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    Den Inflationsschock überwinden

    Den Inflationsschock überwinden
    Samy Chaar - Chefökonom und CIO Schweiz

    Samy Chaar

    Chefökonom und CIO Schweiz
    Christian Abuide - Head of Asset Allocation

    Christian Abuide

    Head of Asset Allocation

    Kernpunkte

    • Wenn die restriktiveren Finanzierungsbedingungen in der zweiten Jahreshälfte allmählich Wirkung zeigen, dürfte die Widerstandsfähigkeit des Konsums nachlassen.
    • Wir erkennen das Risiko einer Rezession Ende 2023 und Anfang 2024, wobei für 2024 Zinssenkungen in Aussicht stehen.
    • Die Märkte haben sich von der anhaltend hohen Inflation, dem nachlassenden Wachstum, den Risiken im Bankensektor und den geopolitischen Risiken kaum beeindrucken lassen. Stattdessen haben sie sich auf eine potenzielle geldpolitische Wende und den von der Kreditverknappung anscheinend nicht betroffenen Technologiesektor konzentriert.
    • Wir sehen ein attraktives Risiko-Rendite-Profil bei erstklassigen Anleihen und bevorzugen Aktienmärkte ausserhalb der USA, da die Gewinnprognosen nach unten korrigiert werden.

     

    Eine milde, kurzlebige US-Rezession?

    Da der Preisdruck in den Industrieländern allmählich nachlässt, haben sich die makroökonomischen Risiken von der Inflation auf das Wachstum verlagert. Letzteres gibt ein äusserst uneinheitliches Bild ab. In den USA verlangsamen sich die zinssensitiven Bereiche Wohnungsbau, Investitionen, verarbeitendes Gewerbe und Handel oder sie schrumpfen, während sich die Dienstleistungen als robuster erwiesen haben. Angesichts der bescheidenen Anpassungen, die in der parteiübergreifenden Vereinbarung zur Anhebung der Schuldenobergrenze enthalten sind, wird die Fiskalpolitik dieses oder nächstes Jahr restriktiv ausfallen. Die Kreditkonditionen befinden sich auf einem Niveau, das mit früheren Rezessionen vergleichbar ist. Dies vor dem Hintergrund der Probleme im Bankensektor und des aggressivsten Zinserhöhungszyklus seit 40 Jahren. Doch bisher hat sich der US-Konsum als überraschend widerstandsfähig erwiesen, sodass der erwartete Beginn einer Rezession nach hinten, wenn nicht gänzlich aus dem Blickfeld gerückt ist. Im Gegensatz zu ihren Pendants in der Eurozone und in Japan haben die amerikanischen Haushalte einen Teil der überschüssigen Ersparnisse, die sie während der Pandemie angesammelt hatten, ausgegeben. Dies hat als Stossdämpfer gewirkt.

    Das Arbeitseinkommen bleibt angesichts der niedrigen Arbeitslosigkeit und des monatelangen starken Lohnwachstums solide. Zu den Schlüsselfaktoren, die in der zweiten Jahreshälfte beobachtet werden müssen, gehören zum einen die Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt. Zum anderen bleibt abzuwarten, wie die strengeren Kreditvergabestandards der kleinen Banken sich auf kleine Unternehmen und ihre Beschäftigten auswirken und die Widerstandsfähigkeit des Konsums infrage stellen. In der Vergangenheit haben sich solche Auswirkungen etwa zwei Quartale später bemerkbar gemacht. Demnach sollten die Folgen grösstenteils im 4. Quartal eintreten. Die Rezessionsrisiken für Ende 2023 / Anfang 2024 sind nach wie vor hoch. Unseres Erachtens dürfte eine Rezession jedoch mild und kurz ausfallen und die US-Wirtschaft im Gesamtjahr ein Wachstum von 0,9% verzeichnen.

