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Neue Perspektive auf verantwortliche Kapitalanlagen: Fragen an Christiana Figueres
2010 übernahm Christiana Figueres eine Aufgabe, die vielen unmöglich erschien. Als ehemalige Generalsekretärin des Sekretariats der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC) war sie dafür verantwortlich, die Welt zu einem globalen Abkommen zum Kampf gegen den Klimawandel zu führen. Nachdem Figueres einen – in ihren Worten – «transformativen Optimismus» in die Diskussion eingebracht hatte, um eine konfrontative in eine kooperative Gesprächsatmosphäre zu verwandeln, war es am 12. Dezember 2015 so weit: 195 Länder unterzeichneten das Pariser Abkommen. Damit einigten sie sich einstimmig auf die Ziele, den weltweiten Temperaturanstieg im Vergleich zum vorindustriellen Niveau auf weniger als 2° C (im Idealfall 1,5° C) zu begrenzen, die mit dem Klimawandel verbundenen Risiken und Folgen zu verringern, die Widerstandsfähigkeit und die Anpassungsfähigkeit an die Folgen des Klimawandels zu verbessern und den Kapitalfluss auf die Senkung der Treibhausgasemissionen und eine klimaschonende Entwicklung auszurichten.
Die COP21 markierte einen deutlichen Wendepunkt in der Agenda globaler Regierungen und Regulierungsbehörden in Richtung einer bewussten Kursänderung der Weltwirtschaft, um die Schwächsten zu schützen und das Leben der Allgemeinheit zu verbessern. Die Folgen sind für Unternehmen wie für Kapitalmärkte tiefgreifend. Die Unternehmen müssen sich auf das neue politische Paradigma einstellen, um im Zuge des Übergangs zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft wettbewerbsfähig zu bleiben.
Nur zwei Jahre nach der Unterzeichnung des Pariser Abkommens waren dem Vertrag, der deutlich früher als erwartet in Kraft trat, bereits 174 Länder, die 88% der weltweiten Emissionen repräsentieren, beigetreten. Die Regulierungssysteme haben das neue Paradigma bereits aufgegriffen, doch es bleibt noch viel zu tun. Das Tempo der Veränderung dürfte sich jedoch kaum verlangsamen. Was als unmöglich galt, ist unaufhaltsam geworden.
Dass es gelang, 195 Länder dazu zu bewegen, sich im Rahmen des Pariser Abkommens auf den Kampf gegen den Klimawandel zu einigen, markierte eine Wende in der Weltpolitik. Worin bestand die grösste Herausforderung für das Zustandekommen dieses Abkommens, und welches grosse Hindernis gilt es noch zu überwinden?
Die grösste Herausforderung bestand darin, die althergebrachte Denkweise, die Bekämpfung des Klimawandels sei nichts als eine Last, in die fortschrittlichere Erkenntnis umzumünzen, dass die Dekarbonisierung für uns tatsächlich ein beträchtlicher Vorteil ist. Die Verringerung des CO2-Ausstosses führt zu einer effizienteren Erzeugung, Verteilung und Nutzung von Elektrizität und damit letztendlich zu einer Senkung der Produktionskosten auf breiter Front. Sie bewirkt, dass die Luft insbesondere in Städten sauberer wird, und verbessert dadurch die öffentliche Gesundheit. Zudem sorgt sie für eine nachhaltigere Nutzung unserer Ackerflächen, indem sie zu einer Verbesserung der Ernteerträge und einer Erhöhung der Lebensmittelsicherheit führt.
Natürlich werden sich bestimmte herkömmliche Geschäftsmodelle auf der Verliererseite finden, das bedeutet jedoch nicht, dass Branchen, die auf diese Geschäftsmodelle setzen, zu den Verlierern zählen werden. Tatsächlich kann jeder von der Dekarbonisierung profitieren, vorausgesetzt der Umstieg auf Alternativen erfolgt früh genug, um Kollateralschäden zu vermeiden.
Die wichtigste verbleibende Herausforderung ist das Tempo. Es besteht kein Zweifel, dass die Dekarbonisierung der Weltwirtschaft im Gange ist. Sie ist nicht aufzuhalten und unumkehrbar. Noch nicht klar ist allerdings, wie schnell sie vonstattengehen wird. Die Marktkräfte geben zwar die Richtung vor, doch wir müssen jetzt dafür sorgen, dass die weltweiten Treibhausgasemissionen ab 2020 zu sinken beginnen. Das ist möglich, aber nur mit bewusster Anstrengung.
Welche Auswirkungen der Klimawandel auf die Weltwirtschaft und auf die Finanzmärkte hat, wird oft nicht ganz verstanden. Wie könnte man einem Laien den Zusammenhang verständlich machen?
Der Klimawandel hat zwei Auswirkungen auf die Weltwirtschaft, von denen eine negativ und eine positiv ist. Der erste Effekt ist negativ, und wir spüren ihn seit Jahren: Er besteht in den steigenden Kosten für die Behebung der Verwüstung und Beschädigung von Infrastrukturen infolge der zunehmenden Frequenz und Stärke extremer Wetterereignisse weltweit. Positiv ist, dass wir von einem frühzeitigen Beginn des Kampfes gegen den Klimawandel profitieren können. Die einschlägigen Aktivitäten bringen uns mehr Jobs, billigere und sauberere Energie, sauberere Luft und eine verlässlichere Lebensmittelproduktion.
