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Warum der US-Dollar noch länger stark bleiben könnte
Kernpunkte
- Die US-Wirtschaft hat sich als wider Erwarten robust erwiesen, was das Interesse an amerikanischen Finanzanlagen anheizt
- Die positive Wachstumsdifferenz und höhere Renditen in den USA sind zwei wichtige Faktoren, die den Dollar unterstützen
- Wir erwarten, dass die US-Währung gegenüber dem Euro zulegt und der EURUSD-Kurs in den nächsten drei bis sechs Monaten in Richtung 1,04 tendiert. Bis Ende 2023 könnte der GBPUSD-Kurs unserer Meinung nach 1,20 erreichen und der USDCHF-Kurs um 0,92 notieren
- Währungen mit höherem Carry und unterstützenden Fundamentaldaten, wie der brasilianische Real, weisen eine relative Stärke gegenüber dem Dollar auf.
Während sich die US-Wirtschaft als überraschend widerstandsfähig erweist, trotzt auch der US-Dollar den Prognosen – er hat sich nicht wie Anfang 2023 erwartet abgeschwächt. Das Wachstum und die Renditen sind in den USA höher als in den meisten anderen Ländern. Solange dies so bleibt, dürfte die Stärke des Dollar gegenüber anderen Hauptwährungen mindestens für weitere drei bis sechs Monate anhalten.
Im Oktober 2022 hat der Dollar gegenüber anderen Hauptwährungen den höchsten Stand seit zwei Jahrzehnten erreicht. Im früheren Jahresverlauf 2023 signalisierten einige US-Wirtschaftsindikatoren – vom sich verlangsamenden Bruttoinlandsprodukt (BIP) über die nachlassende Inflation bis zu sinkenden Energiepreisen – einen Zinshöchststand und einen schwächeren Dollar. Als die US-Notenbank Fed dennoch den Leitzins anhob, rechneten die Anlegerinnen und Anleger mit einer Rezession in den USA, und die amerikanische Währung gab nach. Dann, ab Mitte Juli 2023, begann sie sich zu erholen. Der DXY-Index, der den Dollar mit einem Korb von sechs Währungen – darunter dem Euro, dem Pfund Sterling und dem Schweizer Franken – vergleicht, ist in den letzten zwei Monaten um 5% gestiegen. Er ist nun zurück auf dem Niveau von Anfang 2023 (siehe Grafik 1).
Was hat sich verändert? Das über den Erwartungen liegende Wachstum in den USA, das durch höhere Löhne und einen starken Arbeitsmarkt gestützt wird, erklärt einen grossen Teil dieser Erholung. Die Wahrscheinlichkeit einer schweren Rezession ging immer mehr zurück. Ausserdem enttäuschte das Wachstum in China, ohne dass Aussicht auf grössere politische Impulse bestand. Deutschland, die grösste Volkswirtschaft der Eurozone, rutschte in die Rezession ab, und die vierteljährliche Wirtschaftsleistung Frankreichs war knapp positiv.
Das divergierende Wachstum steht im Einklang mit einer bescheidenen Dollar-Stärke (siehe Grafik 2). Die Faktoren, die den Dollar stützen, dürften 2023 intakt bleiben. Historisch gesehen schwächt sich die US-Währung ab, wenn das globale Wachstum gesund scheint und das US-Wachstum hinter jenem anderer Länder zurückbleibt. Sie erstarkt hingegen, wenn sich die Weltwirtschaft verlangsamt oder wenn die amerikanische Wirtschaft andere Volkswirtschaften übertrifft und das Interesse an US-Finanzanlagen grösser ist.
Langsamere Teuerung
Die einfacheren Siege der Fed im Kampf gegen die Inflation gehören wohl der Vergangenheit an. Der 15-monatige Rückgang der Gesamtinflation von 9% auf 5% beruhte weitgehend darauf, dass sich die Lieferketten nach der Pandemie normalisierten und die Energiepreise sanken. Die in der vergangenen Woche veröffentlichten US-Daten für August scheinen zu bestätigen, dass sich der Preisanstieg zwar weiterhin verlangsamt, aber weniger schnell. Die Kerninflation – ohne die volatilen Lebensmittel- und Energiepreise – betrug im August 4,3% gegenüber dem Vorjahresmonat. Im Juli lag sie bei 4,7%. Es wird länger dauern, bis die Teuerung nachhaltig unter 3% sinkt. Denn die nächste Phase hängt von einer Abschwächung der Dienstleistungspreise ab. Auf Dienstleistungen entfällt ein grösserer Anteil der US-Wirtschaft, und ihre Preise halten sich hartnäckiger als die Güterpreise.
