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Veränderte Bedingungen verringern die Unterschiede in Europa
Kernpunkte:
- Deutschland und Frankreich sind während der Erholung nach der Pandemie hinter anderen Ländern der Eurozone zurückgeblieben. Der Unterschied dürfte sich in den kommenden Quartalen verringern.
- Wir erwarten, dass die Europäische Zentralbank die Zinsen dieses Jahr um weitere 25 Bp. senkt, um bis Ende 2025 einen finalen Leitzins von 1,5% in diesem Lockerungszyklus zu erreichen.
- Sinkende Zinsen begünstigen nun französische und deutsche Aktien. Hier sind die Gewinnerwartungen höher als in Spanien und Italien.
- Bei festverzinslichen Wertpapieren bevorzugen wir spanische und deutsche Staatsanleihen gegenüber französischen und italienischen. Bei Unternehmensanleihen favorisieren wir französische und deutsche Titel.
Nach den meisten Massstäben hat die deutsche Wirtschaft zu kämpfen. Das Wachstum ist ins Stocken geraten, das Industriemodell steht infrage, und die politische Landschaft ist fragil. Betrachtet man den deutschen Aktienmarkt, der dieses Jahr um mehr als 10% gestiegen ist, würde man das nicht vermuten. Ebenso wenig lässt der Euro, der gegenüber dem Dollar stabil bleibt, darauf schliessen. Wie sollten Anlegerinnen und Anleger sich in Europa positionieren? Wir erläutern, wie wir Aktien und festverzinsliche Wertpapiere einschätzen.
Seit 2021 haben sich die grössten Volkswirtschaften der Europäischen Union – Deutschland und in geringerem Masse Frankreich – schlechter entwickelt als die anderen Mitgliedstaaten. Die Volkswirtschaften im Süden haben davon profitiert, dass sie viel stärker vom Dienstleistungssektor abhängig sind, insbesondere vom Tourismus, der sich nach der Pandemie stark erholt hat. Darüber hinaus ist der Fertigungssektor in Spanien, Italien und Griechenland viel kleiner. Diese Volkswirtschaften litten daher weniger unter den hohen Energiepreisen und Zinsen. Dies half ihnen, höhere Waren- und Dienstleistungsexporte zu erzielen.
Diese Volkswirtschaften erhielten auch EU-Konjunkturmittel in Höhe von rund 10% ihres Bruttoinlandsprodukts (BIP). Dagegen war die Unterstützung durch EU-Mittel in Frankreich und Deutschland sehr gering – sie betrug etwa 1% bzw. weniger als 0,5% des BIP. Dies war beabsichtigt. Die Zahlungen nach der Pandemie zielten darauf ab, einen Mangel an Haushaltsmitteln auszugleichen. So überflügelten Spanien, Portugal und Griechenland mit einem Wachstum von mehr als 2% im Jahr 2023 ihre grösseren Nachbarn. Frankreich und Italien verzeichneten 2023 ein Wachstum von weniger als 1%, was auch dieses Jahr der Fall sein dürfte.
Deutschland sticht in der Eurozone negativ heraus. Seine Wirtschaft schrumpfte 2023 um 0,3% und stagniert dieses Jahr: Wir erwarten für 2024 ein Wachstum von nur 0,1%. Ein Grossteil der Wachstumslücke zwischen Deutschland und Frankreich bzw. Italien ist auf die straffere Haushaltspolitik zurückzuführen. Deutschlands Haushaltsdefizit lag 2023 bei nur 2,5% und dürfte dieses Jahr rund 1,5% betragen, verglichen mit Frankreichs Haushaltsdefizit von über 5% und Italiens Defizit von 7%.
Wir gehen davon aus, dass die Lücke zwischen Deutschland und den anderen europäischen Volkswirtschaften nächstes Jahr allmählich kleiner wird. Laut unseren Prognosen erreicht das deutsche BIP-Wachstum 1% im Jahr 2025. Die kleinen europäischen Volkswirtschaften dürften sich abschwächen, wenn die Auswirkungen des Energiepreisschocks nachlassen und weniger Gelder aus dem EU-Konjunkturprogramm fliessen.
Trotz des Abschwungs in Deutschland im vergangenen Jahr blieb die Arbeitslosigkeit stabil, während andere EU-Staaten einen leichten Rückgang der Arbeitslosigkeit verzeichneten. Die Arbeitslosigkeit war durchs Band niedriger als vor der Pandemie. Daher ist der private Konsum relativ solide geblieben. Mit Blick auf die fernere Zukunft würde die Region natürlich auch von nachlassenden geopolitischen Spannungen im Nahen Osten oder in der Ukraine profitieren. Dies könnte sich in Industrieinvestitionen niederschlagen.
Günstigere Bedingungen für Aktienmärkte der Kern-EU im Jahr 2025
Die europäischen Aktienmärkte haben sich dieses Jahr verschieden entwickelt, was ihre unterschiedliche Sektorgewichtung widerspiegelt. Der italienische und der spanische Aktienindex haben einen grösseren Anteil an Finanzwerten, und höhere Zinsen haben den Zinserträgen der Banken Auftrieb verliehen. In Frankreich hingegen fallen Industrieunternehmen und einige Gesundheitskonzerne stärker ins Gewicht, während der Anteil der Finanzwerte geringer ist. Deutschlands exportorientierte Wirtschaft reagiert empfindlich auf den Euro. Dieser hat gegenüber dem US-Dollar und anderen Währungen über weite Teile des Jahres schwächer notiert, was die sektorbezogenen Nachteile des Markts ausgeglichen hat. Die Schwäche des Industriesektors belastete vor allem die deutschen Autobauer, und die politische Unsicherheit in Frankreich vertrieb die Anleger aus dem französischen Markt.
