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Selbst ein sich abschwächendes China bleibt für die Rohstoffmärkte entscheidend
Kernpunkte
- Die weltweite Ölnachfrage hat 2023 ein historisches Hoch erreicht, wozu der Verbrauch der Schwellenländer beigetragen hat. Chinas Wirtschaft verlangsamt sich. Das Land hat seine Lager wieder aufgefüllt, und die Einfuhren könnten das Maximum erreicht haben.
- Das Ölangebot bleibt knapp. Die OPEC+, zu der auch Russland zählt, stützt die Preise weiterhin durch eine Verringerung des Angebots. Die USA haben aufgehört, strategische Reserven abzubauen.
- Wir erwarten, dass Brent-Rohöl in den nächsten drei bis sechs Monaten weiter zwischen USD 80 und USD 90 pro Barrel notiert. Denn das begrenzte globale Angebot trifft auf eine schwächere Nachfrage.
- Chinas Nachfrage nach Industriekupfer steigt trotz der Konjunkturverlangsamung im Land – dies aufgrund der Produktion von Elektrofahrzeugen und Solarenergie.
China ist der weltweit grösste Abnehmer vieler Rohstoffe. Daher wurde erwartet, dass Chinas Aufschwung nach der Covid-Pandemie die Rohstoffmärkte im Jahr 2023 beflügeln würde. Doch die nachlassende Dynamik in China überschattet die Märkte im bisherigen Jahresverlauf. Die Erdölproduzenten haben das weltweite Angebot eingeschränkt, um die Überschüsse zu begrenzen. Zugleich ist die Nachfrage nach Industriekupfer, das für die grüne Energiewende wesentlich ist, gestiegen. Wir analysieren, welche Bedeutung die chinesische Nachfrage für die Aussichten der globalen Ölmärkte und von Kupfer hat.
Die Öleinfuhren nach China sind im Juni 2023 auf ein Dreijahreshoch gestiegen, wozu Massnahmen der Regierung zur Ankurbelung des Konsums beigetragen haben. Laut Analysten wurde allerdings ein grosser Teil zum Auffüllen der Lager verwendet und spiegelt nicht unbedingt die zugrunde liegende wirtschaftliche Nachfrage wider. Schätzungen zufolge könnte Chinas Nachfrage nach Rohöl bereits 2023 den Höhepunkt erreicht haben. Doch die Widerstandsfähigkeit der anderen Schwellenländer glich die Auswirkungen der Wachstumsverlangsamung in den Industrieländern weitgehend aus. Daher kletterte die Ölnachfrage im dritten Quartal 2023 auf ein Rekordniveau (siehe Grafik 1).
Unseres Erachtens wird nun das Angebot und nicht mehr die Nachfrage für die globalen Ölpreise ausschlaggebend sein. Drei Faktoren bestimmen das weltweite Ölangebot: die Produktionskürzungen der Organisation der Erdöl exportierenden Länder (OPEC), die russischen Exporte und die staatlichen Reserven der USA.
Ab November 2022 kündigte die OPEC+, das Produktionskartell einschliesslich Russland, Förderkürzungen an, um die Weltmarktpreise zu stützen. Seither hat das grösste OPEC-Mitglied Saudi-Arabien einseitig zusätzliche freiwillige Kürzungen bekannt gegeben, die es bis September und möglicherweise darüber hinaus verlängert. Insgesamt ist das OPEC-Angebot auf weniger als 30 Millionen Barrel pro Tag gesunken – ein Zweijahrestief. Zusammen mit der zunehmenden Nachfrage hat dies einen Preisanstieg bewirkt. Die Kosten für ein Barrel Rohöl der Referenzsorte Brent sind seit dem 27. Juni um fast einen Fünftel gestiegen, sodass Brent jetzt bei rund USD 88 pro Barrel notiert.
Preisdeckel für russisches Öl, US-Reserven
Der Ausblick für russisches Rohöl ist nach wie vor weniger klar. Im Dezember 2022 vereinbarten die USA mit anderen G7-Ländern, darunter der Europäischen Union und Australien, eine Preisobergrenze für russisches Rohöl. In der Vereinbarung wurde ein Preisdeckel von USD 60 pro Barrel für russisches Öl festgelegt, wenn es unter Nutzung von Versicherungs- oder Transportdiensten eines der Koalitionsländer verkauft wird. Zwar wird somit russisches Rohöl mit einem Abschlag gegenüber anderen Quellen gehandelt, doch es werden auch die Staatseinnahmen verringert. Daher hat Russland die mit der OPEC Ende 2022 vereinbarten Produktionskürzungen noch nicht vollständig umgesetzt.
Peking hat sich die niedrigeren Preise Russlands zunutze gemacht. Es deckte im Juli 2023 schätzungsweise einen Drittel seiner gesamten Einfuhren fossiler Brennstoffe, einschliesslich Rohöl, Flüssigerdgas und Kohle, durch Importe aus Russland. Dennoch hat sich der Preisunterschied zwischen Ural-Öl, der Referenzsorte Russlands, und Brent deutlich verringert, was den Preisvorteil Russlands untergräbt. Berichten zufolge hat Russland in der vergangenen Woche zusätzlichen Produktionskürzungen zugestimmt und unterstützt damit die Bemühungen der OPEC um einen Preisanstieg.
