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Wie kann die Kreislaufwirtschaft eine konkrete Antwort auf ökologische Herausforderungen bieten?
Die Kreislaufwirtschaft überwindet die herkömmlichen Produktions- und Konsummuster. Im Moment werden diese noch überwiegend von einer ineffizienten, ungerechten und schmutzigen linearen Wirtschaft bedient, die auf dem Modell „Nehmen – Herstellen – Wegwerfen“ beruht. Doch die gute Nachricht ist: Die Kreislaufwirtschaft gewinnt in zahlreichen Branchen und Unternehmen zunehmend an Boden. Heute ist sie eine der konkretesten Lösungen, um bis 2050 das Netto-Null-Ziel des Pariser Abkommens zu erreichen.
Welche konkreten Fortschritte sind beim Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft aktuell erkennbar? Ist sie eine nachhaltige Lösung? Wir wollten diese Fragen beantworten und das Thema vertiefen. Daher bat Lombard Odier bei der Veranstaltung „Economie circulaire: la prochaine révolution?“ – Kreislaufwirtschaft: die nächste Revolution? – mehrere Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Finanzen, sich zur Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft zu äussern. Die Veranstaltung fand im Mai in Lausanne statt.
Eine alarmierende Situation, die durchaus noch umkehrbar ist
Edoardo Chiarotti, Senior Researcher beim Enterprise for Society Center (E4S), betont die Dringlichkeit der Klimasituation: „Sechs von neun planetaren Belastungsgrenzen sind bereits überschritten.“ Einer der Hauptgründe ist die lineare Wirtschaft. Ihr Modell beruht auf dem Abbau bestimmter endlicher natürlicher Ressourcen für unseren Konsum. Dies führt zur Erschöpfung der Ressourcen – denn wir verbrauchen sie schneller, als sie sich regenerieren. Für die Wissenschaft „gibt es nur eine Lösung, um die planetaren Grenzen wiederherzustellen und die weltweiten Ökosysteme nicht zu gefährden: die Kreislaufwirtschaft“. Denn „ihr generatives Modell reduziert den Verbrauch von Grundstoffen, verlängert die Lebensdauer von Produkten, bekämpft Umweltverschmutzung und regeneriert die natürlichen Systeme“, bekräftigt Edoardo Chiarotti.
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Schweizweit entstehen verschiedene Initiativen für ein Kreislaufwirtschaftsmodell. Dazu zählt auch die Online-Handelsplattform QoQa, die bei der Auswahl und dem Vertrieb ihrer Produkte auf kurze Wege setzt. Doch trotz dieser Bemühungen ist die Schweizer Wirtschaft nach wie vor weitgehend linear geprägt. Edoardo Chiarotti zufolge schlägt sich dies in einem hohen CO2-Fussabdruck nieder: „Mit unserem Lebensstil stossen wir insgesamt 12 bis 15 Tonnen CO2 pro Jahr und Einwohnerin bzw. Einwohner aus.1 Das ist mit der höchste Durchschnittswert in ganz Europa. Einer der Hauptverursacher ist das Flugzeug. Die Schweizerinnen und Schweizer fliegen dreimal so oft wie die Bevölkerung der Nachbarländer, um in die grossen europäischen Städte zu gelangen.2 Dieses Verhalten ist hauptsächlich auf den Zusammenhang zwischen höherem Einkommen und einem grösseren individuellen CO2-Fussabdruck zurückzuführen.3
Zwei mögliche Szenarien für die Zukunft
In diesem Zusammenhang gibt es Edoardo Chiarotti zufolge auf europäischer Ebene zwei Hypothesen: ein pessimistisches Szenario – Business as usual – in dem die lineare Wirtschaft weiter vorherrscht. Wenig überraschend: Bei diesem Kurs „ist esselbst bei einem pessimistischen Szenario von +2 °C unmöglich, das Netto-Null-Ziel bis 2050 zu erreichen“, erläutert der Forscher.
Bei einem alternativen Szenario dagegen, mit einem schrittweisen Übergang zur Kreislaufwirtschaft, „können wir unsere Emissionen viel schneller senken und zwischen 2040 und 2045 Netto-Null erreichen“.4
Wie gelangen wir konkret dorthin? Insbesondere durch eine deutliche Reduzierung der Nachfrage nach Rohstoffen: beispielsweise durch Wiederverwendung vorhandener Materialien für neue Produkte, trotz steigender Nachfrage nach Mineralien wie Lithium, das in Batterien von Elektrofahrzeugen enthalten ist. Wenn wir den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft fördern, „halbiert sich die Grundstoffnachfrage bis 2050“,5 erläutert Edoardo Chiarotti. Zahlreiche Branchen wie etwa der Automobil- und der Luxussektor dürften bald zur Kreislaufwirtschaft übergehen. „Dazu tragen eine immer strengere Regulierung sowie die sich bietenden wirtschaftlichen Chancen bei“.6 Das Recycling seltener Metalle etwa führt zur Minderung der Risiken im Zusammenhang mit der Abhängigkeit von Rohstoffen wie in China oder Afrika – seien es Preisschwankungen, mögliche Engpässe oder geopolitische Probleme bei der Beschaffung.
