investment insights
Zum Jahresende ein Blick zurück
Lombard Odier Private Bank
Kernpunkte
- Wir überprüfen die Performance unserer Anlageüberzeugungen für 2022 und blicken auf das kommende Jahr
- Als hilfreich erwiesen sich unsere Bevorzugung von Liquidität, erstklassigen Anleihen, Substanz- und zyklischen Aktien sowie unsere Einschätzung in Bezug auf einen starken US-Dollar und die Underperformance von Gold
- Zugleich haben wir die Auswirkungen des Ukrainekriegs auf die Aktienmärkte oder einen so starken Zinsanstieg nicht vorweggenommen. Auch das langsame Wachstum in China war eine Enttäuschung und beeinträchtigte die asiatischen Märkte für Unternehmensanleihen
- Zum Jahreswechsel bevorzugen wir eine vorsichtige Haltung. Wir rechnen mit Gelegenheiten für eine Erhöhung des Risikoengagements, wenn die US-Realzinsen den Höhepunkt erreichen.
„Permacrisis“ ist das Wort des Jahres im Collins Dictionary und bezeichnet eine anhaltende Phase der Instabilität und Unsicherheit. Zum Jahresende 2022 liegen in vielerlei Hinsicht ausserordentlich schwierige zwölf Monate hinter uns. Von der Rekordinflation über steigende Zinsen und Lebenshaltungskosten bis hin zum Ukrainekrieg und zur dadurch ausgelösten Energiekrise – es war ein ungewöhnliches Jahr für Anlegerinnen und Anleger. Nur drei der vergangenen hundert Jahre – 1931, 1969 und jetzt 2022 – waren von negativen Renditen sowohl an den Anleihe- als auch an den Aktienmärkten geprägt.
Wir überprüfen unsere vor etwas mehr als einem Jahr veröffentlichten Anlageüberzeugungen und schauen, wo wir richtiglagen und wo unsere Erwartungen nicht eingetroffen sind. Mitte November 2021 erwarteten wir eine komplexe wirtschaftliche Erholung von der Pandemie, da Regierungen und Notenbanken ihre Finanz- und Geldpolitik normalisierten. Dazu gehörte, dass die Notenbanken die Zinsen anhoben, um die zunehmend hartnäckige Inflation zu bekämpfen. Die Hartnäckigkeit und die Folgen des Inflationsdrucks waren stärker als von uns angenommen. Die US-Zinsen dürften 2023 auf rund 5% steigen. Die US-Wirtschaft dürfte in eine Rezession abgleiten, während die Notenbank Fed den Immobilien- und Arbeitsmarkt bremst, um die Preise zu dämpfen. Wir glauben, dass diese geldpolitische Strategie funktioniert und die US-Inflation in einem Jahr auf etwa 3% oder etwas weniger sinken dürfte.
Während sich die US-Wirtschaft zunehmend in die richtige Richtung zu bewegen scheint, ist der Weg für Europa nach wie vor weniger klar. Der Einmarsch Russlands in die Ukraine am 24. Februar 2022 galt bis zum Ereignis selbst weithin als unwahrscheinlich. Das Ausmass des Kriegs und die jüngsten Erfolge der Ukraine waren schwer vorhersehbar. Abseits des Kampfgeschehens hat sich die sich in der Folge entwickelnde Energiekrise als schmerzhaft für die europäische Wirtschaft und die Verbraucher erwiesen. Längerfristig bietet sie jedoch auch die Aussicht auf einen wesentlich schnelleren Übergang zu sauberer Energie. Die europäischen Regierungen investieren in die Entwicklung von Alternativen zu russischen Energiequellen, z.B. in Kernkraft und nachhaltigen Strom.
Während der Rest der Welt im Zuge der Impfkampagnen auf Covid-Masken zu verzichten begann, war China weiterhin von zeitweiligen Lockdowns betroffen. Das Land ist nun auf dem Weg zur Wiedereröffnung, auch wenn dies unweigerlich ein steiniger Weg sein wird. Die späte Wiedereröffnung hat die Binnen- und die Weltwirtschaft gebremst. Sie hat zudem die Inflation in anderen Ländern in die Höhe getrieben, da die Engpässe in chinesischen Fabriken die Lieferungen verlangsamten und die Lagerbestände begrenzten.
Wie im Folgenden aufgeführt, lagen wir 2022 mit sieben von zehn Anlageüberzeugungen richtig, auch wenn wir die geopolitischen Treiber des Jahres nicht vorweggenommen haben. Wie erwähnt, handelt es sich hierbei um eine Überprüfung unserer Einschätzungen für 2022. Unsere Anlageüberzeugungen für 2023 finden Sie hier.
