rethink sustainability
Wie können wir den Planeten nachhaltig ernähren? Anlegechancen in 3 Sektoren
In den letzten Jahrzehnten war die Lebensmittelindustrie vor allem eins: unwirtschaftlich, ineffizient, ungleich und schmutzig (WILD). Wir haben den Anbau von Nutzpflanzen überzogen und die wichtigsten Ressourcen unseres Planeten, wie Land und Artenvielfalt, zerstört. Unsere Lebensmittelproduktion ist für rund 30% des Energieverbrauchs und 22% der Treibhausgasemissionen weltweit verantwortlich. Das ist mehr als alle Transportemissionen zusammen.1 Bis 2100 dürfte die Weltbevölkerung auf 10 Milliarden Menschen ansteigen. Sollen unsere natürlichen Lebensgrundlagen diese Bevölkerung weiterhin gesund ernähren, sind wir heute gefordert zu einem nachhaltigen Modell überzugehen – zu einer kreislauforientierten, produktivitätssteigernden, integrativen und sauberen CLIC®-Wirtschaft.
Der Krieg in der Ukraine und COVID-19 haben enorme Auswirkungen auf Millionen von Menschen weltweit und haben ganze Volkswirtschaften lahmgelegt. Die Pandemie machte sichtbar, wie fragil unsere Lebensmittellieferketten sind und beschleunigte die Dringlichkeit eines Übergangs zu einem nachhaltigeren Ernährungssystem. Eine Vorreiterrolle nehmen Unternehmen ein, die COVID-19 als Katalysator der Veränderung erkennen. Ein Blick auf den Sektor verspricht bahnbrechende Innovationen in der Herstellung von Lebensmitteln, der Reduktion von Abfall und der Förderung eines nachhaltigen Ernährungsverhaltens.
Anleger können von dieser zukunftsfähigen Agrar-Revolution profitieren. Die Umgestaltung unserer Nahrungs- und Landnutzungssysteme kann die Kosten um USD 5,7 Bio. pro Jahr senken und bis 2030 neue Geschäftschancen im Wert von USD 4,5 Bio. pro Jahr schaffen.
Wie also sehen die Zukunftstrends bei Lebensmitteln aus? Ein Blick auf drei für Anleger attraktive Sektoren.
1. Wasser respektvoll nutzen
Heute gehen 70% des weltweiten Süsswasserverbrauchs auf die Landwirtschaft zurück. In manchen Entwicklungsländern kann dieser Anteil bis zu 95% erreichen. Schätzungen zufolge wird die landwirtschaftliche Produktion bis 2050 um rund 60% (gegenüber den Niveaus von 2005/2007)2 wachsen müssen, um die wachsende Bevölkerung zu versorgen. Gleichzeitig wirkt sich der Anstieg des Konsums auf eine steigende Wassernachfrage aus. Darüber hinaus setzen der Klimawandel, die Urbanisierung, die steigende Nachfrage nach Fleisch und Milchprodukten sowie der Wettbewerb um sauberes Wasser den Sektor enorm unter Druck. Es sind Lösungen gefragt, um die Lücke zu schliessen. Hier können Anleger einen wesentlichen Beitrag leisten, die Landwirtschaft in eine nachhaltige Richtung zu lenken, die Herstellung von Lebensmitteln zu verbessern und gleichzeitig die begrenzten Ressourcen zu erhalten und aufzuwerten.
Innovative Bewässerungsanlagen und Entwässerungssysteme sind eine wirkungsvolle Anlagemöglichkeit, den globalen Wasserkreislauf zu verbessern. Advanced Drainage Systems produziert Hochleistungsrohre, die aus einer besonders leichten und robusten Lösung hergestellt werden, sodass bei der Fertigung weniger neu produzierter Kunststoff benötigt wird. Ausserdem stammen 60% des verwendeten Kunststoffs aus recycelten Quellen. Als führendes Unternehmen im Sektor der landwirtschaftlichen Wasserwirtschaft schützen ihre Lösungen den Boden und verbessern die Erträge.
Eurofins wiederum ist auf Bodenanalysen spezialisiert, um Produktionsprozesse in der Landwirtschaft zu verbessern. Das Unternehmen unternimmt dazu Analysen des Bodenmaterials wie Lehm, Schlamm und sonstiges organisches Material und liefert den Bauern auf dieser Basis entscheidende Informationen über die Wasserspeicherfähigkeit des Bodens. Damit lassen sich effizientere Entscheidungen und Strategien der Bewässerung zu ermöglichen.