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QoQa und seine Community: ein innovatives Kreislaufmodell
Die Frage, wie sich der Übergang vollzieht und wie sich die Unternehmen anpassen, bleibt jedoch weiterhin offen. Das Unternehmen QoQa in der Schweiz ist eine Online-Plattform für den Verkauf von Produkten und Erfahrungen. Es zählt zu den Akteuren, die den Übergang zu einer nachhaltigeren Wirtschaft vorantreiben. Der Gründer Pascal Meyer erklärt: „Auf QoQa gibt es regelmässig Angebote in Zusammenarbeit mit lokalen oder nationalen Marken. Ausserdem ist die vollständige Rückverfolgbarkeit der zum Verkauf angebotenen Produkte samt gesicherter Zertifizierung der Rohstoffe gewährleistet.“ Initiativen, die von vielen Schweizerinnen und Schweizern verfolgt und geschätzt werden – die QoQa-Community zählt mittlerweile 1,1 Millionen engagierte Mitglieder.
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Die Initiativen von QoQa für Nachhaltigkeit hören damit nicht auf: nachhaltigere, leicht reparierbare Produkte, um die geplante Obsoleszenz zu bekämpfen; erweiterte Garantien, um die Nutzungsdauer der Produkte zu verlängern; Handelspartner, die mit kurzen Wegen arbeiten usw. „65% der auf QoQa angebotenen Produkte werden in der Schweiz oder in Europa hergestellt“, erläutert Pascal Meyer. Er bemerkt auch das Aufkommen eines neuen Konsumparadigmas und stellt eine „Demokratisierung des Produktverleihs“ fest.
Verleih und Wiederaufbereitung für einen nachhaltigen Konsum
Bei unseren französischen Nachbarn haben einige grosse Vertriebsmarken einen anderen Weg in Richtung Kreislaufwirtschaft eingeschlagen: Sie bieten ihren Kundinnen und Kunden seit mehreren Jahren den Ausrüstungsverleih7 als ökologische Alternative zum Kauf an. Seit 2022 verfügt Leroy Merlin über ein Angebot für den tageweisen Verleih von Heimwerker- und Gartengeräten.8 Der Sportausstatter Decathlon wiederum zeigt sich mit seinem Übergangsplan in Richtung Kreislaufwirtschaft äusserst engagiert:9 Verleih von Fahrrädern, Ski oder auch Fitnessgeräten sowie Rücknahme und Reparatur von Produkten.10
Der Online-Elektronikmarkt Back Market hat das Kreislaufmodell noch stärker weiterentwickelt und bietet ausschliesslich reparierte und generalüberholte Smartphones, Tablets und Laptops zum Verkauf an: eine heilsame und vor allem unverzichtbare Initiative. Der CO2-Fussabdruck eines iPhones wird über den gesamten Lebenszyklus auf 50 bis 76 kg CO2 geschätzt.11 Davon entstehen 75% während der Design- und Vertriebsphase des Produkts, also noch bevor es der Kunde erhält.12
Pascal Meyer zufolge „müssen Unternehmen proaktiv sein und die Verbrauchergemeinschaften dazu bewegen, nachhaltigere Produkte aus der Kreislaufwirtschaft zu bevorzugen“. Er betont, dass ein energischer Übergang zu einem nachhaltigen Wirtschaftsmodell heute entscheidend ist, um die Netto-Null-Ziele bis 2050 zu erreichen. „Der Aufklärungsbedarf ist gross“, erklärt er.
Glücklicherweise findet der Übergang zu einer CLIC®-Wirtschaft, die Circular (kreislauforientiert), Lean (effizient), Inclusive (integrativ) und Clean (sauber) ist, definitiv bereits statt. Und er beschleunigt sich. Elise Beaufils, Deputy Head of Sustainability Research bei holistiQ Investment Partners (holistiQ), Lombard Odier Investment Managers (LOIM), bestätigt das: „In vier grossen Systemen erfolgt eine umfassende wirtschaftliche Umstrukturierung: im Energiebereich, bei den Verbrauchern, bei den Grundstoffen und im Gesundheitswesen.“ Sie fügt hinzu: „Aktuell ermittelt holistiQ die Bereiche, in denen in den nächsten Jahren am ehesten Wachstum in den Schlüsselsystemen zu erwarten ist.“
Den Kunststoffsektor reformieren: eine grosse Herausforderung für den ökologischen Wandel
Im Materialsystem zählt der Kunststoffsektor zu den Branchen, die einer grundlegenden Reform bedürfen. Aktuell trägt er mit am stärksten zur weltweiten Umweltverschmutzung bei. Das gilt insbesondere für die Ozeane, die laut Ellen Macarthur Foundation bis 2050 mehr Kunststoff als Fische enthalten könnten.13 Die OECD schätzt die weltweite Kunststoffproduktion auf etwa 460 Millionen Tonnen jährlich. Diese Zahl hat sich in den letzten 30 Jahren vervierfacht. Zwei Drittel davon entfallen auf Einwegkunststoffe,14 die nach dem ersten Gebrauch weggeworfen werden. Werden nicht umgehend Massnahmen ergriffen, könnte sich diese Produktion bis 2060 verdreifachen:15 Eine Reform des Kunststoffsektors ist daher eine grosse, dringliche Herausforderung.