Demgegenüber bleibt die Kerninflation in der Eurozone hoch. Im August lagen die Preise 5,3% über dem Vorjahresniveau. Sie haben sich gegenüber dem Höchststand von 5,7% im März 2023 wenig verändert. Als Reaktion darauf hob die Europäische Zentralbank (EZB) letzte Woche den Leitzins erneut an – um 25 Basispunkte auf 4% – und verwies auf die steigenden Energiepreise. Die Entscheidung der EZB war ein Balanceakt zwischen einer zu starken Inflation und einer schwächeren Wirtschaftsaktivität, wobei sich die Hinweise auf ein sinkendes Wachstum und einen – allmählichen – Preisrückgang verdichten. In den letzten Monaten wurde die Rezession in Deutschland durch das Wachstum in stärker dienstleistungsorientierten Volkswirtschaften wie Spanien und Italien ausgeglichen. Auch in letzteren zeichnet sich nun eine allgemeine Verlangsamung ab. Die EZB hat ihre Erwartungen für die Kerninflation nach unten korrigiert und erklärt, die Kerninflation werde sich dem Ziel von 2% nicht vor 2025 annähern.
Risikobereitschaft und die vielen Gesichter des US-Dollar
Ebenso wichtig ist das Interesse der Investoren an Finanzanlagen, anders ausgedrückt die Stimmung und die Kapitalströme. Die Nachfrage ausländischer Anleger nach dem Dollar trug zur Stärke der Währung bei. Der S&P 500 legte im bisherigen Jahresverlauf um 17% zu. Die internationalen Kapitalzuflüsse in die US-Märkte stiegen im Juni um netto USD 148 Mrd., nach einem Nettoabfluss von USD 162 Mrd. im Mai. Dagegen nahmen die ausländischen Kapitalzuflüsse in europäische Aktien ab, während die europäischen Anleiheanleger begannen, höhere Renditen im Ausland zu suchen. Die realen, also inflationsbereinigten, Renditen stiegen in den USA schneller als jene vergleichbarer Staatsanleihen. Zehnjährige US-Staatspapiere rentieren jetzt auf nominaler Basis mit 4,3%, gegenüber 2,7% für entsprechende deutsche Bundesanleihen und 3,2% für französische Staatsanleihen.
Wir haben unsere Erwartungen in Bezug auf die Schwäche des Dollar gegenüber dem Euro im Mai und im August nach unten korrigiert. Nach der Ankündigung der Zinserhöhung durch die EZB fiel der Euro gegenüber dem Dollar von 1,07 auf 1,06. Die Stimmung kann sich unseres Erachtens aber noch weiter verschlechtern. Wir erwarten, dass sich der Euro-Dollar-Kurs in den kommenden Monaten in Richtung 1,04 bewegt.
Die Dollarstärke wirkt sich auch auf andere wichtige Währungen aus. Die Anleger haben die Erwartungen für die Zinshöchststände in den USA nach oben korrigiert, während sie den Ausblick für das Vereinigte Königreich seit Juli nach unten revidiert haben. Unseres Erachtens kann das Pfund Sterling gegenüber dem Dollar auf 1,23 fallen und bis Ende 2023 1,20 pro Dollar erreichen. Jede Herabstufung der Wachstumsaussichten für das Vereinigten Königreich würde das Pfund zusätzlich belasten, dies angesichts der nach wie vor bedeutenden Long-Positionierung der Anleger im Pfund Sterling.
Die Schweizerische Nationalbank (SNB) dürfte an der Sitzung vom 21. September die Präferenz für einen starken Franken beibehalten. Denn die Inflation ist in der Schweiz auf relativer Basis immer noch hoch. Die Nationalbank, deren Inflationsziel zwischen 0% und 2% liegt, rechnet damit, dass die Preise von 1,6% im August auf über 2% im Jahr 2024 anziehen. Da die SNB den Franken als geldpolitisches Instrument nutzt, erwarten wir, dass sie sich weiterhin auf ihre Devisenreserven stützt, um ihre Strategie des „starken Frankens“ weiterzuverfolgen. Ende 2023 sehen wir den Franken auf den aktuellen Niveaus, bei rund 0,96 pro Euro, mit Abwärtsrisiken. Da wir bis zum Jahresende mit einem stärkeren Dollar rechnen, gehen wir davon aus, dass der Franken bei 0,92 pro Dollar notieren wird, gegenüber heute etwa 0,89.
Was die Schwellenländer betrifft, bleiben wir gegenüber dem chinesischen Renminbi vorsichtig: Die Geldpolitik dürfte zwecks Stützung des Wachstums akkommodierend bleiben und die Währung belasten. Andererseits erwarten wir, dass Devisen wie der brasilianische Real, die höhere reale Renditen als US-Anlagen bieten, weiterhin gut unterstützt werden.
Insgesamt tendieren wir für die kommenden drei bis sechs Monate zu einer leichten Übergewichtung des US-Dollar. Während die Zinserhöhungen der Fed auf dem US-Arbeitsmarkt Wirkung entfalten, die Inflation nachlässt und die Chancen auf eine weiche Landung steigen, könnte sich die Wachstumsdifferenz zur Eurozone und zu China weiter vergrössern. Zwar lässt sich nicht leugnen, dass der Dollar auf lange Sicht überbewertet ist, doch scheinen sich die Anleger mehr auf das Wachstum und die Renditedifferenz zu konzentrieren.
Wichtige Hinweise.
Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende
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