Auch die Finanzmärkte sind von ähnlichen negativen und positiven Auswirkungen betroffen. Die Belastungen, welche notwendige Sanierungsmassnahmen und die Beseitigung von Schwachstellen mit sich bringen, führen zu einer höheren Volatilität und enormen Wertverlusten in allen Anlageklassen. Vermögenseigentümer und verwalter haben das erkannt und beginnen nun mit der Dekarbonisierung ihrer Anlageportfolios. Auf der positiven Seite ist zu vermerken, dass es bereits empirische Nachweise dafür gibt, dass kohlenstoffarme Investitionen ein besseres Risiko-/Ertragsprofil aufweisen. Investitionen in eine saubere Wirtschaft sind nicht nur moralisch richtig, sondern auch aus finanzieller Sicht klug.
Wie können Anleger zum Kampf gegen den Klimawandel beitragen? Und ist es für sie ein Muss, die Auswirkungen des Klimawandels auf ihre Portfolios in ihre Überlegungen mit einzubeziehen?
Ein absolutes Muss. Die Anleger spielen eine entscheidende Rolle für den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft, und sie können dafür sorgen, dass sich dieser Wandel im notwendigen Umfang und mit der notwendigen Geschwindigkeit vollzieht. Der Klimawandel hat nicht nur Auswirkungen auf die Portfolios der Anleger, sondern diese Portfolios haben auch Auswirkungen auf das Klima. Nun geht es darum, diese Wechselwirkungen zu erkennen und gemeinsam mit den Unternehmen, in die sie investieren, daran zu arbeiten, den CO2-Abdruck ihres Portfolios durchgehend zu senken. Auch die Allokation spielt eine entscheidende Rolle: Wir müssen die Kapitalflüsse sowohl in den Aktien- als auch in den Anleihemärkten in Richtung kohlenstoffarmer Investitionen stärken. Und noch etwas: Die Anleger können in einen aktiven Dialog mit ihren Regierungen eintreten und regulatorische Änderungen verlangen, die diesen Übergang erleichtern.
Es heisst doch: Was man misst, kann man managen. Wie wichtig ist die Standardisierung von Sprache, Daten und Kennzahlen für die Mobilisierung von Kapital im Kampf gegen den Klimawandel?
Die Messung ist tatsächlich von entscheidender Bedeutung. Auf diesem Gebiet werden nun Fortschritte erzielt, aber wir müssen unsere Anstrengungen verdoppeln. Der Ausgangspunkt muss eine Standardtaxonomie sein, die Auskunft über die CO2-Bilanz einer Investition gibt, um die Anleger in ihren Allokationsentscheidungen zu unterstützen. Wir brauchen ausserdem viel bessere Metriken, um finanzielle Risiken im Zusammenhang mit dem Klimawandel und deren Auswirkungen auf unsere Anlageportfolios besser beurteilen zu können. Die Empfehlungen der Task Force on Climate-Related Financial Disclosure sind ein erster Schritt in Richtung mehr Klarheit. Der nächste Schritt sind verbesserte Metriken, Datenerhebungen und analysen, um die Investitionsentscheidungen der Anleger zu unterstützen.
Seit Unterzeichnung des Pariser Abkommens auf der COP21 im Jahr 2015 haben wir einen langen Weg zurückgelegt. Welche Auswirkungen hat dieses Abkommen auf Unternehmen, und wie stellen sich Letztere auf die Welt nach der COP21 ein?
Viele Unternehmen sind jetzt auf ein Geschäftsmodell umgestiegen, das nicht nur wirtschaftlich erfolgreich ist, sondern echte Beiträge zum Schutz unseres Planeten vor dem Klimawandel leistet. Viele haben sich wissenschaftlich fundierte Ziele gesetzt, um die Treibhausgasemissionen in ihren Abläufen und Wertschöpfungsketten schrittweise zu reduzieren. Sie haben verstanden, wo ein echter Wettbewerbsvorteil zu finden ist, nämlich in einer sauberen und effizienten Produktion von Gütern und Dienstleistungen.
Welches sind die grossen Herausforderungen, die wir zur Erreichung unseres Ziels, den Klimawandel auf 2 Grad zu begrenzen, noch zu überwinden haben?
Die Herausforderung, über die sich alle einig sind, besteht darin, den Temperaturanstieg auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen, wobei ein maximaler Anstieg von 1,5 Grad anzustreben ist. Das ist der Temperaturbereich, in dem tief gelegene Inselstaaten in einer wärmer werdenden Welt, in der die Meeresspiegel bereits jetzt ansteigen, überleben können. Auf dem Weg zur Dekarbonisierung sind wir generell auf Kurs, was die Erhöhung des Anteils erneuerbarer Energien anbelangt. Einen Beitrag dazu leistet auch die Förderung sauberer Elektromobilität. Wo wir hinterherhinken, ist der Landverbrauch. Hier müssen wir geschädigte Flächen sanieren, der Entwaldung Einhalt gebieten, die Urwälder schützen und eine nachhaltigere Landwirtschaft anstreben. Auch bei dem Vorhaben, die Schwerindustrie von CO2-intensiven Energiequellen abzukopppeln, sind wir nicht auf Kurs.
