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    Können sich die US-Verbraucher gegen die Fed stellen?

    Können sich die US-Verbraucher gegen die Fed stellen?
    Samy Chaar - Chefökonom und CIO Schweiz

    Samy Chaar

    Chefökonom und CIO Schweiz

    Kernpunkte

    • Die robuste Nachfrage in den USA gefährdet die Fortschritte bei der Disinflation und macht weitere Zinserhöhungen oder eine anhaltende Phase hoher Zinsen erforderlich.
    • Zinssensible Sektoren wie Kreditvergabe, verarbeitendes Gewerbe und Handel bleiben schwach, da die restriktiven geldpolitischen Bedingungen Wirkung zeigen.
    • Die US-Notenbank bleibt ihrer Zinspolitik und dem Inflationsziel von 2% verpflichtet, wie der Fed-Vorsitzende Jerome Powell in seiner Rede in Jackson Hole ausführte.
    • Für das US-Wachstum entscheidend ist die Antwort auf folgende Frage: Hält die Disinflation an, sodass die Voraussetzungen für eine weiche Landung gegeben sind, oder führen die robusten Inlandsausgaben zu höheren Zinsen und einer schwereren Rezession?

    Können die amerikanischen Verbraucher die US-Geldpolitik aushebeln? Entgegen den Erwartungen haben höhere Kreditkosten die Ausgabefreude der Amerikaner im bisherigen Jahresverlauf nicht getrübt. Am jährlichen Treffen der Notenbanker in Jackson Hole, Wyoming, betonte US-Notenbankchef Jerome Powell, dass eine hohe Nachfrage den Inflationsdruck wieder verstärken könnte.Der US-Wirtschaftsausblick scheint nun von den Auswirkungen der bereits restriktiven Geldpolitik auf die Verbrauchernachfrage abzuhängen.

    Das seit dem zweiten Quartal verzeichnete US-Wachstum scheint in einem sich verlangsamenden globalen Umfeld einzigartig. Entsprechend war Jerome Powell in einer schwierigen Lage, als er am 25. August in Jackson Hole seine Rede hielt. Derzeit gibt das robuste US-Wachstum keinen Anlass, die US-Geldpolitik zu überdenken, da die restriktiven geldpolitischen und finanziellen Bedingungen in der Wirtschaft weiterhin ihre Wirkung entfalten. Doch soll die US-Notenbank Fed darauf vertrauen, dass die lebhaften Konsumausgaben die Auswirkungen höherer Zinsen nicht untergraben?

    Die privaten Ersparnisse, die während der Pandemie auf einen Höchststand geklettert sind, haben zusammen mit einer sinkenden Arbeitslosigkeit und steigenden Realeinkommen den US-Konsum seit April 2023 angekurbelt. Die Reallöhne steigen weiter, begünstigt durch die sinkende Inflation und neue Lohnabschlüsse.

    Wenn die Verbraucherausgaben hoch bleiben, könnte es zu nachfragebedingten Sekundäreffekten auf die Inflation kommen

    Wenn die Verbraucherausgaben hoch bleiben, könnte es zu nachfragebedingten Sekundäreffekten auf die Inflation kommen. Dies würde die geldpolitische Strategie der Fed infrage stellen, da noch höhere Zinsen erforderlich werden könnten. Die Fed hat die Zinsen auf 5,5% und damit auf den restriktivsten Stand seit mehr als zwei Jahrzehnten angehoben. Sie plant, die Kreditkosten hoch zu halten, um das Wirtschaftswachstum und den Lohnanstieg zu bremsen. Laut Schätzungen der Atlanta Fed zieht das US-Bruttoinlandsprodukt (BIP) immer noch an und könnte auf das Jahr hochgerechnet 5,8% erreichen, verglichen mit 5% Mitte August. Das Wachstum der persönlichen Konsumausgaben und der inländischen Privatinvestitionen dürfte im dritten Quartal gemäss der Atlanta Fed ebenfalls zunehmen.

     

    Disinflationäre Kräfte auf der Angebotsseite liegen hinter uns

    Die wichtigsten Faktoren, welche die Disinflation auf der Angebotsseite antreiben, liegen nun hinter uns. Der Druck auf die Lieferketten hat nachgelassen, die Rohstoff- und Energiekosten sind zurückgegangen. Dadurch ist die Kerninflation von einem Hoch von 6,6% im September 2022 auf 4,7% im Juli 2023 gesunken.

    „Zwei Monate mit guten Daten sind nur ein Anfang“, sagte Jerome Powell während seiner Rede in Jackson Hole. „Die Wirtschaft kühlt sich möglicherweise nicht wie erwartet ab“, fügte er hinzu. Er wiederholte seine Aussage vom Juli, wonach weitere Zinserhöhungen notwendig sein könnten. Dies um eine Phase mit einem unter dem Trend liegenden Wachstum und weniger neuen Arbeitsplätzen herbeizuführen, damit sich die Preise stabilisieren.

