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Robuste Schwellenländer deuten auf Chancen hin
Lombard Odier Private Bank
Kernpunkte
- Die Schwellenländer waren in den letzten drei Jahren einem „perfekten Sturm“ wirtschaftlicher Schocks ausgesetzt. Die Bedingungen haben sich zwar noch nicht normalisiert, aber die Aussichten haben sich für viele aufgehellt.
- Die Inflation dürfte den Höhepunkt erreicht haben: Die Energiepreise sind gesunken, und der US-Dollar schwächt sich ab. Die Fundamentaldaten haben sich verbessert, u.a. dank mehr Schulden in Lokalwährung, grösserer Devisenreserven, robusterer Landeswährungen und kleinerer Leistungsbilanzdefizite.
- Die Wiedereröffnung Chinas ist für viele Schwellenländer, insbesondere in Asien, der wichtigste Wachstumsmotor. Weitere unterstützende Faktoren sind der sich erholende Tourismus und auf „Friend Shoring“ beruhende Lieferketten.
- Wir haben jüngst die Positionen in Schwellenländeraktien aufgestockt, da hier starke Gewinne die Renditen antreiben dürften. Bei Festverzinslichen bevorzugen wir brasilianische Staatsanleihen und Schwellenländer-Unternehmensanleihen. Eine Erholung begünstigt Schwellenländerwährungen gegenüber dem US-Dollar.
Viele Schwellenländer widersetzen sich einem historischen Trend: Anstatt am Rande der finanziellen Instabilität zu taumeln, während sich das Wirtschaftswachstum in den USA und Europa verlangsamt, scheinen einige recht widerstandsfähig zu sein. Gründe dafür sind die sich wieder öffnende Wirtschaft Chinas, ein schwächerer US-Dollar und die rückläufige Inflation. Für internationale Anlegerinnen und Anleger lohnt es sich daher, ausgewählte Schwellenländeranlagen im Auge zu behalten.
In den letzten drei Jahren hat die Pandemie alle Volkswirtschaften getroffen, aber nicht alle im gleichen Ausmass. 2022 liessen die Auswirkungen von Covid auf die öffentliche Gesundheit nach. Zugleich heizten der Krieg in der Ukraine sowie die steigende Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen die Lebensmittel- und Energiepreise an. Die Situation wurde durch das schwache chinesische Wirtschaftswachstum noch verschärft. Die Folgen waren besonders schmerzhaft für Volkswirtschaften in Lateinamerika, Afrika und Asien. Hier entfällt verglichen mit den Industrieländern ein grösserer Anteil an den Ausgaben der Haushalte auf Lebensmittel und Brennstoffe. Da ein stärkerer US-Dollar den Inflationsdruck auf die exportierenden Schwellenländer verstärkte, reagierten die Notenbanken überall mit Zinserhöhungen.
Das Jahr 2022 hielt für die Schwellenländer eine Reihe wirtschaftlicher Schocks bereit. Doch nun sind die Märkte von Brasilien über Indien und Südkorea bis Taiwan gut positioniert, um 2023 zu wachsen. Die Inflation ist nach wie vor hoch, hat aber wahrscheinlich den Höhepunkt erreicht, und die asiatischen Volkswirtschaften profitieren überproportional von der Wiedereröffnung Chinas. Der US-Dollar schwächt sich mittlerweile ab, und die Inflation verlangsamt sich angesichts der geringeren Nachfrage in den USA und Europa sowie sinkender Energiepreise. Die Aussichten für die Schwellenländer sind jetzt besser als für die Industrieländer. Allerdings haben sich die Wirtschaftsbedingungen noch nicht normalisiert, auch wenn der schlimmste Teil der Schocks überstanden scheint.
Starke Fundamentaldaten
Der grösste Einzelfaktor, der die Aussichten verändert, ist China. 2022 verzeichnete China mit 3% das schwächste Wachstum des Bruttoinlandsprodukts seit Jahrzehnten – den pandemiebedingten Einbruch von 2020 nicht mitgerechnet. Viele der Entwicklungen, die das Wachstum belastet haben, kehren sich nun um: so etwa das harte Vorgehen gegen Technologieunternehmen, die Turbulenzen am Immobilienmarkt, die strenge Null-Covid-Politik sowie ein weniger guter Schutz der Bevölkerung vor Covid. In Indien dürfte ein neuer marktfreundlicher Haushalt die Wirtschaft zusätzlich ankurbeln. Brasiliens Wirtschaft wiederum könnte unter der neuen Regierung bereits im zweiten Quartal 2023 von Zinssenkungen profitieren.
Doch in den Schwellenländern dreht sich nicht alles um die Wiedereröffnung Chinas. Die schlimmsten Belastungen durch die hohen Energiepreise sind abgeklungen. Während die Schwellenländer eine Mischung aus Energie-Nettoimporteuren und -exporteuren sind, kommen die fallenden Ölpreise den beiden grössten Volkswirtschaften, China und Indien, zugute (sie belasten aber Ölproduzenten wie Basilien). Der Preis für Rohöl der Sorte Brent bleibt hoch, ist aber von fast USD 128 pro Barrel im März 2022 auf heute rund USD 85 gesunken.
