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Dem verheerenden Sturm entkommen: mehr Ernährungssicherheit durch neue Ernährungsweisen
Angesichts des anhaltenden Konflikts in der Ukraine, der zu einem Engpass in der Nahrungsversorgung führt, warnte der Generalsekretär der Vereinten Nationen eindringlich vor einem drohenden Hunger-Hurrikan.
Bereits vor dem Jahresbeginn 2022 war es für die Welt schwierig, eine stetig wachsende Bevölkerung zu ernähren. Beinahe 10% der Weltbevölkerung waren mit ernster Ernährungsunsicherheit konfrontiert. In den am wenigsten entwickelten Ländern betrug der Anteil sogar 20%. Unsere Ernährungssysteme zerstören natürliche Lebensräume: 90% der Entwaldung dienen dem Ausbau der Landwirtschaft. Da die Weltbevölkerung sich bis 2050 um 2 Milliarden auf 10 Milliarden erhöhen wird, dürfte dieser Druck noch merklich zunehmen.
Diese herausfordernde Lage wurde durch die russische Invasion in der Ukraine zusätzlich erschwert. Die Versorgungsengpässe brachten das Gleichgewicht am globalen Nahrungsmittelmarkt ins Wanken. Die Weizen- und Maispreise schossen in die Höhe, und die Energiepreise gingen auf Höhenflug, was wiederum den Kosten der Nahrungsmittelherstellung Rückenwind verlieh.
Die Warnung der Vereinten Nationen ist klar und deutlich. Die Nahrungskrise wird möglicherweise noch Jahre andauern. Millionen von Menschen könnten unter Ernährungsunsicherheit, Nahrungsmittelknappheit und sogar Hungersnot leiden.
Gibt es einen Weg aus diesem Problem, das wir Menschen selbst verursachen?
Die Kornkammer ist leer
Die Ukraine ist als Kornkammer der Welt bekannt. Vor der russischen Invasion exportierte sie monatlich 4,5 Tonnen Landwirtschaftsprodukte. Das waren 12% der weltweiten Weizen-, 15% der Mais- und die Hälfte der Sonnenblumenölexporte. Die Kriegsgegner erzeugen zusammen beinahe ein Drittel der weltweiten Weizenexporte.
Die Auswirkungen des Kriegs wurden schnell deutlich. Als der vierte Monat des Konflikts begann, hatte die Welt schätzungsweise nur noch Weizenvorräte für 10 Wochen. Mit der Knappheit stiegen die Preise steil an. Der Maispreis erhöhte sich um 28% und der Weizenpreis um 41%, bevor die Kurse wieder sanken. Da Häfen wie Odessa und Tschornomorsk blockiert sind, mussten die ukrainischen Weizen- und Maisexporte über Land transportiert werden, was die Versorgung noch stärker einschränkte.
Dann stiegen die Energiepreise an. Vor dem Krieg stammten rund 40% des Erdgasverbrauchs der europäischen Haushalte aus Russland. Das war auch der Fall für 46% der Kohle, die zur Stromerzeugung und für die Industrie dient. Als der Konflikt begann, stiegen die Kraftstoffpreise und brachten den Krieg in die europäischen Wohnzimmer.
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Aufgrund der steigenden Energiekosten suchen viele Länder nach Alternativen. Einige haben sich für Bioethanol aus Getreidekörnern entschieden. Diese Umstellung reduzierte die Agrarflächen, die für den herkömmlichen Getreideanbau zur Verfügung stehen. Deshalb können Flächen ausserhalb der Ukraine nicht genutzt werden, um den fehlenden Weizen für die Ernährung zu ersetzen. Zudem sind auch die Düngemittelpreise1 infolge des Anstiegs der Erdgaskurse in die Höhe geschnellt, denn Erdgas ist ein wichtiger Rohstoff bei der Erzeugung stickstoffhaltiger Düngemittel.
Dies löste eine Kettenreaktion aus, die auch den Maisanbau in den USA ergriff. Denn der Maisanbau setzt grosse Mengen von Düngemitteln voraus. Deshalb könnten ersten Anzeichen nach einige Landwirte auf andere Getreidearten umstellen. Dem US-Landwirtschaftsministerium2 zufolge haben Landwirte die Absicht, den Maisanbau im Frühling um 4% zu reduzieren. In Brasilien dürften die hohen Preise ebenfalls den Maisanbau bedrohen.
