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    Chinas Plenum, Prioritäten und Politik

    Chinas Plenum, Prioritäten und Politik
    John Woods - CIO Asia

    John Woods

    CIO Asia
    Homin Lee - Senior Macro Strategist

    Homin Lee

    Senior Macro Strategist

    Kernpunkte

    • Chinas lang erwartetes Drittes Plenum hatte keine radikalen Reformen zum Ergebnis, lediglich mehr Unterstützung für strategische Sektoren. Zudem stand die Sicherheit deutlicher im Vordergrund.
    • Das Wachstum lässt nach, und Chinas Wirtschaft bleibt aufgrund der schwachen Inlandsnachfrage auf Exporte angewiesen. Unseres Erachtens zeigt die Politik noch nicht genügend Entschlossenheit, etwas an dieser Dynamik zu ändern.
    • Die Einführung zusätzlicher Zölle auf chinesische Importe unter einer erneuten Regierung Trump könnte das chinesische Wachstum 2025 um 1,5% dämpfen. Wir rechnen mit mehr Volatilität im Vorfeld der US-Wahlen im November.
    • Kurzfristigen Unterstützungsmassnahmen der chinesischen Politik stehen unserer Ansicht nach zahlreiche Herausforderungen gegenüber. Chinesische finanzielle Vermögenswerte bilden dies zunehmend ab.

    Die chinesische Regierung war um ihre Aufgabe beim „Dritten Plenum“ vom 15. bis 18. Juli nicht zu beneiden. Das Treffen heisst so, weil es das dritte von mehreren hochrangigen Treffen zur Festlegung der politischen Rahmenbedingungen ist. Es findet alle fünf Jahre statt und steckt den Kurs für langfristige Wirtschaftsreformen ab. Für das diesjährige Plenum hatten Beobachter die Vorlage einer Roadmap erwartet, wie China gegen die wahrgenommene wirtschaftliche Misere vorgehen will. Ankündigungen konkreter Massnahmen gab es jedoch kaum. Die Sektoren grüne Technologien und Energie, die als entscheidend für die nationale Sicherheit und eine resiliente Wirtschaft gelten, fanden zwar Unterstützung. Die Ergebnisse, die in drei offiziellen Dokumenten zusammengefasst sind, deren englische Übersetzung rund 25’000 Wörter lang ist, haben die Markterwartungen jedoch enttäuscht.

    Vor dem Treffen legten Aktien aus den für China sehr bedeutenden Sektoren Immobilien und Technologie um 7% bzw. 6% zu. Die Hoffnung lokaler Anlegerinnen und Anleger auf marktfreundliche Massnahmen wurde aber wieder einmal enttäuscht. Nach dem Ende des Plenums verzeichneten die Aktienmärkte Chinas und Hongkongs daher Verluste.

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    Welchen Unterschied sechs Jahre ausmachen

    Beim letzten Dritten Plenum im Jahr 2018 sah die Lage noch ganz anders aus. Chinas Immobiliensektor florierte, das Verbrauchervertrauen und die Einzelhandelsausgaben waren solide, und die Wirtschaft wuchs um beinahe 7% pro Jahr. Der Hang Seng China Enterprises Index für H-Aktien, die ausländische Anlegerinnen und Anleger erwerben können, notierte mehr als doppelt so hoch wie heute. Der Optimismus war gross, und Chinas Aussichten waren stabil. „China am Zenit“ bzw. die Vorstellung, die Wirtschaftskraft des Landes könnte den Höhepunkt erreicht haben, war praktisch kein Thema, obgleich Präsident Trump Zölle eingeführt hatte.

    Nun scheint sich nach den wirtschaftlichen und geopolitischen Rückschlägen der letzten sechs Jahre sogar der Fokus des Dritten Plenums zu verschieben. Dieses Jahr war die Agenda stärker auf Reformen ausgerichtet als in der Zeit des 19. Zentralkomitees (ZK). Gleichwohl zogen sich die nationale Sicherheit und die staatliche Kontrollfunktion wie ein roter Faden durch die offiziellen Verlautbarungen. Von dem vor zehn Jahren zu vernehmenden marktfreundlichen Ton des Plenums ist nicht mehr viel geblieben. Stattdessen geht es nun um den Ausbau der inländischen Kapazitäten für eine „Modernisierung nach chinesischer Art“ in einem stärker herausfordernden geopolitischen Umfeld.

