworden, und die Indikatoren für geopolitische Risiken sind gestiegen. Im breiteren historischen Kontext scheinen sie sich jedoch weiterhin in Grenzen zu halten, während das wahrgenommene Marktrisiko gemessen am VIX-Index niedrig bleibt.

    Solange Konflikte regional begrenzt bleiben und keine Probleme von globaler Tragweite darstellen, alarmieren sie die weltweiten Finanzmärkte nicht. Die Geopolitik wird zu einer Quelle von Marktrisiken, wenn sie Kettenreaktionen auslöst, die zu Marktinstabilität führen. Die Bereitschaft und/oder Fähigkeit zur Eskalation der aktuellen regionalen Kriege scheint jedoch unserer Ansicht nach relativ limitiert, auch wenn die Rhetorik das Gegenteil nahelegt. Eine zweite Trump-Regierung könnte eine andere Dynamik in die globale geopolitische Szenerie bringen, indem sie inneramerikanische Themen in den Vordergrund rückt.

    Die Geopolitik wird zu einer Quelle von Marktrisiken, wenn sie Kettenreaktionen auslöst, die zu Marktinstabilität führen

    2. Wirtschaft: Rezession oder Wiederaufflammen der Inflation (Geringes/Mittleres Risiko)

    Aufgrund der Widerstandsfähigkeit der US-Wirtschaft preisen die Märkte weit weniger US-Zinssenkungen ein als noch Ende 2023. Natürlich wirkt die Geldpolitik verzögert. Eine nach wie vor inverse Renditekurve – in der Vergangenheit ein zuverlässiger Rezessionsindikator – ist ein wichtiger Grund, Rezessionsrisiken noch nicht auszuschliessen. Im Moment deuten die makroökonomischen Daten jedoch darauf hin, dass die US-Wirtschaft auf eine sanfte Landung zusteuert. Fiskalische Anreize, das Fehlen früherer Kreditexzesse und ein angespannter Arbeitsmarkt schützen die Wirtschaft vor der restriktiveren Kreditvergabe der Banken.

    Unserer Meinung nach liegt die Wahrscheinlichkeit einer Rezession in den USA bei nur 10%. Die Wahrscheinlichkeit einer sanften Landung schätzen wir auf 70% und jene einer leichten Stagflation oder einer wirtschaftlichen Wiederbeschleunigung auf 20%. Das letztgenannte Risiko ist in den vergangenen Wochen gestiegen. Dies könnte zu einer hartnäckigeren Inflation führen und die US-Notenbank Fed davon abhalten, die Zinsen dieses Jahr zu senken. Wenn der Markt weniger Zinssenkungen erwartet oder wenn gar Erhöhungen eingepreist werden (unseres Erachtens ein sehr geringes Risiko), würde dies für Risikoanlagen eine recht deutliche Neubewertung bedeuten.

     

    3. Kreditzyklus: Grösserer Ausfall / grösseres Kreditereignis (Geringes Risiko)

    Fast die Hälfte der ausstehenden US-Hochzinsanleihen wurde 2020 oder 2021 emittiert, als die Zinsen auf dem tiefsten Stand seit Jahrzehnten notierten. Etwa 8% der ausstehenden Anleihen werden 2024/2025 fällig, eine maximale Anzahl 2028/2029. Vor diesem Hintergrund rechnen wir für die kommenden Jahre mit einer allmählichen Verschlechterung der Kreditwürdigkeit.

    Die Ausfallraten sind zwar bereits gestiegen, bleiben aber im historischen Vergleich gering. Sie konzentrieren sich auf Kredite mit niedrigerem Rating und wenige Branchen. Die finanziellen Bedingungen haben sich in letzter Zeit gelockert. Unter der Annahme, dass die Leitzinsen nicht wieder auf den tiefsten Stand seit Jahrzehnten fallen, werden die Zinskosten mit der Fälligkeit der Schulden zu steigen beginnen.

    Das starke Renditestreben der Anleger dürfte anhalten. Es dürfte stärker ins Gewicht fallen als die sich langsam verschlechternden Kreditfundamentaldaten, sodass sich die Renditedifferenzen (Spreads) nicht wesentlich ausweiten sollten. Wir erwarten für 2024 eine ähnlich hohe Ausfallquote wie 2023: zwischen 2,5% und 3,5% auf gleichgewichteter Basis und insgesamt in überschaubarem Rahmen.

    Wir erwarten für 2024 eine ähnlich hohe Ausfallquote wie 2023: zwischen 2,5% und 3,5% auf gleichgewichteter Basis und insgesamt in überschaubarem Rahmen

    Natürlich bleiben dennoch Risiken bestehen, darunter eine harte Landung, eine hartnäckigere Teuerung, welche eine für längere Zeit straffere Geldpolitik bedingt, und/oder ein weiteres Kreditereignis. In diesem Zusammenhang könnte das Engagement der Finanzinstitute in gewerblichen Immobilien für Volatilität sorgen (siehe Punkt 4 und 6).