1. Mit dem Wiederaufbau von Liquiditätspolstern in den Portfolios beginnen ✔
Wir sprachen uns für ein Liquiditätspolster aus, um im Falle von Ausverkäufen – ausgelöst durch eine Wachstumsverlangsamung und hohe Bewertungen – Anlagechancen zu nutzen. Tatsächlich war die Volatilität bei Festverzinslichen noch höher als von uns erwartet, und Liquidität übertraf 2022 die meisten Anlageklassen. Zu Beginn des Jahres 2023 bleiben wir aus den gleichen Gründen in Liquidität übergewichtet, da sich bei einer Verbesserung der Bedingungen Anlagechancen eröffnen werden.
2. Engagement in erstklassigen Anleihen weiter reduzieren ✔
Die Erwartung steigender Zinsen als Reaktion auf die Inflation in den ersten Monaten des Jahres 2022 erwies sich als vorausschauend und machte Staatsanleihen sowie Investment-Grade-Unternehmensanleihen unattraktiv. Dies war die Grundlage für unsere grosse untergewichtete Position Anfang 2022. Seitdem hat sich viel geändert. Es wird erwartet, dass sich die Zinsen im Laufe des Jahres 2023 stabilisieren und die Renditedifferenzen (Spreads) attraktiver werden. Daher sind wir der Meinung, dass Investment-Grade-Unternehmensanleihen angesichts einer wahrscheinlichen Rezession eine attraktive Quelle für Carry darstellen. Wir werden auch nach Möglichkeiten suchen, die Duration der Portfolios zu erhöhen.
3. Dank solider Gewinne bleiben Aktien attraktiv ✖
Wir erwarteten, dass sich starke Unternehmensgewinne – in einer Zeit, in welcher der Verbrauch wieder anzog – trotz hoher Bewertungen in einer positiven Performance der Aktienmärkte niederschlagen würden. Die Gewinne blieben zwar solide, aber der unerwartet starke Zinsanstieg und der Krieg in der Ukraine führten zu niedrigeren Bewertungen und einer langsameren Gewinnentwicklung. Bei den aktuellen Bewertungen und einem S&P 500, der derzeit bei rund 4’000 Punkten notiert, rechnen wir in zwölf Monaten mit einem weitgehend flachen Index bei hoher Volatilität. Denn wir gehen davon aus, dass die Gewinne im Zuge der Rezession Anfang 2023 zurückgehen, bevor eine Erholung einsetzt. Unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Unsicherheiten und der geopolitischen Risiken sehen wir „bearishe“ bzw. „bullishe“ Szenarien näher bei 3’200 bzw. 4’500 Punkten.
4. Substanz- und zyklische Aktien weiterhin bevorzugen ✔
Diese Überzeugung erwies sich als zielführend, denn die Value-Indizes verzeichneten eine starke Outperformance. Dies galt insbesondere dort, wo der Schwerpunkt auf dem Energiesektor, dem Bergbau und Finanzunternehmen lag. Wir bevorzugen nach wie vor Substanzwerte. Doch wenn die Herausforderungen in Form hoher Inflation und hoher Zinsen abnehmen, könnten die Bewertungskennzahlen der Wachstumssegmente profitieren. Sobald die realen Zinsen ihren Höhepunkt erreicht haben und sich das Wachstum normalisiert, erwarten wir Gelegenheiten, in zyklische Titel und Wachstumswerte zu investieren.
5. Übergewichtung von Schwellenländeranleihen in Hartwährung mit Schwerpunkt Asien ✔
Im Universum der Schwellenländeranleihen in Hartwährung erzielten asiatische Unternehmensanleihen zwar eine Outperformance. Dies jedoch nicht in nennenswertem Umfang und auch nicht, wie von uns erwartet, unter Anführung der spekulativeren Segmente Chinas. Wir waren davon ausgegangen, dass China seinen Fokus auf das Wirtschaftswachstum beibehalten würde. Doch das Land passte das Covid-Management nur langsam an und unterstützte den Immobiliensektor nur zögerlich. Beide Faktoren belasteten asiatische Unternehmensanleihen. Nach der grossen Unzufriedenheit der Bevölkerung mit der Null-Covid-Politik der Regierung hat sich die Situation im Gesundheitswesen in den letzten Wochen rasch verändert. Der Weg zur vollständigen Wiedereröffnung der Wirtschaft wird steinig sein, da die Zahl der Covid-Fälle angesichts der geringen Impfquote steigt. Doch wir erwarten, dass China 2023 dank geldpolitischer Unterstützung und struktureller Staatsausgaben ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 4% erzielt.
