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    Politik und Märkte: Am Rande der Vernunft

    Politik und Märkte: Am Rande der Vernunft
    Michael Strobaek - Global CIO Private Bank

    Michael Strobaek

    Global CIO Private Bank

    Kernpunkte

    • Durch Präsident Bidens Rückzug richten sich die Blicke im US-Präsidentschaftswahlkampf nun stärker auf Kamala Harris; die Dynamik der US-Wahlen verändert sich erneut.
    • Eine zweite Amtszeit Donald Trumps würde wahrscheinlich die Inflation anheizen. Ein potenzieller Anstieg des US-Dollar, höhere Renditen langfristiger Anleihen und eine steilere US-Renditekurve könnten die Folgen sein.
    • Die Herausforderungen für die politische Weltordnung machen deutlich, wie wichtig eine strategische Vermögensallokation ist, die den Grossteil der Portfolioerträge erbringt.
    • Anlegerinnen und Anleger brauchen Leitprinzipien, um sich auf volatilen Märkten sicher zu bewegen. Ein aktiver Ansatz und thematische Allokationen können die Risiken einer Vermögensvernichtung mindern und in Portfolios Mehrwert schaffen.

    Präsident Joe Bidens Entschluss, sich aus dem Rennen um das Weisse Haus zurückzuziehen, verändert die Siegchancen bei der Wahl im November. In diesem Artikel gehe ich der Frage nach, was in den USA auf politischer Ebene unmittelbar auf dem Spiel steht. Ausserdem zeige ich auf, dass Anlegerinnen und Anleger aufgrund der ungewissen Geopolitik einige grundlegende Prinzipien unbedingt beachten sollten.

    Nach Joe Bidens Erklärung vom 21. Juli rückt nun Vizepräsidentin Kamala Harris in den Blickpunkt. Der US-Präsident hat ihr seine Unterstützung als Kandidatin der Demokraten bereits zugesagt. Dies verändert den Wahlkampf deutlich. Das Attentat auf Donald Trump und dessen Entscheidung, J. D. Vance zu seinem Vizepräsidentschaftskandidaten zu machen, festigten den bereits wachsenden Vorsprung des republikanischen Kandidaten weiter. Die Demokraten verfielen dagegen zunehmend in Panik. Ob sie nun geschlossen hinter Kamala Harris stehen werden, wird sich zeigen müssen. Abseits der personellen Entscheidungen im Präsidentschaftswahlkampf sind die Mehrheitsverhältnisse im US-Kongress knapp. Sie können sich rasch ändern und werden nur von einer Handvoll Sitzen im Repräsentantenhaus oder Senat abhängen.

    Nach Bidens Verlautbarung tendierten Futures auf den S&P-500-Aktienindex leicht höher. Zudem stiegen die Renditen kurzfristiger US-Staatsanleihen. Titel mit einer Laufzeit von fünf und mehr Jahren gaben indes nach, während der US-Dollar gegenüber dem Euro kaum verändert notierte. Wegen einer möglichen zweiten Amtszeit Donald Trumps standen in den letzten Wochen seine politischen Ambitionen stärker im Fokus. Dies galt auch für mögliche Hinweise, ob sich etwas an der Unabhängigkeit der US-Notenbank Fed ändern könnte. Das Potenzial für eine zweite Amtszeit Trumps löste darüber hinaus eine Rotation an den Aktienmärkten aus. Titel mit niedriger Kapitalisierung sowie der Energiesektor profitierten, während Wachstumstitel unter Druck gerieten. Dies könnte sich nun allmählich umkehren. Wir erwarten, dass die Märkte in den nächsten drei Monaten volatil sein dürften, während die Anlegerinnen und Anleger die Wahlkampfaussagen und politischen Vorschläge beurteilen.

    Das Potenzial für eine zweite Amtszeit Trumps löste eine Rotation an den Aktienmärkten aus

    Die politische Unsicherheit wird die Nachfrage nach dem US-Dollar als „sichere“ Währung weiterhin stützen. Dies könnte so bleiben, bis der Parteitag der Demokraten am 19. bis 22. August den Ersatzkandidaten oder die Ersatzkandidatin für Joe Biden bestätigt.