    Unseres Erachtens dürfte eine Rezession mild und kurz ausfallen und die US-Wirtschaft im Gesamtjahr ein Wachstum von 0,9% verzeichnen

    Bankenprobleme scheinen eingedämmt

    Wir gehen nicht davon aus, dass sich die USA am Anfang einer grösseren Finanzkrise befinden. Bankkredite sind seit der Krise von 2007 bis 2009 keine Hauptfinanzierungsquelle für Konsum- oder Unternehmensausgaben mehr – ein weiterer Grund für die zurzeit solide Nachfrage. Die amerikanischen Haushalte leihen sich heute im Verhältnis zu ihrem Einkommen bemerkenswert wenig Geld, und das nur zum Teil bei Banken. Das Kreditwachstum ist langsamer als in den 2000er-Jahren und viel langsamer als das jährliche Wachstum von 14%, das noch Mitte 2022 zu verzeichnen war. Durch die relativ geringe Abhängigkeit von Schulden unterscheiden sich die gegenwärtigen Turbulenzen im US-Bankenwesen grundlegend von früheren Kreditzyklen. Dies schliesst auch die späten 1980er- bzw. frühen 1990er- und die 2000er-Jahre ein, als Bankenzusammenbrüche Vorboten und Verstärker von schweren Wirtschaftsabschwüngen und langsamen Erholungen waren.

    Durch die relativ geringe Abhängigkeit von Schulden unterscheiden sich die gegenwärtigen Turbulenzen im US-Bankenwesen grundlegend von früheren Kreditzyklen

    Zinssenkungen für das 1. Quartal 2024 in Aussicht

    Die Verlangsamung des Wachstums in den Industrieländern trägt zu einem Rückgang der Inflation bei. Die Nachfrage nach Gütern und die Lieferketten haben sich normalisiert. Die Energiepreise sind gesunken. Die Inflation im Dienstleistungssektor beginnt sich abzuschwächen. Wir erwarten, dass die Wohnkosten in den USA in den kommenden Monaten diesem Beispiel folgen und die Verbraucherpreisinflation dadurch bis zum Jahresende auf etwa 3,0% zurückgeht. Das Lohnwachstum lässt allmählich nach, doch der Disinflationstrend ist noch zu langsam, als dass die US-Notenbank Fed vor Anfang 2024 zu einer Zinssenkung übergehen könnte. In Europa scheint der Bankensektor im Allgemeinen besser vor Spannungen geschützt zu sein, und die Löhne sind weniger stark gestiegen.

    Die dortigen Trends folgen denen in den USA mit Verzögerung. Die Kerninflation – ohne Lebensmittel- und Energiekosten – geht erst seit Kurzem zurück. Wir glauben, dass die Europäische Zentralbank (EZB) kurz vor dem Höhepunkt ihres Zinserhöhungszyklus steht. Dabei besteht ebenfalls die Wahrscheinlichkeit für Zinssenkungen im 1. Quartal 2024, nach einem Wachstum im Gesamtjahr 2023 von 0,7%. Wir gehen nicht davon aus, dass Zinssenkungen in den USA oder der Eurozone die Weltwirtschaft vor der zweiten Jahreshälfte 2024 nennenswert stützen.

    Wir gehen nicht davon aus, dass Zinssenkungen in den USA oder der Eurozone die Weltwirtschaft vor der zweiten Jahreshälfte 2024 nennenswert stützen

    Der Konsum dürfte das chinesische Wachstum stützen

    Die chinesische Wirtschaft befindet sich auf einem anderen Weg als die meisten westlichen Volkswirtschaften. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass sie sich nach der Pandemie später wieder geöffnet hat. Schwachpunkte bleiben im Immobiliensektor – mit Folgewirkung auf das Verbrauchervertrauen – und im verarbeitenden Gewerbe bestehen, da die globale Nachfrage zurückgeht. Doch wir sehen den Konsum auch im 2. Quartal und darüber hinaus als wichtige Wachstumsstütze, auch wenn die Nachhaltigkeit seiner Erholung im 1. Quartal infrage gestellt wurde. Die Inflation ist nach wie vor unter Kontrolle. Zudem könnten sich die Behörden dafür entscheiden, der Wirtschaft in der zweiten Jahreshälfte weiter unter die Arme zu greifen, beispielsweise durch zusätzliche regulatorische Lockerungen oder Senkungen der Mindestreservesätze für Banken. Wir halten vorerst an unserer Wachstumsprognose für das Gesamtjahr von 5,5% fest.