    Ein deutlicher Kurswechsel in der nationalen Strategie ist angesichts der geringen Bereitschaft zu aggressiveren Reformen nun unwahrscheinlich

    Ein deutlicher Kurswechsel in der nationalen Strategie ist angesichts der geringen Bereitschaft zu aggressiveren Reformen, die politische und wirtschaftliche Risiken bergen, nun unwahrscheinlich. Das Plenum hat eine mittelfristige Reform der ländlichen Bodennutzung sowie Haushaltsreformen zur Erhöhung der Einnahmen lokaler Verwaltungen signalisiert. Ausserdem sollen Wanderarbeiter in städtischen Gebieten Zugang zu Sozialleistungen erhalten. Die Umsetzung dieser Programme wird aber nur nach und nach erfolgen. Erfreulich ist, dass Bemühungen der Behörden, grüne Technologien und den Übergang zu Netto-Null zu fördern, offenbar auf breite Zustimmung stossen. Dies könnte an den Verbindungen zu der nationalen Vision von Energiesicherheit und Lebensqualität liegen.

    Die Behörden werden unseres Erachtens handeln, um die Abwärtsrisiken für die Wirtschaft einzudämmen. Die Pressekonferenz des Plenums am 19. Juli bezeichnete die aktuellen wirtschaftlichen Bedingungen als schlecht und forderte, „die Ausgabe und den Einsatz spezieller Anleihen zu beschleunigen“. Die Beschlüsse stellten auch eine flexiblere Verwendung der Erlöse von Anleihenemissionen sowie eine stärkere Kontrolle des Immobilienmarkts durch lokale Verwaltungen in Aussicht. Die Regierung könnte daher mehr Mittel zusagen, um unverkaufte Häuser in bezahlbaren Wohnraum umzuwandeln. Wegen der hohen Kosten von umgerechnet rund USD 0,5 Bio. wird aber auch die Umsetzung dieses Ansatzes unter Umständen nur schrittweise erfolgen.

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    Schwindende Hoffnung auf Wachstum

    Die Aussagen im Abschlusskommuniqué des Plenums zur Notwendigkeit, dem Wachstum Priorität einzuräumen, waren überraschend uneindeutig. Chinas Wirtschaft wuchs im zweiten Quartal dieses Jahres nur um 4,7% gegenüber dem Vorjahr. Dies war das schwächste Wachstum seit dem ersten Quartal 2023 – schwächer noch als die 5,3% im ersten Quartal 2024. Besonders alarmierend war die schlechte Entwicklung der Einzelhandelsumsätze, die ein Barometer für die Stimmung unter den Verbraucherinnen und Verbrauchern sind. Sie fielen auf ein 18-Monats-Tief und widerspiegelten die weit verbreiteten deflationären Kräfte in der Wirtschaft.

    Der Immobiliensektor liefert ebenfalls kaum Anzeichen einer Erholung. Der Absatz neuer Eigenheime ist im laufenden Jahr um etwas mehr als 20% gesunken. Die Konsensprognosen zum Wachstum für 2024 liegen jetzt unter dem offiziellen Ziel der Regierung von 5%, da weitere Abwärtsrisiken in die Beurteilung eingeflossen sind. Chinas Wachstum wird unseres Erachtens 2025 und 2026 nur noch bei niedrigen 4% liegen. Denn dem Immobiliensektor und den Exporten droht Gegenwind, und die Konfrontation mit den USA dürfte sich verschärfen.