    Die Kerninflation hat sich im Juni und Juli verlangsamt, und die Leitzinsen sind jetzt höher als die Inflation. Daher kann die Fed rechtfertigen, die Zinsen im September 2023 unverändert zu lassen. Natürlich ist die Aufgabe der Fed noch nicht erledigt. Die Notenbank plant, die Zinsen so lange hoch zu halten, bis die Inflation auf das durchschnittliche Ziel von 2% gesunken ist.

    Selbst wenn die Zinserhöhung der Fed um 25 Basispunkte im Juli die letzte in diesem geldpolitischen Zyklus gewesen sein sollte, muss die erste Zinssenkung nicht unmittelbar bevorstehen. Wenn die Fed die Zinsen im September und November unverändert lässt, erwarten wir eine erste Zinssenkung frühestens im März 2024.

    Blickt man über einige Konsumindikatoren hinaus, gibt es Konjunkturdaten, die weiterhin auf eine schwächere Wirtschaft und einen langsameren Inflationsrückgang hindeuten, ohne dass es zu einer schweren Rezession käme. Mehrere Faktoren signalisieren, dass sich eine Abkühlung noch nicht ausschliessen lässt, darunter eine globale Verlangsamung von China bis Europa, die den US-Handel unweigerlich schwächt.

    Höhere Kreditkosten haben bereits alles gebremst, was nicht mit dem Konsum zusammenhängt

    Höhere Kreditkosten haben bereits die zinssensiblen Bereiche der US-Wirtschaft gebremst, also alles, was nicht mit dem Konsum zusammenhängt. Die Konjunkturindikatoren nehmen eine weitere Verlangsamung vorweg. So ist das verarbeitende Gewerbe in den USA seit März 2023 jeden Monat geschrumpft, und die Zahlungsrückstände bei Darlehen und Kreditkarten steigen (siehe Grafik 1). Zudem bleibt die Renditekurve invers, ein klassischer Vorbote eines Abschwungs. Dies zeigt sich in den Kreditvergabestandards für Unternehmen, die immer noch so streng sind, dass sie historisch gesehen auf eine Rezession hindeuten. Des Weiteren hat sich die Aktivität auf dem Wohnimmobilienmarkt verlangsamt: Die Hypothekenzinsen haben den höchsten Stand seit zwei Jahrzehnten erreicht, obwohl der Mangel an Häusern laut Freddie Mac, einem staatlich geförderten Hypothekenunternehmen, die Hauspreise weiterhin stützt.

     

    Sparüberschüsse gehen zur Neige

    Allerdings gibt es einige Anzeichen, die für eine Verlangsamung der Verbraucherausgaben sprechen. Die Federal Reserve Bank of San Francisco hat berechnet, dass im Juni 2023 weniger als 10% der während der Covid-Pandemie angehäuften Sparüberschüsse der Verbraucher übrig waren (siehe Grafik 2). Hinzu kommt, dass die Rückzahlung von Studiendarlehen im Oktober wieder aufgenommen wird. 46 Millionen Personen haben ausstehende US-Studienkredite in Höhe von insgesamt USD 1,77 Bio., von denen jährlich etwa USD 217 Mrd. fällig werden. Ein grosser Teil dieser Studienschulden entfällt auf Personen mit höheren Einkommen, die in der Lage sein dürften, die Rückzahlungen zu leisten. Wir erwarten jedoch, dass vor diesem Hintergrund das Ausgabenwachstum bis Ende 2023 zurückgehen und das reale BIP-Wachstum in den letzten drei Monaten des Jahres um 0,2% geschmälert werden könnte.

    Unser zentrales Szenario sieht vor, dass sich die Inflation in den USA unter 3% einpendelt und das annualisierte Wirtschaftswachstum bei etwa 1% liegt. Die Fed könnte somit die Leitzinsen bei 5,5% belassen, bevor sie frühestens im März 2024 mit Zinssenkungen beginnt. Dies würde einer „weichen Landung“ entsprechen.

    Für etwas weniger wahrscheinlich halten wir eine „harte Landung“. Dabei würde die Inflation in den USA deutlich über dem 2%-Ziel verharren, und die Fed sähe sich veranlasst, das Wachstum durch weitere Zinserhöhungen zu bremsen.

    Des Weiteren lässt sich nicht vollkommen ausschliessen, dass die Fed den Leitzins stabil hält, während sich die Inflation auf einem leicht über dem Zielwert liegenden Niveau einpendelt. In einem Jahr, in dem Präsidentschaftswahlen stattfinden, könnte die Fed ein weiterhin über dem langfristigen Trend liegendes Wirtschaftswachstum bevorzugen, um eine stärkere Kontraktion zu vermeiden. Dies trotz des Risikos, dass sich die Verbraucher dann auf eine für längere Zeit erhöhte Inflation einstellen.

    Welches der drei Szenarien auch eintritt: 2023 könnte als das Jahr in Erinnerung bleiben, in dem die US-Verbraucher als einzige Kraft in der Lage sind, die Anlegerweisheit „Don’t fight the Fed“ („stelle dich nicht gegen die Fed“) zu widerlegen.

    Wichtige Hinweise.

    Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende

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