    Eine zweite Regierung Trump würde unseres Erachtens die Inflation anheizen. Die US-Währung könnte dann weiter aufwerten. Denn Erwartungen zusätzlicher Steuersenkungen, protektionistischer Importzölle und eines angespannteren Arbeitsmarkts infolge einer geringeren Zuwanderung im Jahr 2025 dürften den US-Dollar höher treiben. Ein solcher Inflationsdruck wäre ein Auslöser für höhere Renditen langfristiger Anleihen und einen steileren Verlauf der US-Renditekurve. Dies ist einer der Gründe, warum wir deutschen Bundesanleihen den Vorzug gegenüber US-Staatsanleihen geben und das globale Anleihenengagement auf strategischen Niveaus belassen. Bei Aktien bevorzugen wir weiterhin Märkte ausserhalb der USA, auf denen die Bewertungen niedriger und die Konzentrationsrisiken geringer sind. US-Aktien belassen wir auf strategischen Niveaus.

    Entgegen den Trends der neuen Welt

    Die USA sind nicht das einzige Land, das eine neue Regierung wählt. Dieses Jahr finden in rund 70 Ländern Wahlen statt, bei denen die Hälfte der Weltbevölkerung über ihre neue Regierung abstimmen kann. Es steht aussergewöhnlich viel auf dem Spiel, und seit dem Fall der Berliner Mauer waren Führungsqualitäten und Führungsstärke nie so gefragt wie heute.

    Doch in vielen Ländern könnten die Menschen enttäuscht und unzufrieden sein. Erbitterte Kampagnen für Wahlen und Referenden prägen aktuell in vielen Ländern das Geschehen. Dabei werden unredliche politische Auseinandersetzungen und sogar Lügen und falsche Behauptungen zunehmend zur Normalität. Nicht nur Joe Biden ist gebrechlich; anscheinend schwächelt das gesamte System weltweit.

    Das Vereinigte Königreich hat nach Jahren des politischen Chaos und des Aufruhrs an den Märkten nun ein neues Kapitel aufgeschlagen. Die britische Wirtschaft kommt nur schwer in Form, und die Labour-Regierung wird vor grossen Herausforderungen stehen. In Frankreich kämpft Emmanuel Macron um das Überleben der liberalen Mitte, während rechts- und linksgerichtete Parteien immer mehr Zulauf verzeichnen.

    Seit dem Fall der Berliner Mauer waren Führungsqualitäten und Führungsstärke nie so gefragt wie heute

    Die Verfechter einer strikten Zuwanderungspolitik sowie lautstarke Kritiker der etablierten Parteien sind europaweit auf dem Vormarsch, nicht nur in Frankreich und Italien. Die Lage in Deutschland ist ebenfalls heikel. Die Regierungskoalition hat sich nach einer monatelangen Krise auf einen Haushalt geeinigt, der noch der Zustimmung des Bundestags bedarf. Dies verdeutlicht einen Kernaspekt der aktuellen Führungskrise in Europa. Kurzfristige wirtschaftliche Interessen und politisches Taktieren wiegen schwerer als Bekenntnisse zur Energie- und nationalen Sicherheit sowie generell zu einer verantwortungsvollen Regierungsführung. All diese Krisen verblassen jedoch angesichts der Folgen des Kriegs an Europas Grenzen.

    Selbst an den Finanzmärkten scheint es, als könnten Aktien, die in diesem Jahr mehrfach auf Allzeithochs geklettert sind, sich über die Vernunft hinwegsetzen. Für die Outperformance des S&P 500 im letzten Jahr war in erster Linie eine Handvoll extrem hoch kapitalisierter Unternehmen verantwortlich. Dies verschleiert breitere Trends in der US-Wirtschaft und bei den Unternehmen. Es gibt bereits Anzeichen, dass diese Konzentration und diese Führung an den Märkten nun möglicherweise abnehmen. Doch dies widerspiegelt einen generellen Trend im weltweiten Führungsstil: Schnelle wirtschaftliche Gewinne und technologische Fortschritte stehen im Vordergrund – möglicherweise auf Kosten langfristiger Stabilität und Verantwortung. Wie weit können wir mit der künstlichen Intelligenz gehen? Und können wir das Gefühl für Solidarität zwischen den Generationen wiederherstellen? Die Antworten auf diese Fragen stehen noch aus.

