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Erwarteter Aufschwung in Indien
Lombard Odier Private Bank
Kernpunkte
- Indien bleibt eine der am schnellsten wachsenden grossen Volkswirtschaften der Welt. Wir erwarten ein Wachstum von 6% im Jahr 2023 sowie jährlich für das nächste Jahrzehnt.
- Eine Verlagerung der Lieferketten westlicher Länder weg von China könnte Indien zugutekommen, indem die inländische Produktion in einer Reihe von Branchen unterstützt wird.
- Die Inflation lag im November unter dem Zielwert der indischen Notenbank RBI. Wir gehen davon aus, dass der Leitzins der RBI 2023 einen Höchststand von 6,5% erreicht.
- Während die Unternehmensgewinne 2023 und 2024 laut Prognosen um mehr als 15% steigen sollen, sind die Aktienbewertungen hoch. Aufgrund der Carry-Rendite und eines Investment-Grade-Ratings gefallen uns indische Staatsanleihen mit kurzer Laufzeit. Wir erwarten, dass die indische Währung in den nächsten zwölf Monaten in einer Spanne von 80 bis 84 Rupien zum USD notiert.
Indiens Wirtschaft wird im Jahr 2023 vom weltweiten Bestreben nach einer Diversifizierung der Lieferketten sowie von Investitionen in die Fertigung und die technologische Infrastruktur profitieren. Die Bevölkerung Indiens dürfte 2023 diejenige Chinas übersteigen, und das Wachstum des Landes dürfte auf absehbare Zeit höher sein als das seiner Konkurrenten. Mit seinen wirtschaftlichen Ambitionen zieht Indien zunehmend die Aufmerksamkeit langfristiger Investoren auf sich.
Indiens Wirtschaft ist die fünftgrösste der Welt. Sie dürfte 2022 um 7% zugelegt haben und eine der am schnellsten wachsenden grossen Volkswirtschaften geblieben sein. Für 2023 erwarten wir eine Verlangsamung des Wachstums auf 6%, wobei diese bescheidene Abschwächung kaum von Dauer sein wird. Der Unternehmenssektor scheint besser darauf vorbereitet zu sein, der Verlangsamung mit höherer Rentabilität zu trotzen. Zugleich dürfte die Notenbank bei der Straffung der Geldpolitik bald eine Pause einlegen. Obwohl die Anfälligkeit des Bankensektors ein Risiko darstellt, gehen wir in unserem Basisszenario davon aus, dass die Konjunkturabschwächung überschaubar sein wird. Ist dies der Fall, wird sich der Markt klar auf die langfristigen Aussichten des Landes konzentrieren.
Indiens junge Bevölkerung wird dem Land weiterhin zugutekommen. Den Prognosen der Vereinten Nationen (UN) zufolge wird die indische Bevölkerung im April 2023 vielleicht zum ersten Mal überhaupt die chinesische übersteigen. Noch wichtiger ist, dass das Wachstum der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter im kommenden Jahrzehnt höher sein wird als jenes der meisten Pendants Indiens weltweit (siehe Grafik 1). Die UN-Bevölkerungsprognose deutet darauf hin, dass die erwerbstätige Bevölkerung Indiens um fast 95 Millionen Menschen anwachsen wird.
Indiens Position als Alternative zu China stärkt die Aussichten des Landes inmitten der sich verändernden Geopolitik zusätzlich. Der Westen versucht, die Lieferketten weg von der chinesischen Fertigung und Produktion zu diversifizieren, und China beginnt, sich auf den Binnenkonsum zu konzentrieren. Dazwischen konsolidiert Indien seine Rolle. Das Bestreben, Indien als Alternative in den globalen Lieferketten zu etablieren, scheint erfolgreich. Die indischen Exporte elektronischer Güter beispielsweise haben sich seit 2020 fast verdoppelt (siehe Grafik 2), da Unternehmen wie Apple und Samsung die Investitionen in die Technologieproduktion des Landes erhöhen. Das Kabinett von Premierminister Narendra Modi hofft, diesen Trend mit „produktionsgebundenen Anreizen“ im Gesamtwert von 32 Billionen Rupien (USD 39 Mrd.) zu fördern. Diese Anreize richten sich an Branchen wie Automobilhersteller, Luftfahrt, Chemie und Elektronik sowie medizinische Geräte und Pharmazeutika.
Dank dieses Rückenwinds halten wir es für realistisch, dass Indien im nächsten Jahrzehnt ein jährliches Wachstum von 6,0% bis 6,5% erreicht, trotz Komplikationen aufgrund der Pandemie und der Klimaschwankungen. Wenn es dem Land gelingt, dieses Wachstumstempo beizubehalten, wird es bis 2033 zur drittgrössten Volkswirtschaft der Welt aufsteigen, vor Japan und Deutschland.
Klimatische Herausforderungen, Glaubwürdigkeit des Inflationsziels
Indiens grosse Unbekannte sind die Auswirkungen des globalen Klimawandels. Die immer noch überwiegend ländliche und unterentwickelte Wirtschaft Indiens ist anfällig für Klimaschwankungen. Darüber hinaus hängt die Glaubwürdigkeit des Inflationsziels stark von den Lebensmittelpreisen ab. Auf diese entfallen fast 40% des von der indischen Notenbank – der Reserve Bank of India (RBI) – berechneten Verbraucherpreiskorbs. Indiens makroökonomische Politik ist dem jährlichen Monsun ausgeliefert. Mittelfristig ist der Aufbau einer gegenüber Klimaschwankungen widerstandsfähigen Infrastruktur für die Entwicklung Indiens entscheidend.
