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Planetare Grenzen: die sicheren Betriebsgrenzen der Menschheit
Die Menschheit destabilisiert die Umwelt an mehreren Fronten: Klimawandel, Entwaldung, Überfischung usw. Dabei nähern wir uns einem «Point of no Return», an dem der Schaden irreversibel sein wird. Um diese Katastrophe zu verhindern, müssen wir innerhalb bestimmter Grenzen – den sogenannten planetaren Grenzen – agieren.
Sehen Sie sich unser Video über planetare Grenzen an, das wir unter Leitung von Michael Urban, unserem Chief Sustainability Strategist, und in Zusammenarbeit mit der Financial Times produziert haben.
Die eigenen Grenzen kennen
Das Konzept der planetaren Grenzen wurde erstmals 2009 von einer Gruppe von Forschern des Stockholm Resilience Centre unter der Leitung von Johan Rockström1 vorgestellt. Sie erkannten, dass die Erde ein komplexes, zusammenhängendes System ist, das durch verschiedene menschliche Aktivitäten erheblich beeinträchtigt werden kann. Beispielsweise wird bei der Verbrennung fossiler Brennstoffe zur Energiegewinnung Kohlendioxid in die Atmosphäre freigesetzt, was wiederum zur globalen Erwärmung beiträgt. Auch die Entwaldung oder andere Veränderungen in der Landnutzung können erhebliche Auswirkungen auf das Klima haben, ebenso wie der Verlust der Biodiversität und andere Aspekte unseres Ökosystems.
Die Forscher haben Risiken festgestellt, wie wir die Umwelt weiter destabilisieren könnten, und einen Rahmen geschaffen, um dies zu verhindern. Dabei haben sie neun planetare Grenzen identifiziert, innerhalb derer wir uns bewegen können, ohne die Fähigkeit der Erde zu gefährden, den Menschen und anderen Lebensformen einen Lebensraum zu bieten.
Wie kommen wir voran?
Bedauerlicherweise hat die Menschheit bereits sechs der neun planetaren Grenzen überschritten.
1. Klimawandel
Die planetare Grenze für den Klimawandel ist definiert als die Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre, deren Überschreitung irreversible Schäden am Klimasystem der Erde verursacht. Derzeit überschreiten wir diese Grenze2, und die CO2-Konzentration in der Atmosphäre ist so hoch wie nie zuvor3. Gelingt es uns nicht, die Emissionen auf ein sicheres Mass zu senken, werden die Temperaturen weltweit weiter ansteigen, bis extreme Wetterverhältnisse zur Norm werden und es zu Naturkatastrophen mit tiefgreifenden Folgen für Mensch und Umwelt kommt.
2. Versauerung der Meere
Diese planetare Grenze bezieht sich auf den Säuregrad, den die Ozeane der Erde tolerieren können, ohne dass die marinen Ökosysteme Schaden nehmen. Obwohl wir diese Grenze noch nicht überschritten haben, ist der Säuregehalt der Ozeane seit der industriellen Revolution bereits um 30% gestiegen. Falls diese Entwicklung anhält, könnte dies eine Reihe schädlicher Auswirkungen auf die marinen Ökosysteme haben, von denen wir mit Blick auf Nahrungsmittel, Medikamente und andere Ökosystemleistungen abhängen.
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3. Ozonschicht
Mit dieser Grenze wird das Ausmass definiert, in dem die schützende Ozonschicht der Erde geschädigt werden kann, ohne dass dadurch die Biosphäre wesentlich beeinträchtigt wird. Durch die Zerstörung der Ozonschicht erreicht mehr schädliches ultraviolettes Licht die Oberfläche unseres Planeten. Wir haben diese Grenze in der Vergangenheit überschritten: Kühlschränke, Aerosolsprays und viele andere Produkte enthielten häufig Substanzen, die in der Stratosphäre eine Zerstörung der Ozonschicht verursachten. Das Montrealer Protokoll von 1987 ist jedoch ein Beispiel dafür, wie die Menschheit durch Zusammenarbeit die Verletzung unserer planetaren Grenzen rückgängig machen kann: Die Produktion von ozonabbauenden Stoffen wurde weltweit verboten, was seitdem zu einer Erholung der Ozonschicht geführt hat.