Auch die wirtschaftlichen Fundamentaldaten präsentieren sich im Vergleich zu früheren Konjunkturabschwächungen besser. Mehr Schulden lauten auf Lokalwährungen, und die Finanzmärkte in den Schwellenländern haben sich vertieft. In Verbindung mit kleineren Leistungsbilanzdefiziten und grösseren Devisenreserven verfügen viele Schwellenländer heute über robustere Landeswährungen. Der Anstieg der Devisenreserven entfällt zu einem grossen Teil auf China (schätzungsweise USD 3 Bio.), während Indien und Brasilien zusammen fast weitere USD 1 Bio. halten.
Der China-Effekt
Darüber hinaus dürfte sich der Prozess der Wiedereröffnung, der Chinas Binnenwirtschaft Auftrieb verleiht, als dauerhafter erweisen als in den meisten Industrieländern im Jahr 2021. Die strikten Lockdowns in China wurden nicht von Unterstützungszahlungen und Arbeitsplatzschutz begleitet, welche die finanziellen Auswirkungen auf die Haushalte in Westeuropa und Nordamerika abfederten. Angesichts geringerer Ersparnisse der Haushalte dürfte der Anstieg der chinesischen Verbrauchernachfrage gedämpfter und zugleich nachhaltiger sein.
Auch der wieder auflebende Tourismus dürfte das längerfristige Wirtschaftswachstum beflügeln. 2019, vor der Pandemie, verzeichnete China 155 Millionen Touristenbesuche ausserhalb des Landes, bei Ausgaben von schätzungsweise USD 253 Mrd. Im Jahr 2023 könnte die Zahl der Touristen 110 Millionen erreichen. Ein Grossteil des Anstiegs wird möglicherweise erst in der zweiten Hälfte 2023 eintreten, dürfte aber Reisezielen wie Hongkong, Thailand oder Japan einen nachhaltigen Schub verleihen.
Siehe auch: Japans Weg zur Normalisierung der Geldpolitik
Die steigende Nachfrage Chinas ist für exportierende Schwellenländer ebenso positiv wie der Trend zum „Friend Shoring“ seit der Pandemie. Die Engpässe aufgrund von Covid haben internationale Unternehmen dazu veranlasst, ihre Logistik zu diversifizieren. Im Wesentlichen bedeutet dies, dass sie sich weniger auf chinesische Produktionsquellen verlassen. Damit dürften Länder wie Taiwan, Vietnam und Mexiko ihren Anteil an den globalen Handelsströmen ausbauen können.
Anlagepräferenzen
Auf regionaler Ebene erwarten wir, dass Südasien, einschliesslich Indien, das beste langfristige Wachstumspotenzial aufweist, während das Wachstum in Lateinamerika und Osteuropa unsicherer ist. Mit dem besseren Wirtschaftsausblick haben sich auch die allgemeinen Aussichten für Schwellenländeranlagen aufgehellt. Wir passen unsere Allokationen allerdings schrittweise an und warten auf eine Bestätigung der besseren Bedingungen.
Gegenüber Schwellenländeranleihen in Hartwährung sind wir nach wie vor vorsichtig, da unseres Erachtens die Renditedifferenzen (Spreads) die Rezessionsgefahr nicht vollständig kompensieren (siehe Grafik 1). Zwar haben sich die Spreads 2022 ausgeweitet, doch sind sie nun enger als in vergangenen Rezessionen. Wir können das Risiko nicht ausschliessen, dass die Notenbanken zu lange an einer zu straffen Geldpolitik festhalten. Unter diesen Umständen bevorzugen wir Unternehmensanleihen aus Schwellenländern gegenüber Staatsanleihen, da erstere im Allgemeinen bessere Kreditfundamentaldaten und kürzere durchschnittliche Laufzeiten bieten. Was die lokalen Märkte anbelangt, so sind die inländischen Zinsen in den Schwellenländern in den letzten zwölf Monaten deutlich gestiegen. Derzeit bieten einige Märkte wie Brasilien Chancen: Die Carry-Rendite ist sowohl absolut als auch relativ gesehen attraktiv, und sowohl die Nominal- als auch die Realzinsen sind hoch. Zudem erwarten wir, dass im weiteren Jahresverlauf ein Zinssenkungszyklus einsetzt.
Zusätzlich zu unserer seit Längerem bestehenden Bevorzugung chinesischer Aktien haben wir im Januar unsere Allokation in Schwellenländeraktien erhöht. Wir glauben, dass hier eine starke Gewinnerholung 2023 für attraktive Renditen sorgt (siehe Grafik 2). Auch wenn diese Titel nicht teuer sind, gehen wir nicht davon aus, dass ein Bewertungsanstieg ein wesentlicher Renditetreiber sein wird.
Die asiatische Halbleiterindustrie kann ein nützlicher Indikator für die Erholung des Wirtschaftswachstums sein, da ihre Produkte für so viele Waren essenziell sind. Die Halbleiterexporte sind weiterhin rückläufig. Wir erwarten jedoch eine baldige Trendwende, wenn die rezessiven Kräfte nachlassen und die Lagerbestände schrumpfen.
Die besseren Aussichten dürften eine Erholung der Schwellenländerwährungen gegenüber dem US-Dollar begünstigen. Das Wachstum Chinas wird den Lieferanten in Asien und Lateinamerika Auftrieb verleihen, und die niedrigeren Erdgaspreise werden sich positiv auf die Währungen Mitteleuropas auswirken. Insgesamt bevorzugen wir Währungen wie die indonesische Rupiah, den chilenischen Peso und den ungarischen Forint. Gegenüber dem chinesischen Yuan, der indischen Rupie und dem südafrikanischen Rand bleiben wir vorsichtiger.
Wichtige Hinweise.
Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende
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