     

    Leitprinzipien

    Als Anlegerinnen und Anleger brauchen wir starke, verlässliche Leitprinzipien. Allzu häufig versuchen Vermögensverwalter den Eindruck zu erwecken, dass sie besondere Einblicke in das Chaos an den weltweiten Märkten haben. In der Realität verdienen wir unseren Lebensunterhalt damit, dass wir die uns anvertrauten Lebensersparnisse besonnen verwalten und auf ihre Widerstandsfähigkeit achten. Der richtige Umgang mit Turbulenzen erfordert Prozesse, Strukturen und Disziplin. Der Grossteil der Portfolioerträge hängt von einer robusten strategischen Vermögensallokation ab. Sie sorgt für eine ruhige Hand bei taktischen Entscheidungen und gewährleistet, dass wir unsere langfristigen Ziele erreichen.

    Meiner Erfahrung nach bestimmen häufig Trends und Themen das Geschehen an den Märkten – das beobachten wir auch aktuell. Wir müssen uns bemühen, sie zu verstehen: Haussen profitieren von Trends, auf die Anlegerinnen und Anleger aufspringen. Auslöser für eine Baisse sind Schocks und Rezessionen. Heute konzentrieren sich die Märkte auf ein gesundes makroökonomisches Umfeld und lassen das geopolitische Risiko weitgehend ausser Acht. Wachstumsbelebung, Disinflation und sinkende Zinsen federn in Verbindung mit den beträchtlichen öffentlichen Ausgaben für Infrastruktur und Innovation das geopolitische Risiko ab. Ein neuer Investitionsboom – zum Teil bedingt durch den strategischen Wettstreit zwischen den USA und China – macht die Wirtschaft einstweilen resilient.

    Ein aktiver Managementansatz kann einer Vermögensvernichtung durch Sanktionen, Zölle und den Wegzug von Unternehmen entgegenwirken

    Doch die Dinge können sich schnell ändern. Eine gespaltene Welt ohne echte globale Führung könnte verspielen, was vor wenigen Jahren als breiter Konsens mit Blick auf die Ziele einer liberalen Demokratie galt. Risiken aufgrund politischer Ereignisse werden weiterhin bestehen – mit bedeutenden Auswirkungen auf den Portfolioaufbau. Politische Verwerfungen können alle Regionen und Sektoren beeinträchtigen. Sie können auch zu einer Marktkonzentration führen, wenn aus dem Wandel der politischen Landschaft manche Unternehmen als Gewinner und andere als Verlierer hervorgehen.

    In diesem Kontext kann ein aktiver Managementansatz, der die wahren Risiken identifiziert, einer Vermögensvernichtung durch Sanktionen, Zölle und den Wegzug von Unternehmen entgegenwirken. Und er kann in Portfolios Mehrwert schaffen, indem er hinter oberflächliche Trends blickt. Damit unterscheidet sich dieser Ansatz deutlich vom Trend zum passiven Anlegen. Thematische Allokationen, die auf langfristige Trends setzen und über traditionelle regionen- und sektorbezogene Engagements hinausgehen, machen Portfolios nach meiner Überzeugung ebenfalls widerstandsfähiger. Anlegerinnen und Anleger müssen in der entstehenden neuen Weltordnung darauf achten, dass sie bei Portfolioallokationen auf Anlagen und Länder setzen, für die der Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit gilt. Es ist wichtig, wachsam zu bleiben. Die Voraussetzung für Anlageerfolg in einem heissen politischen Sommer ist ein hohes Mass an Ausdauer.

    Wichtige Hinweise.

    Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende.

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