Der dritte Faktor, der die weltweiten Ölpreise beeinflusst, sind die strategischen Reserven der USA. Seit Anfang 2022 haben die USA pro Tag durchschnittlich 450’000 Barrel an staatlichen Reserven aufgehoben und auf dem Ölmarkt angeboten. Da die Vorräte inzwischen auf unter 350 Millionen Barrel gesunken sind – den tiefsten Stand seit vier Jahrzehnten –, wollte die US-Regierung zunächst die Vorräte wieder aufzustocken. Als die Weltölpreise stiegen, sah die Regierung Biden jedoch von Käufen zum Auffüllen der Lager ab.
Unter diesen Umständen scheint der Einfluss Amerikas auf die Ölmärkte begrenzt. Es gibt indessen einen potenziellen Katalysator: Die Verhandlungen mit dem Iran könnten dazu führen, dass iranisches Öl wieder auf den Weltmarkt gelangt. Ist das der Fall, könnte das Angebot um bis zu vier Millionen Barrel pro Tag steigen, und die Preise könnten deutlich sinken. In der Erwartung, mehr exportieren zu können, hat Iran damit begonnen, zusätzliches Öl zu fördern. Auch hier setzen die Einfuhren Chinas einen Massstab: Laut Bloomberg zahlt das Land für iranisches Öl USD 10 pro Barrel weniger als für Brent-Rohöl. Man geht davon aus, dass Iran bereits 1,5 Millionen Barrel pro Tag nach China exportiert, die grösste Menge seit mindestens 2013.
Wie ist die weitere Entwicklung der Ölpreise angesichts dieser Dynamik einzuschätzen? Während die makroökonomische Unsicherheit in den USA und Europa dafür sorgte, dass die Preise in einer engen Spanne verharrten, erwies sich das Wachstum in den Schwellenländern als robust. Sollte sich die Weltwirtschaft deutlich abkühlen – was nicht unserem Basisszenario entspricht –, dürfte die OPEC+ eine Preisuntergrenze von über USD 70 pro Barrel verteidigen. Da ein limitiertes weltweites Angebot auf eine geringere Nachfrage trifft, erwarten wir nun, dass sich der Preis für Brent-Rohöl in den nächsten drei bis sechs Monaten in einer Spanne von USD 80 bis USD 90 pro Barrel bewegt. Dies hätte nur begrenzte inflationäre Auswirkungen auf die Weltwirtschaft, zumal der Preis weit unter dem Hoch von USD 122 pro Barrel im Jahr 2022 liegt.
Kupfer: entscheidend für die grüne Wende
Nicht nur für den Rohölmarkt ist die chinesische Nachfrage wesentlich. China ist Abnehmer von etwas mehr als der Hälfte des weltweiten Kupferangebots. Zudem ist es mit einem Anteil von 9% an der weltweiten Produktion im Jahr 2022 der viertgrösste Produzent.
Trotz der negativen Auswirkungen des chinesischen Immobilienmarkts auf die Wirtschaft stieg der Kupferverbrauch der Bauindustrie im Juli um 20% gegenüber dem Vorjahresmonat. Dies aufgrund von Richtlinien, die Immobilienentwickler dazu veranlassten, bestehende Arbeiten abzuschliessen.
Chinas Kupfernachfrage beruht aber insbesondere auch auf den Investitionen des Landes in die Energieunabhängigkeit. Geplant ist, dass China bis 2030 das Maximum des CO2-Ausstosses und bis 2060 das Netto-Null-Ziel erreicht. Ob dies gelingt, hängt zum Teil von der Ausweitung der Produktion von Elektrofahrzeugen und von Solarenergie ab. Für beides ist Kupfer erforderlich. China wurde 2022 zum grössten Autoexporteur und ist der grösste Hersteller von Elektrofahrzeugen und Batterien. Es überrascht nicht, dass laut Analysten die Nachfrage nach erneuerbarem (grünem) Kupfer im Juli im Vorjahresvergleich um 71% auf 127’000 Tonnen gestiegen ist und im bisherigen Jahresverlauf um 74% zugenommen hat. Hauptgrund hierfür ist die grössere Nachfrage nach Solarenergie.
Daher ist Kupfer das einzige Industriemetall, dessen Bestände in China kontinuierlich zurückgehen, selbst wenn sich die Produktionstätigkeit verlangsamt. Da sich die bekannten Kupfervorräte Chinas einem Rekordtief nähern, dürfte das Land einem aktuellen Bericht zufolge 2023 fast 3% mehr raffiniertes Kupfer benötigen als im Vorjahr. Die Importe waren dieses Jahr bis Juni um etwa 10% höher als im Vorjahreszeitraum.
Auch wenn der Kupferpreis in den letzten Monaten wegen makroökonomischer Bedenken stagniert hat, bleiben die fundamentalen Preistreiber des Metalls intakt (siehe Grafik 2). Wider Erwarten starke chinesische Produktionsdaten für August sowie die Lockerung der Beschränkungen im Immobiliensektor durch die Regierung dürften das Industriemetall kurzfristig unterstützen.
Wichtige Hinweise.
Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende
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