2. Klimasmarte Lebensmittel
In den letzten 50 Jahren hat sich die Fleischproduktion weltweit mehr als vervierfacht – auf 320 Millionen Tonnen pro Jahr3. Lebensmittel verursachen mehr als ein Viertel der CO2-Emissionen4 weltweit. Die Produktion von Fleisch alleine ist für bis zu 40% dieser Emissionen verantwortlich. Ferner führt die Haltung der Tiere in hohem Masse zu einer Verschlechterung der Boden- und Wasserqualität, zum Verlust der Artenvielfalt, zur Entwaldung sowie zu einem steigenden Energieverbrauch bei. Das globale Bevölkerungswachstum sorgt schon heute für Herausforderungen. Diese zu meistern, wird nur möglich sein, wenn ein Umdenken in der Ernährungsgewohnheit stattfindet und konkrete Lösungen entwickelt werden.
Nie war der Wandel der Ernährungsgewohnheiten so hoch im Kurs. In den USA ist die Zahl der Menschen, die sich als Veganer bezeichnen, in nur drei Jahren um 600% gestiegen. Dieser Trend ist auch an anderen Märkten zu beobachten5. Einer Studie zufolge versuchen über 50% der Millennials pflanzliche Alternativen in ihre Ernährung einzubeziehen6. Unternehmen haben auf diese Nachfrage reagiert.
Im vergangenen Jahr folgte der grösste Lebensmittelproduzent Nestlé den Unternehmen Impossible Foods und Beyond Meat und entwickelte Burger auf Pflanzenbasis. Der zuerst in Europa lancierte Awesome Burger des Unternehmens ist die Antwort auf den wachsenden Trend zu pflanzlicher Nahrung. Wayne England, Leiter der Lebensmittelsparte bei Nestlé, argumentiert: „Dieser Trend wird sich fortsetzen, da die Verbraucher nach verschiedenen Möglichkeiten suchen, zu geniessen, ihren Proteinhaushalt auszugleichen und gleichzeitig die Ökobilanz ihrer Ernährung zu verbessern.“7 Das Unternehmen will auch ein Thunfisch-Imitat entwickeln und hat angekündigt, noch in diesem Jahr einen Thunfischsalat auf Pflanzenbasis auf den Markt zu bringen.
Ein weiteres Thema sind Futtermittel. Das französische Unternehmen Ÿnsect sagt, dass „20% des weltweiten Proteinkonsums auf Nutztiere entfallen, die in direkter Konkurrenz zum menschlichen Verzehr stehen“. Ÿnsect schlägt eine einfache Lösung vor: Insekten als natürliche Futterbestandteile in der Aquakultur, der Landwirtschaft sowie im Haustierfutter zu verwenden. Insekten stossen weniger Treibhausgas aus als herkömmliche Nutztiere und brauchen bis zu sechsmal weniger Futter als Rinder8, so dass sich mit ihnen die Proteinproduktion nachhaltig steigern und die Lücke schliessen lässt.
Wir stehen vor einem tiefgreifenden Wandel der Branche. Der globale Markt für pflanzliche Lebensmittel boomt und wird Schätzungen zufolge bis 2025 ein Volumen von USD 40,6 Mrd. erreichen.9
3. Weniger Lebensmittelabfälle
Wenn Lebensmittel produziert, doch nicht konsumiert werden, führt dies zu unnötigem CO2-Ausstoss, Artensterben sowie Boden- und Wasserverbrauch. Nach einer Schätzung der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) entsprechen die Lebensmittelabfälle, wären sie ein Land, einer Umweltbelastung des drittgrössten Treibhausgasemittenten, gefolgt von den USA und China.10 In einer Zeit zunehmender Lebensmittelunsicherheit ist ein radikaler Wandel des Ernährungsalltags lebenswichtiger geworden.
Intelligente und aktive Verpackung beispielsweise können die Haltbarkeit von Lebensmitteln erheblich verlängern und die Produktsicherheit und die Lebensmittellagerung verbessern. Das US-amerikanische Start-up-Unternehmen Apeel, das auf Lebensmittelwissenschaften spezialisiert ist, hat eine essbare Schutzschicht pflanzlichen Ursprungs entwickelt, die Lebensmittel zwei- bis dreimal länger frisch hält. Wie sie funktioniert? Apeel hält die Feuchtigkeit im Lebensmittel und den Sauerstoff draussen, was das Tempo, mit der das Produkt verdirbt, stark verlangsamt.11 Das Produkt trägt dazu bei, den Abfall entlang der Wertschöpfungskette, vom Anbieter bis zum Haushalt, zu reduzieren. Bisher ist ihre Lösung für Avocados, Bioäpfel und Zitrusfrüchte auf dem Markt. Das Unternehmen dürfte jedoch schnell wachsen. Der US-Supermarkt Kroger ist im Rahmen seines Zero Waste Zero Hunger Innovation Fund eine Partnerschaft mit Apeel eingegangen und verkauft Apeel-Avocados bereits in 1‘100 Geschäften.