Während steigende Zinsen kleinere europäische Volkswirtschaften begünstigt haben, werden sinkende Zinsen nun für Gegenwind sorgen. Die Gewinnerwartungen sind aktuell für die französischen und deutschen Märkte höher als für Unternehmen in Italien und Spanien. Zudem könnte jede bedeutende politische Unterstützung für die chinesische Wirtschaft Deutschland und Frankreich helfen, deren Sektoren Luxusgüter und Nicht-Basiskonsumgüter vom grössten asiatischen Markt abhängig sind.
Frankreichs neue Regierung ist nach wie vor fragil und hat nur sehr begrenzten Handlungsspielraum. Die Chance, dass es wichtige Gesetze durch beide Kammern des Parlaments schaffen, ist gering. Entsprechend mehr Gewicht haben makroökonomische Entwicklungen und die Geldpolitik als Schlüsselfaktoren für den französischen Aktienmarkt. Der CAC 40 ist seit Jahresbeginn um 1% gefallen – im Gegensatz zu den Märkten Deutschlands, Italiens und Spaniens, die im gleichen Zeitraum ein Plus im niedrigen zweistelligen Bereich verzeichnet haben. Daher besteht Potenzial für eine Outperformance französischer Aktien gegenüber den Märkten Spaniens und Italiens. Auch für deutsche Aktien rechnen wir mit weiterem Aufwärtspotenzial. In Multi-Asset-Portfolios halten wir an der Untergewichtung europäischer Aktien gegenüber anderen Regionen fest.
Bevorzugung von Staatsanleihen Spaniens und Deutschlands sowie von Investment-Grade-Unternehmenspapieren Frankreichs und Deutschlands
Nach der Zinssenkung der Europäischen Zentralbank (EZB) um 25 Basispunkte (Bp.) am 12. September erwarten die Märkte weitere Reduktionen um 40 Bp. bis Ende 2024. Wir rechnen mit einer zusätzlichen Zinssenkung um 25 Bp. in diesem Jahr und weiteren Lockerungen bis auf 1,5% bis Ende 2025. Dies würde dazu beitragen, dass die kurzfristigen Euro-Zinsen stärker zurückgehen als die langfristigen Zinsen. Auf Sicht von zwölf Monaten sehen wir die Renditen zweijähriger und zehnjähriger deutscher Bundesanleihen bei 1,65% bzw. 2,05%, gegenüber aktuell rund 2,2%. Die sich ausweitende Spanne zwischen lang- und kurzfristigen Zinsen – und eine steiler werdende Renditekurve – bestärken unsere Präferenz für fünf- bis siebenjährige Laufzeiten bei Euro-Anleihen. Dieser Laufzeitenbereich bietet ein höheres Gesamtrenditepotenzial, wenn die kurzfristigen Zinsen stärker fallen als die langfristigen.
Französische Staatsanleihen scheinen im historischen Vergleich und gegenüber deutschen Bundesanleihen günstig. Doch ihre Renditen spiegeln nun die französischen Staatsschuldenquoten wider, die eher denen Spaniens als denen Deutschlands entsprechen. Wir sehen nur begrenztes Potenzial für eine Verringerung der Spreads französischer Staatsanleihen, da die französische Regierung nicht in der Lage sein dürfte, notwendige Reformen zu verabschieden. Italiens Haushaltslage ist noch weniger attraktiv, während seine Kreditspreads unter dem Durchschnitt liegen. Gestützt auf Fair-Value-Schätzungen bevorzugen wir deutsche und spanische Staatsanleihen gegenüber ihren französischen und italienischen Pendants.
Französische und deutsche Unternehmensanleihen sind sowohl auf Sicht von einem Jahr als auch seit Jahresbeginn hinter ihren Pendants in anderen europäischen Märkten zurückgeblieben. Die meisten Investment-Grade-Unternehmensanleihen haben, unabhängig von ihrer Region, eine bedeutende internationale Reichweite. Deutschland und Frankreich bieten indessen tendenziell eine grössere Sektordiversifizierung, attraktivere Spreads im Vergleich zu spanischen und italienischen Indizes und einen Markt mit längeren Laufzeiten. Dadurch sind die Kreditspreads tendenziell stabiler.
Demgegenüber weisen Regionen wie Italien und Spanien eine höhere Konzentration von Finanztiteln auf, was sie anfälliger für volatile Märkte und wirtschaftliche Unsicherheit macht. Erstklassige französische und deutsche Unternehmensanleihen dürften von der weiteren Lockerung der Geldpolitik in der Eurozone profitieren. In unsicheren Märkten dürfte dies für Widerstandsfähigkeit sorgen und ein starker Katalysator für eine Outperformance gegenüber ihren Pendants sein.
Mit Beiträgen von Bill Papadakis, Senior Macro Strategist, Edmund Ng, Senior Equity Strategist, und Sami Pepin, Fixed Income Strategist.
Wichtige Hinweise.
Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende.
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