    4. Immobilien: Marktschock, der von den Banken ausgeht (Geringes Risiko)

    Die Besorgnis über den Markt für Gewerbeimmobilien machte sich wegen höherer Leerstandsquoten bereits während der Covid-Pandemie bemerkbar. Höhere Zinsen verstärkten den Druck und führten zu Bedenken über die Engagements der Banken, insbesondere nach einigen negativen Überraschungen von Kreditgebern in den USA, Japan und der Schweiz.

    Wir halten die Engagements der Banken in Gewerbeimmobilien im Grossen und Ganzen für überschaubar. Zwar dürften einige Banken zusätzliche Kreditrückstellungen bilden müssen, doch ist dies unserer Meinung nach ein Ertrags- und kein Kapitalthema. Kleinere US-Banken halten tendenziell ein grösseres Engagement in gewerblichen Immobilien, aber dies sollte nicht zu einem systemischen Risiko führen. Allerdings kann ein sich schnell änderndes Verhalten von Kunden und Einlegern unerwartete Konsequenzen haben, wie im März 2023 zu beobachten war. Angesichts der unzureichenden Offenlegung, auch ausserhalb der Banken (siehe Punkt 6), besteht das Risiko von Überraschungen und einer Ansteckung.

    Kleinere US-Banken halten tendenziell ein grösseres Engagement in gewerblichen Immobilien, aber dies sollte nicht zu einem systemischen Risiko führen

    Versicherer sind stark exponiert. In den Bilanzen der 16 grössten US-Lebensversicherer befinden sich Gewerbeimmobilien im Wert von mehr als USD 360 Mrd. und gewerbliche Hypothekendarlehen im Wert von USD 220 Mrd. Die mittleren Beleihungsquoten der US-Lebensversicherer betrugen Ende 2023 rund 65%, nach 50% bis 55% in der Vergangenheit. Gründe für diese Entwicklung sind der Druck auf die Bewertungen von Einkaufszentren und Büros sowie höhere Zinsen. Versicherer sind jedoch langfristige Investoren, die Aktiva und Passiva sorgfältig aufeinander abstimmen. Zudem könnten Zinssenkungen und eine weiche Landung zu einer leichten Erholung der Beleihungsquoten in diesem Jahr beitragen.

     

    5. Unternehmen: Platzen einer Technologieblase (Mittleres Risiko)

    Der Technologiesektor war 2023 einer der wichtigsten Treiber der Aktienmarktrenditen und ist es bis jetzt auch im Jahr 2024. Dies hat zu einer der konzentriertesten Phasen in der Geschichte des US-Aktienmarkts geführt. Zwei vergleichbare Phasen der Konzentration wurden während der Dotcom-Blase und in den frühen 1930er-Jahren beobachtet. In der Vergangenheit hat der S&P 500 eine Tendenz zur Mean Reversion – zur Rückkehr zum Mittelwert – gezeigt. Wir erwarten, dass entweder die Marktbreite zunehmen oder der Grad der Tech-Outperformance abnehmen wird.

    Während Ersteres mit einer anhaltend günstigen Gesamtdynamik der Aktienmärkte einhergehen könnte, wäre Letzteres für Anleger möglicherweise ein besorgniserregenderes Szenario. Derzeit sind die Erwartungen zum Umsatz- und Gewinnwachstum für Technologiewerte etwa doppelt so hoch wie für den Gesamtmarkt. Verschlechtert sich das makroökonomische Umfeld und wird das Vertrauen in die Erreichung dieser Ziele infrage gestellt – oder beginnen die Zinsen nicht wie erwartet zu sinken –, könnte sich der absolute und relative Bewertungsaufschlag verringern. Dies wäre ein deutliches Risiko für den breiteren Markt.

    Derzeit sind die Erwartungen zum Umsatz- und Gewinnwachstum für Technologiewerte etwa doppelt so hoch wie für den Gesamtmarkt

    6. Finanzsystem: Stabilitätsrisiken (Mittleres Risiko)

    Die beste Verteidigung gegen Risiken für die Finanzstabilität ist ein starkes Bankensystem, wie es unserer Meinung nach in Nordamerika und Europa grösstenteils gegeben ist. Seit der globalen Finanzkrise wurden Bilanzrisiken abgebaut sowie die Solvenz und Liquidität gestärkt. Die Notenbanken verfügen über mehr Instrumente zur Unterstützung des Sektors. Sie haben zudem gezeigt, dass sie bereit sind, schnell und entschlossen zu handeln.

    Wie unter Punkt 4 besprochen, sollte das Engagement in Gewerbeimmobilien für Banken weitgehend überschaubar sein. Ein beträchtlicher Teil des Engagements entfällt jedoch auf Nichtbank-Finanzinstitute, einschliesslich Pensionsfonds, Private-Equity-, Kredit- und Hedge-Fund-Managern, die tendenziell weniger gut reguliert sind.