     

    Vermögensallokation – falsche oder neue Hoffnung?

    Könnten die Notenbanken die Zinsen senken und die Märkte stützen, wenn sich die Wirtschaftsaussichten verdüstern? Wir halten dies ohne einen raschen Rückgang der Inflation für unwahrscheinlich. Wir gehen davon aus, dass die Fed und die EZB im Jahr 2023 eine Pause einlegen, die geldpolitischen Zügel aber straff halten. Rasche Zinssenkungen könnten folgen, wenn die Rezession schwerer ausfällt als von uns erwartet oder wenn es zu weiteren Spannungen im Bankensektor kommt. Weder das eine noch das andere wäre für Risikoanlagen positiv. Mit anderen Worten: Die Disinflationsbemühungen werden erfolgreich sein, aber die Wirtschaft belasten. Wie umfangreich die negativen Folgen sein werden, bleibt abzuwarten.

    Aktien nach einem Zinshöchststand

    Die Erwartung einer Pause bei den Zinserhöhungen hat bisher auch Risikoanlagen unterstützt. In der Vergangenheit war die Performance der Aktienmärkte nach einem Höchststand der US-Zinsen jedoch uneinheitlich und hing von der anschliessenden Entwicklung der Inflation und insbesondere des Wachstums ab. Als die Inflation unter Kontrolle war und sich das Wachstum stabilisierte, entwickelten sich Aktien gut (z.B. 1995, 2006). Wenn die Inflation problematisch war und/oder eine Rezession folgte, gerieten Aktien unter Druck (z.B. 1981, 2000). Die Märkte haben bereits eine Pause eingepreist, was Wachstumstiteln und -sektoren in den vergangenen Monaten zugutegekommen ist. Damit besteht nun Spielraum für Enttäuschungen. Auch wenn sich Aktien auf Ebene der Gesamtindizes gut gehalten haben: Die Performance war einer kleinen Gruppe von Titeln zu verdanken. Dies ist in einem spätzyklischen Umfeld nicht ungewöhnlich.

    In der Vergangenheit war die Performance der Aktienmärkte nach einem Höchststand der US-Zinsen uneinheitlich und hing von der anschliessenden Entwicklung der Inflation und insbesondere des Wachstums ab

    Was bedeutet das für Portfolios?

    Insgesamt bleiben wir in den Portfolios risiko- und aktienneutral und sind innerhalb der Anlageklassen defensiv ausgerichtet. Im bisherigen Jahresverlauf haben der anhaltend starke Konsum und die recht robusten Unternehmensergebnisse die Anleger-Community aufgrund ihrer allgemein vorsichtigen Positionierung auf dem falschen Fuss erwischt. Diese Situation könnte noch länger andauern. Alternativ dazu könnte die Widerstandsfähigkeit der Aktienmärkte in einem Abschwung auf die Probe gestellt werden. Angesichts des breiten Spektrums von Szenarien wollen wir Portfolios vorab weder für eine „weiche Landung“ noch für eine ausgeprägte Rezession positionieren.

    Angesichts des breiten Spektrums von Szenarien wollen wir Portfolios vorab weder für eine „weiche Landung“ noch für eine ausgeprägte Rezession positionieren

    Bei Aktien und Aktienstilen hat sich Qualität in der Vergangenheit im Vergleich zu anderen „Faktoren“ (z.B. Value, Growth, Small Caps) in spätzyklischen Expansionsphasen und den darauffolgenden Abschwüngen gut entwickelt. Wir bevorzugen daher weiterhin Qualitätsaktien und die typischerweise defensiven Unternehmen, die im Sektor Basiskonsumgüter zu finden sind.