4. Zerstörung der Wälder
Wälder spielen eine entscheidende Rolle bei der Regulierung des Klimas, weshalb das Konzept «Forest Degradation» eine sichere Grenze für die Entwaldung definiert. Da jedoch nur noch etwa 62% der Waldfläche übrig sind, haben wir diese planetare Grenze bereits überschritten. Machen wir diese Überschreitung wieder rückgängig, könnten wir die Fähigkeit unserer Wälder, Kohlenstoff aus der Atmosphäre durch Photosynthese zu binden, erheblich steigern. Dies wiederum würde uns helfen, den Klimawandel – und somit die Überschreitung der ersten planetaren Grenze – wieder umzukehren.
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5. Agrochemische Verschmutzung
Diese planetare Grenze bezieht sich auf die Menge an Nährstoffen wie Stickstoff und Phosphor, die sich in den Ökosystemen der Erde befinden können, ohne deren Funktion zu beeinträchtigen. Umweltverschmutzung und der übermässige Einsatz von Düngemitteln haben zu einem Überschreiten dieser Grenze geführt. Wenn wir nicht auf nachhaltigere landwirtschaftliche Methoden umsteigen, wird die Bodendegradation voranschreiten und die Ernteerträge erheblich beeinträchtigen. Dies hat Auswirkungen auf das gesamte Nahrungsmittelsystem, während gleichzeitig die Erdbevölkerung weiterwächst.
6. Süsswasserverbrauch
Diese Grenze legt die Menge an Süsswasser fest, die wir entnehmen und nutzen können, ohne den Wasserkreislauf der Erde zu stören. Das Stockholm Resilience Centre meldete in diesem Jahr, dass wir gerade im Begriff sind, diese Grenze zu überschreiten, nachdem neue Forschungsergebnisse4 einen erheblichen Rückgang der Bodenfeuchtigkeit auf der ganzen Welt belegt haben.5 Nachhaltigere landwirtschaftliche Anbaumethoden können ebenfalls dazu beitragen, unseren Wasserverbrauch zu senken, ebenso wie andere Massnahmen wie die Wiederverwendung von nur gering verschmutztem Wasser oder die Neugestaltung von städtischen Parks zur Speicherung und Abgabe von Regenwasser.
7. Artensterben
Diese Grenze wird dadurch definiert, wie viel Schaden der Biodiversität der Erde zugefügt werden kann, ohne dass die Funktion und Widerstandsfähigkeit der Biosphäre untergraben werden. Angesichts der Tatsache, dass das Artensterben derzeit 100 bis 1’000 Mal so schnell wie ohne menschlichen Einfluss auf die Natur (Basisrate) erfolgt6, haben menschliche Aktivitäten wie die Abholzung der Wälder dazu geführt, dass wir diese planetare Grenze überschritten haben. Eine negative Folge dieser Überschreitung ist die Bedrohung unserer Wirtschaft: Die Artenvielfalt ist ein wesentlicher Bestandteil des natürlichen Kapitals der Erde, von dem 50% der Weltwirtschaft abhängig sind.7
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8. Luftverschmutzung
Diese planetare Grenze betrifft die Menge an Aerosolen – winzigen Partikeln – in der Erdatmosphäre, die Luftverschmutzung verursachen und zum Klimawandel beitragen können. Obwohl Forscher immer noch daran arbeiten, wirksame Messmethoden für diese planetare Grenze zu definieren, ist allgemein anerkannt, dass menschliche Aktivitäten zu einem Anstieg der Konzentration von Aerosolen in der Atmosphäre beigetragen haben8. Eine der negativen Folgen dieses Anstiegs ist die Luftqualität in unseren Städten. 99% der Weltbevölkerung atmet heute Luft, welche die von der Weltgesundheitsorganisation festgelegten Schadstoffgrenzwerte überschreitet.9
9. Giftmüll