    Diese Institute haben häufig Tätigkeiten übernommen, welche die Banken wegen der Folgen der Regulierung aufgegeben haben. Die Übertragung von Bilanzrisiken – inklusive Lebensversicherungspolicen und Collateralised Loan Obligations1 – auf diese Institute und deren wachsender Anteil an den gesamten finanziellen Vermögenswerten können Anlass zur Sorge geben. Der rasche Aufstieg der Nichtbanken als Kreditgeber für Private Credit spricht ebenfalls für eine genaue Beobachtung. Dies gilt insbesondere angesichts des Mangels an öffentlich zugänglichen Daten zu entsprechenden Darlehen und Ausfalltrends. Verschuldungs-, Liquiditäts- und Laufzeitinkongruenzen bei Nichtbanken könnten zu Anfälligkeiten führen, und die Schocks könnten sich auf Banken übertragen.

    Verschuldungs-, Liquiditäts- und Laufzeitinkongruenzen bei Nichtbanken könnten zu Anfälligkeiten führen, und die Schocks könnten sich auf die Banken übertragen

    7. Staatsfinanzen: Schuldenkrise (Geringes Risiko)

    Die Staatsverschuldung der Industrieländer im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist im Zuge einer globalen Wachstumsverlangsamung ein weiterer möglicher Grund zur Sorge. Nach den jüngsten Prognosen des Congressional Budget Office wird unter der aktuellen Politik bis 2050 die Verschuldung der USA auf 160% des BIP steigen; zugleich würde sich das Defizit auf 10% des BIP verdoppeln. 2025 laufen Steuergutschriften aus dem Inflation Reduction Act und dem damit verbundenen Gesundheitsbudget aus, ebenso wie mehrere von Trump im Jahr 2017 erlassene Steuersenkungen für Privatpersonen und Unternehmen. Wegen der weiteren Finanzierung der einen oder anderen Massnahme wird die Staatsverschuldung voraussichtlich weiter steigen.

    Dies kann auf dem US-Anleihenmarkt zu Volatilität führen. Wir halten einen Zahlungsausfall der USA jedoch für sehr unwahrscheinlich. Der Zinssatz für US-Schulden dürfte unter der Wachstumsrate der Wirtschaft bleiben, sodass bescheidene Haushaltsdefizite tragbar sein dürften. Das Anfangsniveau der Steuern im Verhältnis zum BIP ist nach wie vor das niedrigste unter den G7-Ländern. Die USA könnten folglich die Steuern anheben, falls die Sorgen um die Tragfähigkeit der Schulden eskalieren sollten. Im Euroraum sind die Schuldendynamik und die Prognosen für die Haushaltsdefizite weniger besorgniserregend, obschon der Schuldenstand in Italien, Frankreich und Spanien auf den höchsten Stand der Nachkriegszeit geklettert ist.

     

    8. Öffentliche Gesundheit: Weitere Pandemie (Geringes Risiko)

    Vier Jahre nach Covid ist die Frage berechtigt, wann mit der nächsten Pandemie zu rechnen ist. Eine aktuelle Analyse der Ausbrüche neuartiger Krankheiten in den letzten 400 Jahren zeigt: Die Wahrscheinlichkeit einer Pandemie mit ähnlichen Folgen wie Covid-19 liegt jedes Jahr bei etwa 2%. Statistische Extremereignisse sind also nicht so selten, wie wir denken. Wachsende Weltbevölkerung, internationaler Reiseverkehr und Klimawandel, Zerstörung der Lebensräume von Tieren und vermehrte Interaktionen zwischen Mensch und Tier: Dies alles sind wichtige Faktoren, die zum erhöhten Risiko einer neuen Pandemie beitragen.

    Die Wahrscheinlichkeit einer Pandemie mit ähnlichen Folgen wie Covid-19 liegt jedes Jahr bei etwa 2%

    Die Zahl potenzieller Erreger ist sehr hoch. Es sind 26 Virusfamilien bekannt, die den Menschen infizieren können. Seit 1900 wurden alle Pandemien entweder mit Influenza oder einem Coronavirus in Verbindung gebracht. Doch die Fähigkeit vieler anderer Viren, Ausbrüche zu verursachen, ist nicht zu unterschätzen. Allein im 21. Jahrhundert hat es Epidemien durch SARS-CoV-1MERS und Zika gegeben.

    Zusammenfassend stufen wir die bekannten Risiken an den Märkten heute als gering bis mittel ein. Dieser vergleichsweise günstige Risikohintergrund hilft, die derzeitige Risikobereitschaft der Finanzmärkte zu erklären.

    Doch wie die Geschichte immer wieder gezeigt hat, sind es die unerwarteten Entwicklungen – die „unbekannten Unbekannten“ –, welche die Märkte auf dem falschen Fuss erwischen. Deshalb bleiben wir besonders wachsam, was neue Risikoquellen betrifft. Zugleich beobachten wir weiterhin sorgfältig jene Risikofaktoren, die wir bereits auf dem Radar haben.

     

    1 Collateralised Loan Obligations sind gepoolte Darlehen, verpackt als einzelne Wertpapiere.

    Wichtige Hinweise.

    Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende

    Entdecken Sie mehr.

    Sprechen wir.
    teilen.
    Newsletter.