    In Wirtschaftsrezessionen sinken die Schätzungen für den Gewinn je Aktie (EPS) in der Regel um 15% bis 20%. Die Konsensprognosen der Aktienanalysten sagen nun für den S&P 500 einen Gewinnrückgang von 1% im Jahr 2023 und ein Wachstum von 9% im Jahr 2024 voraus. Wir halten einen Rückgang von 8% in diesem Jahr, gefolgt von einem Zuwachs von 13% im Jahr 2024 für wahrscheinlicher.1 Daher bleiben wir bei US-Aktien vorerst zurückhaltend und bevorzugen Märkte ausserhalb der USA.

     

    Anleihen übergewichtet

    Zwecks Diversifizierung und Kapitalerhalt bleiben wir in festverzinslichen Wertpapieren übergewichtet. Wir bevorzugen erstklassige Staatsanleihen, die von höheren Renditen, einer nachlassenden Inflation und Leitzinsen auf dem oder kurz vor dem Höhepunkt profitieren. Ausserdem favorisieren wir liquide Investment-Grade-Unternehmensanleihen, die sich unserer Meinung nach in den meisten Szenarien gut entwickeln könnten, gegenüber Hochzinsanleihen. Bei Letzteren erwarten wir eine zusätzliche Ausweitung der Renditedifferenzen (Spreads).

    Die relativen Bewertungen und ein langsameres Wachstum dürften erstklassige Anleihen eher unterstützen als Aktien. Dies gilt insbesondere in den USA, wo unsere Erwartungen für das Gewinnwachstum weiterhin unter der Konsensprognose liegen. Wir glauben zudem, dass Staatsanleihen nach einem miserablen Jahr 2022 wieder Diversifizierungsvorteile bieten können: Die jüngste Korrelation der Renditen deutet in diese Richtung.

    Zwecks Diversifizierung und Kapitalerhalt bleiben wir in festverzinslichen Wertpapieren übergewichtet

    Schwellenländeranleihen und Währungsausblick

    Schwellenländeranleihen dürften 2023 weiterhin Unterstützung erfahren, und Lokalwährungsanleihen scheinen zunehmend attraktiv. Die Notenbanken der Schwellenländer haben deutlich früher als ihre Pendants in den Industrieländern damit begonnen, die Zinsen aggressiv anzuheben. Die meisten dieser Zinserhöhungszyklen sind nun beendet, da die Inflation zurückgeht. Neue Anleihen wurden nur in begrenztem Umfang emittiert, wobei die Bewertungen und Erträge in Regionen wie Lateinamerika attraktiv sind. Wir beurteilen ausgewählte brasilianische Staatsanleihen weiterhin positiv, chinesische Staatsanleihen dagegen negativ, da wir hier Raum für eine anhaltende Währungsschwäche sehen.

    An den Devisenmärkten erwarten wir eine moderate US-Dollar-Schwäche und bleiben im Dollar untergewichtet. Wir sind der Ansicht, dass der Dollar aus Bewertungssicht nach wie vor teuer ist und dass die Wachstumsprämie im Vergleich zum Rest der Welt in den kommenden Monaten wegfällt. Dasselbe gilt für den Renditevorteil der US-Zinsen gegenüber dem Rest der Welt, wenn die Fed früher mit Zinssenkungen beginnt als die Notenbanken anderer Industrieländer. Der japanische Yen und der Schweizer Franken sind unsere bevorzugten Währungen. Wir sehen aber auch im Euro relatives Wertpotenzial.

    Unseren gesamten Ausblick für das zweite Halbjahr, einschliesslich Prognosen zur Gesamtwirtschaft und Vermögensallokation, finden Sie als PDF oben rechts auf dieser Webseite.

     

    1 Daten per 13. Juni 2023.

    Wichtige Hinweise.

    Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende

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