Welche Bedeutung ist der Drohung von US-Präsident Trump beizumessen, aus dem Pariser Klimaschutzabkommen auszusteigen?
Auf internationaler Ebene hatte Trumps Aussage keine besondere Wirkung, da die USA mit diesem Schritt allein bleiben. Ganz im Gegenteil: Nach seiner Ankündigung holten zwei Länder, die dem Pariser Abkommen noch nicht beigetreten waren, den Beitritt nach. Die USA sind jetzt das einzige Land der Welt, das beabsichtigt, aus dem Pariser Klimaschutzabkommen auszusteigen. An der US-Heimatfront werden nationale Gesetze zum Klimaschutz geschwächt. Ironischerweise hat Trump aber sogar dazu beigetragen, die Massnahmen zur Verlangsamung des Klimawandels vor Ort zu beschleunigen. Seine Position zum Klimawandel hat bei Städten, Staaten und Unternehmen starke Reaktionen hervorgerufen. Sie alle bekräftigten ihr Engagement, weil sie die Vorteile der Dekarbonisierung bereits spüren.
Sie haben alle Unterzeichner der PRI (Principles for Responsible Investment) aufgefordert, bis zum Jahr 2020 mindestens 1% ihres AUM (verwaltetes Vermögen) in saubere Technologie und erneuerbare Energien zu investieren. Wie hat die Anlegergemeinde bisher auf diese Herausforderung reagiert? Was muss noch geschehen?
Die Reaktionen waren sehr positiv. Einige haben dieses Ziel bereits übertroffen und investieren einen weit höheren Anteil als 1% ihres AUM in saubere Technologien und erneuerbare Energien – einfach deshalb, weil es ein gutes Geschäft ist. Andere haben diesen Weg inzwischen eingeschlagen. Die Umstellung ist im Gange, wichtig ist es nun, den Vorgang zu beschleunigen. Die Herausforderung, vor der wir stehen, ist zweifach: Sie betrifft Umfang und Tempo. In die saubere Wirtschaft muss viel schneller viel mehr Kapital fliessen.
Wie wichtig ist es, die Geschäftspraktiken zu beeinflussen, indem Investitionen in Unternehmen mit niedrigeren CO2-Emissionen und einer besseren ESG- (Environment, Social and Governance-) Performance gegenüber Investitionen in Unternehmen, deren Aktivitäten sich negativ auf die Nachhaltigkeit auswirken, bevorzugt werden?
Die Anleger befinden sich in der privilegierten Lage, entsprechende Signale an die Märkte zu senden und die gesamte Wirtschaft in die richtige Richtung zu lenken. Die Anlegergemeinde hat die Werkzeuge in der Hand, um die Geschäftspraktiken, auf denen die Wirtschaft beruht, zu beeinflussen. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass sie die richtigen Signale sendet, indem sie deutlich macht, welche Aktivitäten aus Anlegerperspektive wirklich wettbewerbsfähig sind.
Wir haben in der Regierungspolitik und im regulatorischen Umfeld eine deutliche Veränderung in Bezug auf den Klimawandel gesehen. Wie sehr wird sich diese Welle des regulatorischen Wandels bis 2020 Ihrer Meinung nach beschleunigen?
Alljährlich werden auf nationaler und subnationaler Ebene immer mehr einschlägige Gesetze und/oder Bestimmungen erlassen. In Anbetracht der zunehmenden Risiken, die von kohlenstoffreichen Anlagen ausgehen, besteht kein Zweifel, dass die Regulierung eine kohlenstoffarme und stabilere Wirtschaft zunehmend fördern wird.
Welche anderen globalen Herausforderungen könnten wir Ihrer Meinung nach bewältigen, wenn wir uns denselben transformativen Optimismus zu eigen machen, der notwendig war, um das Pariser Abkommen der COP21 zu erreichen?
Das Pariser Abkommen ist auf andere globale Herausforderungen nicht direkt übertragbar. Dies gilt allerdings nicht für den Prozess, der das Abkommen hervorbrachte: Eine positive «Wir schaffen das»-Stimmung, gemeinsame Verantwortung und die Einstellung, die die Dinge in die Hand zu nehmen, sind sehr wohl auf andere komplexe globale Probleme wie Zwangsmigration, Lebensmittelsicherheit und Meeresgesundheit anwendbar.
Wichtige Hinweise.
Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von Lombard Odier (Europe) S.A., einem in Luxemburg durch die Commission de Surveillance du Secteur Financier (CSSF) zugelassenen und von dieser regulierten Kreditinstitut, herausgegeben. Diese Mitteilung wurde von jeder ihrer Zweigniederlassungen, die in den am Ende dieser Seite angegebenen Gebieten tätig sind (nachstehend "Lombard Odier"), zur Veröffentlichung genehmigt.
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