Zusammengenommen deuten diese Faktoren auf eine Katastrophe für die globale Nahrungsmittelversorgung. Die Ärmsten und am stärksten Ausgegrenzten sind voraussichtlich am deutlichsten davon betroffen. Menschen in Gebieten mit anfälligen Agrarsystemen leiden besonders, so die Welternährungsorganisation FAO und das World Food Programme. Beide rufen dazu auf, der Hungersnot in 20 „Hunger-Hotspots“ ein Ende zu setzen.
Gemäss den Vereinten Nationen verstärkt der Krieg die Hungersnot im Süden der Erde, weil die Hafenblockaden in der Ukraine und in Russland den Export von Grundnahrungsmitteln verhindern. Weizen, Mais und Sonnenblumen werden im April gesät, doch wurde der Anbau aufgrund der Probleme mit Kraftstoff und Düngemitteln erschwert. Dadurch steigt die Wahrscheinlichkeit künftiger Versorgungsprobleme.
Im Westen beklagt man zwar den Anstieg der Lebenshaltungskosten, doch scheint das mögliche Ausmass der Nahrungsmittelknappheit noch nicht in das Bewusstsein der Öffentlichkeit gedrungen zu sein. Letzten Monat warnte UN-Generalsekretär António Guterres vor dem „Gespenst der globalen Nahrungsmittelknappheit“, das Jahre anhalten könnte.
Der Weizenpreis veranschaulicht dieses Problem besonders deutlich. Vor einem Jahr kostete ein Bushel Weizen ca. USD 6.78. Heute sind es USD 8.86. „Sprechen wir Klartext“, sagte António Guterres, „es gibt keine wirksame Lösung für die Nahrungskrise ohne die Ukraine.“
Suche nach Lösungen
Der Krieg lenkte die Aufmerksamkeit erneut auf ein altes Problem. Schon lange vor der Invasion der Ukraine war es schwierig, die ständig wachsende Weltbevölkerung zu ernähren.
Was bringt uns die Zukunft? 2050 werden vorraussichtlich weitere 2 Milliarden Menschen auf der Erde leben und Druck auf eine Umwelt ausüben, die bereits an ihrer Belastungsgrenze angekommen ist. Die günstigsten Prognosen deuten darauf, dass die Getreideproduktion um 60% steigen muss. Das Worst-Case-Szenario geht von einer Verdopplung der Menge aus.
Wie reparieren wir dieses brüchige System? Indem wir nachhaltige Ernährungssysteme entwickeln und von einer CO2-intensiven auf eine saubere Wirtschaft umsteigen.
Der Wandel muss vier Ebenen betreffen: Umstellung von tierischen Produkten auf eine nachhaltige, pflanzenbasierte Ernährung, Verringerung der Verschwendung, Erhöhung der Produktivität und Reduzierung der Emissionen. Mehr Nahrung anzubauen, ohne dem Planeten zu schaden, ist eine schwierige Herausforderung, die jedoch gemeistert werden kann: Nur wenn wir gleichzeitig auf allen vier Ebenen ansetzen, können wir 2050 wirklich 10 Milliarden Menschen ernähren.
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* Die Technologie wirkt sich nachhaltig auf die moderne Landwirtschaft aus. Präzisionstechniken ermöglichen eine feinere Analyse, wie die Flächen am besten bestellt werden. Mit GPS-Sensoren für Traktoren kann auf die unterschiedliche Bodenbeschaffenheit eingegangen und genau die richtige Menge Wasser und Düngemittel verwendet werden. Kühe können mit intelligenten elektronischen Etiketten ausgestattet werden, die Daten zu Bewegung, Futteraufnahme und Gesundheit senden und sicherstellen, dass eventuelle Probleme prompt gelöst werden. Roboter können heute schon das empfindlichste Obst und Gemüse ernten, nachdem Computersysteme den richtigen Reifepunkt bestimmt haben. Früher waren diese Technologien Grossbetrieben oder Landwirten, die sie sich leisten konnten, vorbehalten. Heute stehen sie jedoch auch Kleinbauern zur Verfügung, insbesondere in Afrika, wo mehr als ein Viertel der Agrarflächen der Welt liegt3. Dort können die Landwirte per SMS daran erinnert werden, wann sie Unkraut bekämpfen und die Felder bestellen sollen. Dadurch wurde beispielsweise der Zuckerrohrertrag deutlich gesteigert.