Kurzfristig dürften die Normalisierung der weltweiten Nachfrage und die Stabilisierung der Rohstoffpreise Indien helfen, die inländische Verbraucherpreisinflation unter die 6%-Marke zu bringen. Im November lag die Gesamt-Verbraucherpreisinflation mit 5,9% gegenüber dem Vorjahr bereits unter dem Zielwert. Dies untermauert die jüngste Einschätzung der RBI, dass „das Schlimmste der Inflation hinter uns liegt“. Wir erwarten, dass die RBI Anfang 2023 die letzte Zinserhöhung um 25 Basispunkte vornimmt und dann den Leitzins im übrigen Jahresverlauf bei 6,5% belässt.
Stabile innenpolitische Aussichten
Die regierende Hindu-nationalistische Bharatiya Janata Party (BJP) ist nach wie vor in der Lage, die nächsten allgemeinen Wahlen zu gewinnen, die bis Mai 2024 abgehalten werden müssen. Die jüngsten Wahlen in Teilstaaten haben diese Aussichten bestätigt. Die BJP konnte ihre Verluste im März bei den regionalen Parlamentswahlen in Uttar Pradesh trotz schlechter Prognosen minimieren. Später errang sie ihre bisher grösste Mehrheit in Narendra Modis Heimatstaat Gujarat. Hier amtete Modi zwölf Jahre lang als Regierungschef. Wir erwarten keine grossen Überraschungen für die von der BJP geführte parlamentarische Koalition der Nationalen Demokratischen Allianz (NDA) bei den diesjährigen Wahlen für die Staatsversammlung. Dies gilt insbesondere, weil die Opposition sowohl auf nationaler als auch auf lokaler Ebene zersplittert ist.
Modi scheint sich auf eine weitere Amtszeit vorzubereiten. Wir sehen wenig Raum für Machtkämpfe innerhalb der BJP, auch wenn Amit Shah, aktuell Innenminister, und Yogi Adityanath, Regierungschef des Teilstaats Uttar Pradesh, als Herausforderer im Gespräch sind. Im Vertrauen auf das Markenzeichen Modi könnte die BJP dieses Jahr landesweit Reformen in den Bereichen Landerwerb und Arbeitsrecht vorantreiben. Die fehlende Mehrheit im Oberhaus des Parlaments könnte die Regierung jedoch einschränken.
Kann Indien eine Outperformance erzielen?
Insgesamt könnten asiatische Volkswirtschaften in dieser Zeit der globalen Schwäche eine Outperformance verzeichnen. Insbesondere die südasiatischen Volkswirtschaften, allen voran Indien, haben sich 2022 besser entwickelt als andere Schwellenländer. Da China seine Covid-Strategie ändert, wird eine Outperformance nordasiatischer Volkswirtschaften 2023 wahrscheinlicher.
Die starke Performance Indiens bedeutet, dass das Land in Anlageportfolios schon breit vertreten ist. Indien hat einen Anteil von 15% am MSCI Emerging Market Index – die Hälfte der Gewichtung Chinas und fast das Dreifache der Gewichtung Brasiliens. Allerdings notieren indische Aktien rund 30% über ihrem langfristigen Durchschnitt bzw. mit dem 21-fachen erwarteten Gewinn und damit deutlich höher als der breitere MSCI World Index. Die Konsenserwartungen deuten auf ein Gewinnwachstum von mehr als 15% sowohl für 2023 als auch für 2024 hin. Auf Sektorebene wird Indien weiterhin von seiner starken industriellen Ausrichtung auf die Digitalisierung profitieren. Die Bewertungen indischer Aktien bleiben vorläufig jedoch hoch und scheinen daher weniger interessant.
Mit Zinsen von 6,25% im Dezember und einer erwarteten weiteren Zinserhöhung Anfang 2023 scheinen Indiens Staatsanleihen im Vergleich zu anderen Staatsanleihen von Schwellenländern in Lokalwährung attraktiv. Die hohe Carry-Rendite und ein Investment-Grade-Rating von „BBB-“ von Standard & Poor’s bedeuten, dass Indiens Anleihen auf steigendes ausländisches Interesse stossen könnten. Die Aufnahme in grosse Anleiheindizes würde ihre Attraktivität weiter steigern. Zum jetzigen Zeitpunkt bevorzugen wir indische Staatsanleihen mit kürzerer Laufzeit, während Anleihen mit längerer Laufzeit später im Jahr 2023 interessanter scheinen könnten.
Die indische Rupie hat gegenüber dem US-Dollar nachgegeben – von rund 40 Rupien im Jahr 2005 auf heute rund 80 Rupien. Dies ist weitgehend auf die im Vergleich zu den Handelspartnern höhere Inflationsrate Indiens zurückzuführen. Es ist unwahrscheinlich, dass die Rupie in den kommenden Monaten direkt von der sich wieder öffnenden Wirtschaft Chinas profitiert. Denn aufgrund höherer Rohstoffpreise wird das indische Leistungsbilanzdefizit bedeutend bleiben. Die Notenbank RBI wird etwaigen Zuflüssen aus dem Ausland in Aktien durch die Wiederaufstockung ihrer Devisenreserven entgegenwirken. Sie wird darauf achten, dass der Wechselkurs zwischen Dollar und Rupie nicht zu stark steigt, damit die indische Währung weiterhin eine hohe Rendite bietet und eine geringere Volatilität aufweist als viele andere Schwellenländerwährungen. Wir erwarten, dass sich die Währung in den nächsten zwölf Monaten in einer Spanne von 80 bis 84 Rupien zum Dollar bewegt.
Wichtige Hinweise.
Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende
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