Die Verbannung von Plastikmüll ist somit eine Priorität für die Umwelt. Eine Lösung könnte auch hier die Kreislaufwirtschaft sein. Der Zeitpunkt ist entscheidend. Das bestätigt auch Guillaume Chapuis, Senior Investment Manager bei LOIM: „Die Kunststoff-Wertschöpfungskette und der Kunststoff selbst stehen heute an einem Wendepunkt. Von den Vereinten Nationen geführte Diskussionen brachten mehrere verbindliche Regelungen und Steuern für die Verwendung von Einwegkunststoffen auf den Weg. Sie zwingen die Wirtschaft dazu, auf eine nachhaltigere Nutzung umzustellen.“
Genau das hat sich das Pariser Start-up 900.care zur Aufgabe gemacht. Es ist auf persönliche Hygieneprodukte spezialisiert und bietet seinen Kundinnen und Kunden plastikmüllfreie Artikel. Möglich ist dies durch nachfüllbare Duschgele und Shampoos im Abo. Diese Initiative trägt Früchte: 900.care hat seit seiner Gründung vor fünf Jahren bereits über 90’000 aktive Kundinnen und Kunden gewonnen. So konnten vier Millionen Plastikbehälter eingespart werden, was 1,5 Millionen kg CO2 entspricht.
Die positiven Signale mehren sich: Zahlreiche neue Kreislaufmodelle kommen auf; zugleich achten Verbraucherinnen und Verbraucher immer stärker auf die Zusammensetzung der Plastikverpackungen.16 Ein Sinneswandel, der den Vertriebssektor zum Umlenken in die richtige Richtung zwingt: „Alle grossen Marken haben hohe Recyclingambitionen angekündigt“, so Guillaume Chapuis. Dieser Wandel ist in vielen Branchen bereits im Gange. Und er nimmt weiter an Fahrt auf – mit dem Ziel einer nachhaltigeren und umweltverträglicheren Wirtschaft.
1 Legislaturindikator: Materialfussabdruck pro Person | Bundesamt für Statistik (admin.ch)
2 COP28 : pourquoi les Suisses émettent-ils autant de CO2 ? (francetvinfo.fr)
3 Wie grün sind die Menschen in der Schweiz tatsächlich? – SWI swissinfo.ch
4 https://e4s.center/wp-content/uploads/2024/03/Chiarotti-et-al.-2024-Present-et-Avenir-de-lEconomie-Circulaire-en-Europe1.pdf
5 https://e4s.center/wp-content/uploads/2024/03/Chiarotti-et-al.-2024-Present-et-Avenir-de-lEconomie-Circulaire-en-Europe1.pdf
6 https://www.manutan.com/blog/fr/economie-circulaire/comment-la-reglementation-a-t-elle-une-influence-sur-le-deploiement-de-leconomie-circulaire-en-europe
7 Comment être rentable avec les business models circulaires? – ZeTrace – Conseil en transformation omnicommerce
8 Leroy Merlin teste la location de matériel de bricolage en ligne – Stratégie Retail > Retail - EcommerceMag.fr
9 Circulariser – Évoluer vers une économie circulaire (decathlon.fr)
10 Circulariser – Évoluer vers une économie circulaire (decathlon.fr)
11 Quel est l’empreinte carbone d’un iPhone? – Blog de Largo
12 Renouvellement des terminaux mobiles et pratiques commerciales de distribution - Eléments de réflexion – Bericht an die Regierung vom 3. Juni 2021 (Juli 2021) (arcep.fr)
13 Plastik im Meer: Fakten, Auswirkungen und neue EU-Regelungen | Themen | Europäisches Parlament (europa.eu)
14 La pollution plastique ne cesse de croître tandis que la gestion et le recyclage des déchets sont à la traîne, selon l’OCDE (oecd.org)
15 Selon l’OCDE, les déchets plastiques produits au niveau planétaire devraient presque tripler d’ici 2060 - OCDE (oecd.org)
16 20210211_Citeo_Synthese-etude-shopper.pdf
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