6. Einen stärkeren Dollar und einen schwächeren Euro einkalkulieren ✔
Unsere Übergewichtung hat sich über weite Strecken des Jahres 2022 bewährt, da die US-Währung gegenüber den wichtigsten Währungen sowohl der Industrie- als auch der Schwellenländer stark zugelegt hat. Wir gehen nun davon aus, dass die Dollarstärke anhält, da sich die geldpolitischen Bedingungen weiter verschärfen und der Zinsvorteil günstig bleibt. Entsprechend steigt die Nachfrage nach der Währung. Über die nähere Zukunft hinaus erwarten wir, dass sich ein Höchststand des USD abzeichnet und die Nachfrage nachlässt. Infolgedessen dürfte es in der ersten Jahreshälfte 2023 an der Zeit sein, das Engagement in den japanischen Yen und einige andere Währungen der Industrieländer zu diversifizieren.
7. Gelegenheiten nutzen, um das Gold-Engagement zu reduzieren ✔
Der Goldpreis ist auf dem besten Weg, das Jahr im Minus zu beenden. 2022 entwickelte er sich sehr volatil. Er schwankte zwischen steigenden Zinsen und einem höheren US-Dollar einerseits und den Risiken einer Konjunkturabschwächung und des starken geopolitischen Drucks andererseits. Wir erwarten, dass der Goldpreis im Zuge der Stabilisierung der Zinsen, der Wiedereröffnung Chinas und der Abschwächung des US-Dollar besser unterstützt wird, und gehen von einer Erhöhung des Engagements aus.
8. Taktische, aktive Anlageverwaltung gegenüber passiven Anlagen bevorzugen ✔
2022 erinnerte die Anleger an die wichtige Rolle, die diversifizierende Investments in einem Multi-Asset-Portfolio spielen. Manager von Macro- und Trendfolge-Hedge-Funds profitierten von den Marktverwerfungen. Unsere erhöhte Allokation in diesem Segment, sowohl strategisch als auch taktisch, lieferte eine positive Performance und trug dazu bei, Portfolioverluste bei Aktien und Festverzinslichen auszugleichen.
9. Die zu erwartende steigende Volatilität nutzen ✔
Die Aktienmärkte erlebten 2022 aufgrund verschiedener Treiber eine Reihe von Ausverkäufen. Wir setzten Optionsstrategien ein, um die Portfolios nach unten abzufedern, was in einem schwierigen Jahr eine hilfreiche Unterstützung der Renditen darstellte.
Angesichts volatiler Märkte und höherer Renditen wurden strukturierte Produkte für zulässige Anleger ebenfalls zu einer nützlichen Ergänzung im Portfolioaufbau.
10. Sich auf Nachhaltigkeit als Renditetreiber konzentrieren ✔
Die Nachhaltigkeitsfonds der Vermögensverwaltungsbranche haben sich häufig auf wachstumsorientierte Unternehmen mit kleiner oder mittlerer Marktkapitalisierung ausgerichtet. Deren Performance blieb 2022 in einem Value-orientierten, auf grosskapitalisierte Unternehmen ausgerichteten Umfeld zurück. Das Positive daran ist, dass diese Themen im Zuge der makroökonomischen Entwicklung im Jahr 2023 von günstigeren Bedingungen profitieren dürften. Wie bereits erwähnt, erwarten wir auch längerfristige Impulse aufgrund der Abkehr von der Energieversorgung aus Russland. Die europäischen Regierungen verstärken ihre Bemühungen, in alternative Quellen, einschliesslich erneuerbarer Energien, zu investieren. Nachhaltigkeit bleibt eine wesentliche langfristige Überzeugung und der Haupttreiber finanzieller Renditen.
Fazit
Die Überprüfung unserer Performance ist ein wichtiger, laufender Prozess, um den Portfolioaufbau für unsere Kunden zu optimieren. 2022 hielt viele Überraschungen bereit. Prognosen sind schwierig – „insbesondere wenn sie die Zukunft betreffen“, wie der Physiker Niels Bohr es ausdrückte.
Zum Abschluss dieses turbulenten Jahres wünsche ich Ihnen ein glückliches und erfolgreiches Jahr 2023 – wir freuen uns auf ein Ende dieser „Permacrisis“.
Wichtige Hinweise.
Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende
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