Diese Grenze betrifft die Menge an synthetischen chemischen Schadstoffen, die von den Ökosystemen der Erde ohne negative Auswirkungen toleriert werden kann. Nach der Veröffentlichung einer neuen Studie10, in der die Auswirkungen synthetischer Chemikalien auf die Umwelt bewertet wurden, gab das Stockholm Resilience Centre Anfang 2022 bekannt, dass wir diese planetare Grenze bereits überschritten haben. Insbesondere Kunststoffe, die selbst mehr als 10’000 andere Chemikalien enthalten, stellen ein Problem dar: Die gesamte Masse der Kunststoffe auf der Erde ist inzwischen doppelt so gross wie die aller lebenden Säugetiere. Ausserdem verbleiben etwa 80% der Kunststoffe im Ökosystem.11
Rückkehr zu unseren sicheren Betriebsgrenzen
Die Hauptursache für diese Überschreitungen ist unser nicht nachhaltiges Wirtschaftsmodell, das wir mit der Abkürzung WILD umschreiben: Wasteful (unwirtschaftlich), Idle (ineffizient), Lopsided (unausgeglichen) und Dirty (verschmutzt). Wir von Lombard Odier sind der Ansicht, dass wir nur dann zu unseren sicheren Betriebsgrenzen zurückkehren werden, wenn wir zu einer CLIC®-Wirtschaft übergehen: einer Wirtschaft, die zirkulär (Circular), schlank (Lean), inklusiv (Inclusive) und sauber (Clean) ist.
Entscheidend für diesen Übergang sind tiefgreifende Veränderungen in 3+1 wichtigen Systemen: In den Energiesystemen wird unserer Einschätzung nach bis zum Jahr 2050 der Anteil der Elektrizität an der Energie-Endnachfrage von derzeit 20% auf 74% ansteigen. Bei den Land- und Meeresökosystemen müssen wir im nächsten Jahrzehnt rund 30% der globalen Ozeane und landwirtschaftlichen Flächen (entsprechend der Grösse Chinas) an die Natur zurückgeben. Bei den Materialsystemen werden wir rund 30% weniger Rohstoffe abbauen und verwenden. Und die Umgestaltung all dieser Systeme wird durch starke Anreize im Rahmen eines vierten Systems beschleunigt werden: die Kohlenstoffmärkte.
Obwohl diese Entwicklungen bereits eingeleitet wurden, müssen wir den Übergang noch schneller vorantreiben, wenn wir die Überschreitung unserer planetaren Grenzen rückgängig machen wollen – bevor es zu spät ist. Die Zukunft der Umwelt und unserer Gesellschaft hängt also davon ab, ob wir den Mut und die Führungsstärke aufbringen, um die notwendigen Schritte umzusetzen.
1 https://www.stockholmresilience.org/research/planetary-boundaries.html
2 Steffen et al. (2015) «Planetary boundaries: Guiding human development on a changing planet».
3 https://climate.nasa.gov/vital-signs/carbon-dioxide/
4 https://www.nature.com/articles/s43017-022-00287-8.epdf?sharing_token=hier2n7O_tPClC8-r06bmdRgN0jAjWel9jnR3ZoTv0P2KmS6Qajbkp2nZuUVCQ0Vp_P0L_fySeHBsRgAquqylOp9LnWtWwctu_gtf2IN3rQca4cpkK1yn9HaZMp0U7_CeAUSZHD1Xu5KL__3KimuwqoA5hdvBx21Dt1POSVkJdo=
5 https://www.stockholmresilience.org/research/research-news/2022-04-26-freshwater-boundary-exceeds-safe-limits.html
6 https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/957629/Dasgupta_Review_-_Headline_Messages.pdf
7 https://www.weforum.org/reports/nature-risk-rising-why-the-crisis-engulfing-nature-matters-for-business-and-the-economy
8 https://www.nationalgeographic.com/environment/article/aerosols
9 Weltgesundheitsorganisation (o. D.) «Luftverschmutzung».
10 https://pubs.acs.org/doi/10.1021/acs.est.1c04158
11 https://www.stockholmresilience.org/research/research-news/2022-01-18-safe-planetary-boundary-for-pollutants-including-plastics-exceeded-say-researchers.html
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