Viel zu viel Nahrung endet auf Deponien. Der Nahrungsmittelabfall-Index des Umweltprogramms der Vereinten Nationen zeigt, dass jährlich mehr als 900 Millionen Tonnen Nahrungsmittel weggeworfen werden. Das sind 17% der Nahrungsmittel, die den Konsumenten zur Verfügung stehen. Um diese Verschwendung zu reduzieren, werden die Verbraucher angehalten, Nahrung einzufrieren und lose Ware zu kaufen anstatt abgepackter.
Zudem wurden bereits umfassendere Massnahmen getroffen, um mit dem Problem fertig zu werden. Soziale Unternehmen in Grossbritannien bieten ihren Kundinnen und Kunden unverkaufte Speisen von Restaurants und Cafés zu ermässigten Preisen über eine App an, während Non-Profit-Organisationen Überschüsse bei Grosshändlern sammeln und damit Wohlfahrtseinrichtungen und Schulen versorgen[4]. In Europa verarbeitet ein von der EU finanziertes Projekt5 Ernteabfälle und verwandelt sie unter anderem in Nahrungsmittelverpackungen und Agrochemikalien. Datenunternehmen in den USA setzen sich ebenfalls für die Bekämpfung der Nahrungsmittelverschwendung an der Quelle ein und optimieren die Lieferketten, um die Nahrungsproduktion möglichst straff zu gestalten. Nahrungsmittel, deren Haltbarkeitsdatum bald abläuft, gehen an Nahrungsmittelbanken. Und verderbliche Produkte werden in grüne Energie verwandelt6.
Künstliche Intelligenz dringt allmählich in alle Aspekte unseres Lebens ein. Die Nahrungserzeugung macht hier keine Ausnahme. Ein Grossteil der Nahrungsmittelverschwendung ergibt sich aus nicht optimierter Beschaffung, d.h. der Unter- oder Überschätzung der Nachfrage. Dieses Problem kann zum Teil mittels KI-Modelle gelöst werden. In Grossbritannien verwendet beispielsweise Morrisons, die Supermarktkette, das System Blue Yonder, um die Regale effizient zu befüllen. In den Geschäften konnte so die Verfügbarkeit um 30% erhöht und die Lagerbestände reduziert werden. In London spart ein Unternehmen 70% des Wasserverbrauchs ein. Dazu werden „Mikro-Grünpflanzen“ unter der Erde angepflanzt. Sensoren optimieren die Wachstumsbedingungen. Währenddessen setzt IKEA ein KI-System ein, um zu ermitteln, wie viel Abfall in den Küchen produziert wird. Eine Kamera und Waagen „lernen“ zu bestimmen, wie viel Nahrung weggeworfen wird, und berechnen die entsprechenden Kosten für die Küchen, was wiederum den Abfall reduziert.
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Die Vorteile für Anlegerinnen und Anleger
Ernährungsweisen in Frage stellen, die Nahrungsproduktion verbessern und Nahrungsmittelverschwendung senken: Das sind die drei Eckpfeiler, die wir brauchen, um ein neues Nahrungssystem für eine Zukunft mit einer grösseren Bevölkerung zu erfinden. So können wir unsere Abhängigkeit senken, wenn Ereignisse wie der Krieg in der Ukraine auftreten – Ereignisse, die eine bereits labile Weltwirtschaft erschüttern und die Volatilität an den Märkten erhöhen, unter der die Ärmsten am meisten leiden.
Es gibt in Zukunft sicher weitere verheerende Ereignisse wie den Krieg in der Ukraine; sie bringen das Fundament unserer Wirtschaft ins Wanken. Um die Grundlagen zu festigen, müssen wir unsere Einstellung zur Nahrungsproduktion ändern, damit wir weniger stark von einzelnen Volkswirtschaften abhängig sind.
1 https://www.spglobal.com/commodityinsights/en/market-insights/blogs/agriculture/011922-fertilizer-costs-natural-gas-prices
2 https://www.ft.com/content/0ed87001-1cc0-485e-9eeb-bfdf5182a917
3 https://www.ft.com/content/3316885c-b07d-11e8-87e0-d84e0d934341
4 Das Felix-Projekt
5 https://agrimax.iris-eng.com/
6 https://www.divertinc.com/
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