    Chinas Wirtschaft weist tiefgreifende Ungleichgewichte auf. Zudem gibt es kaum kurzfristige Lösungen

    Chinas Wirtschaft weist tiefgreifende Ungleichgewichte auf. Zudem gibt es kaum kurzfristige Lösungen. Im zweiten Quartal stiegen die Exporte zwar um 8,6% gegenüber dem Vorjahr. Die Importe, ein Indikator für die Inlandsnachfrage, sanken aber um 2,3%, und das Kreditwachstum gab weiter nach. Die beharrlich niedrige Inflation deutet darauf hin, dass die Haushalte und privaten Unternehmen weiterhin ihre Schulden tilgen. Wir glauben nicht, dass aggressive fiskalpolitische Massnahmen, zum Beispiel Direktzahlungen an private Haushalte, etwas an dieser Dynamik ändern werden. Denn angesichts des zunehmenden geopolitischen Wettstreits liegt der Fokus der Regierung weiter auf angebotsseitigem Wachstum.

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    Vorbereitung auf Trump

    Die steigenden Siegchancen Donald Trumps bei der US-Präsidentschaftswahl deuten auf eine Zunahme der geopolitischen Spannungen zwischen Peking und Washington hin. Trump hat erklärt, er beabsichtige, chinesische Importe mit einem pauschalen Zoll von 60% zu belegen. Dies könnte die ohnehin bereits schwachen Wachstumsaussichten verschlechtern.

    Ein relativ freundliches Szenario sähe die Umleitung des Handels über Drittländer wie Malaysia und Mexiko, kaum Vergeltungsmassnahmen seitens Chinas und den Status quo für andere Handelspartner vor. Doch selbst dann würden die Zölle die Wachstumsrate in China um 1,0% bis 1,5% drücken, und das jährliche Wachstum würde 2025 und 2026 nur noch bei 3% liegen. Wenn Zölle weltweit um sich greifen, würden die Auswirkungen noch stärker sein, und das chinesische Wachstum könnte ohne ausgleichende Unterstützungsmassnahmen auf knapp über 2% fallen. Peking strebt einen stabilen handelsgewichteten Wert für den Yuan an. Allerdings könnte eine einmalige Abwertung die Schocks für das Wachstum abmildern, falls der Druck durch die Zölle wächst.

    Bei den Spannungen geht es aber nicht nur um Zölle. Die USA weiten zudem die Beschränkungen für Technologieexporte nach China aus. Am 18. Juli erlitten Technologieaktien starke Kursverluste – nach Berichten, die Regierung Biden erwäge schärfere Beschränkungen für die Lieferung von Technologie zur Chipherstellung nach China. Der technologielastige Nasdaq Index fiel um 2,8%; dies war der höchste Tagesverlust seit 2022. Wir erwarten, dass diese erhöhte handelspolitische Unsicherheit bis zu den US-Wahlen bestehen bleibt und an den Märkten sporadisch Volatilitätsschübe auslösen wird.

    Ohne Reformen und Anreize werden die Aktienmärkte Chinas Mühe haben, das Interesse der Anlegerinnen und Anleger zu wecken

    Neutrale Haltung gegenüber chinesischen Aktien

    In Erwartung aggressiver Konjunkturmassnahmen gelang den chinesischen Märkten zwischen Ende Januar und Mitte Mai ein kraftvolles Comeback. Seitdem zeigen sie sich richtungslos. Die Ankündigung weiterer gezielter Unterstützungsmassnahmen in den nächsten Wochen könnte angesichts der schlechten Marktstimmung und der tiefen Bewertungen chinesischer Aktien eine Erholung auslösen. Wir gehen aber nicht davon aus, dass diese Massnahmen die Situation von Grund auf ändern werden.

    Ohne überzeugende marktfreundliche Reformen und Anreize werden die Aktienmärkte Chinas unseres Erachtens Mühe haben, das Interesse der Anlegerinnen und Anleger zu wecken. Denn diese sind sich der unterdurchschnittlichen Entwicklung, des nachlassenden Wachstums und der wachsenden Wahrscheinlichkeit restriktiverer Handelsbeschränkungen seitens der USA und Europas bewusst. Die Positionen in chinesischen Vermögenswerten belassen wir daher auf Benchmarkniveau. Denn jede positive kurzfristige Massnahme dürfte angesichts der vielen nur zum Teil eingepreisten Herausforderungen weitgehend verpuffen. Vor den US-Wahlen, die neue Schocks für chinesische Unternehmen mit sich bringen könnten, erscheint eine neutrale Haltung gegenüber den Aktien des Landes am angemessensten.

    Wichtige Hinweise.

    Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende.

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