Weniger Abfall durch eine längere Lebensdauer der Lebensdauer ist für den Übergang zu einer CLIC®-Wirtschaft unerlässlich. Doch diese Lösung ist nur eine von vielen Möglichkeiten. Eine weitere ist die Verbesserung des Abfallkreislaufs, und Pionierprojekte, die auf diesem Gebiet innovativ sind, weisen den Weg in eine nachhaltigere Zukunft.
Was wäre, wenn Lebensmittelabfälle in grüne Energie umgewandelt werden könnten? So innovativ dies erscheinen mag, der Mensch hat Energie aus Biomasse (organischem Abfall) seit Menschengedenken genutzt. Biokraftstoffe oder Biogas entstehen durch die anaerobe Vergärung12 von organischem Abfall (Biomasse) zu erneuerbarer Energie. Der Schweizer Energieversorger Romande Energie13 hat zwei Anlagen gebaut – eine verwendet trockene Biomasse und die andere feuchte Biomasse. Nach Angaben des Unternehmens stellt diese Energiequelle heute einen zentralen Bestandteil seines Energiemixes dar. Sie liefert 29 Millionen kWh, was dem jährlichen Energieverbrauch von über 8‘300 Haushalten entspricht.
Ein globaler Wandel
Die Lebensmittelindustrie ist auf dem richtigen Weg. Mit bahnbrechenden Lösungen und engagierten Unternehmen arbeitet sie auf eine sicherere und grünere Zukunft hin. Doch um die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung und die Ziele des Pariser Abkommens zu erreichen, muss der Wandel systemisch erfolgen. Ein Umdenken ist in jedem Sektor erforderlich. Ob Mobilität, Energie, Gesundheitswesen, Bauwesen oder die Kunststoffindustrie: Diese und viele andere Sektoren erfordern globale Aufmerksamkeit und Unterstützung, um eine nachhaltige Zukunft zu sichern. Die Chancen liegen auf der Hand.
Unserer Überzeugung nach ist der Übergang zu einer CLIC®-Wirtschaft die grösste Chance einer Generation. Und das ist erst der Anfang. Umso wichtiger ist es, zukünftige Trends zu definieren und konkrete, skalierbare Lösungen zu entwickeln. Dabei spielen alle eine entscheidende Rolle, von Politiker, Regierungen bis Anleger und Konsumenten.
1 UN (2015). Ziele für nachhaltige Entwicklung: Nachhaltige/r Konsum und Produktion. Von https://www.un.org/sustainabledevelopment/sustainable-consumption-production/
2 http://www.fao.org/3/a-i7959e.pdf
3 https://ourworldindata.org/meat-production
4 https://ourworldindata.org/food-ghg-emissions
5 Global Data (2017). Top Trends in prepared Foods 2017. Von https://www.reportbuyer.com/product/4959853/top-trends-in-prepared-foods-2017-exploring-trends-in-meat-fish-and-seafood-pasta-noodles-and-rice-prepared-meals-savory-deli-food-soup-and-meat-substitutes.html
6 https://www.forbes.com/sites/bridgetshirvell/2019/09/09/more-than-50-of-millennials-trying-to-incorporate-plant-based-foods-into-their-diet/#283d57165ebf
7 https://www.nestle.com/media/news/nestle-launch-plant-based-burgers
8 http://www.fao.org/edible-insects/en/
9 https://www.globenewswire.com/news-release/2019/12/17/1961432/0/en/Global-Plant-based-Protein-Industry-Report-2019-2025-Industry-was-Valued-at-18-5-Billion-in-2019-and-is-Projected-to-Reach-40-6-Billion-by-2025.html
10 https://www.bafu.admin.ch/bafu/en/home/topics/waste/guide-to-waste-a-z/biodegradable-waste/types-of-waste/lebensmittelabfaelle.html#:~:text=Producing%20food%20that%20is%20not,caused%20by%20avoidable%20food%20waste.
11 https://apeelsciences.com/questions/
12 Die anaerobe Gärung ist eine Abfolge von Prozessen, durch die Mikroorganismen biologisch abbaubares Material in Abwesenheit von Sauerstoff abbauen.
13 https://www.romande-energie.ch/
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