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    FarmED – auf dem Weg zu einer Agrarrevolution – Teil II

    Die CLIC®-Chronik: FarmED – auf dem Weg zu einer Agrarrevolution – Teil II

    Die Landwirtschaft hat ein Problem. In einer Zeit, in der die Weltbevölkerung stetig wächst, kollabiert ihre Widerstandsfähigkeit. Die modernen Anbaumethoden der Monokulturen, die in den vergangenen 70 Jahren geradezu wundersame Ertragssteigerungen ermöglicht haben1, fügen unseren Böden Schaden zu. Karge, strukturlose Böden können Wasser weniger gut aufnehmen und speichern, sodass Pflanzen Schädlingen, Hitze und Trockenheit stärker ausgesetzt sind. Studien ergaben sogar, dass industriell angebautes Getreide und Gemüse einen geringeren Nährwert aufweist2.

    Ian Wilkinson, Gründer des in Oxfordshire ansässigen Unternehmens FarmED und Eigentümer der Honeydale Farm, ist überzeugt: Ein regenerativer Ansatz, der sich auf unsere Böden fokussiert, ist der Schlüssel zu einer Lösung für die Landwirtschaft. Damit könnten wir aus seiner Sicht unsere körperliche und geistige Gesundheit, aber auch die Gesundheit unseres Planeten verbessern.

    Im zweiten Teil des Interviews spricht Ian Wilkinson über heldenhafte Regenwürmer. Und er begründet, weshalb die Fruchtfolge wieder in Mode kommen muss und die Nahrungsmittelproduktion seiner Ansicht nach vor einer Revolution stehen könnte.

    Wir müssen Bewusstsein dafür schaffen, dass es ohne gesunde Böden keine Nahrungsmittel mehr geben wird. Und ohne Nahrungsmittel wird es weder eine menschliche Existenz, noch eine Finanzwelt mehr geben

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    1. Regenwürmer sind unsichtbare und doch allgegenwärtige Superhelden: Sie nehmen eine tragende Rolle in unserem Ökosystem ein, werden aber häufig übersehen oder unterschätzt. Diese stillen Geschöpfe üben eine besondere Faszination auf Sie aus. Weshalb?

    Wir wissen, dass Regenwürmer für viele Menschen in die Kategorie Ungeziefer fallen.

    Für uns ist es denkbar einfach. Regenwürmer leben in und von organischer Materie. In gesunden Böden sind Regenwürmer zu finden, in ungesunden Böden nicht. Sind in einem Boden Regenwürmer zu finden, wissen wir also: Alles ist in Ordnung.

    Wir können das ganz einfach demonstrieren: Auf unserem Hof befindet sich ein Streifen Land, auf dem wir in konventioneller Weise Weizen anbauen und Dünger und Pestizide einbringen. Bei Betriebsbesichtigungen nehmen wir einen Spaten mit. Wir entnehmen damit ein Stück Erde von der „konventionellen“ Parzelle und eines von unseren Fruchtfolge-Parzellen. Letztere weisen Regenwürmer auf, während die konventionell bebaute Parzelle keine enthält. Das ist jedes Mal so. Aus diesem Grund lieben wir Regenwürmer.

    Eine ganzseitige Anzeige von Lombard Odier in einer Finanzzeitung mit dem Bild eines Regenwurms unter der Überschrift „Superheld“ hat uns begeistert. Der Inhalt war absolut zutreffend, und es erforderte Mut, die Anzeige in diesen Kontext zu setzen. Wir müssen Bewusstsein dafür schaffen, dass es ohne gesunde Böden keine Nahrungsmittel mehr geben wird. Und ohne Nahrungsmittel wird es weder eine menschliche Existenz, noch eine Finanzwelt mehr geben. Wir begrüssen den Realitätsbezug und Mut dieser Anzeige.

    Monokulturen auf immer den gleichen Parzellen sind in keiner Weise „konventionell“ oder „traditionell“

    2. Können Sie uns erklären, wie Sie die Parzellen mit den verschiedenen Kulturpflanzen abwechselnd bewirtschaften?

    Gerne. Zunächst aber ein Wort zur Fruchtfolge. Monokulturen auf immer den gleichen Parzellen sind in keiner Weise „konventionell“ oder „traditionell“. Seit Jahrhunderten ist bekannt, dass die Praxis der Monokulturen den Boden auslaugt und zu einer Zunahme mehrjähriger Unkräuter führt. Diese sind immer schwieriger zu entfernen, und ihre Beseitigung und Kontrolle erfordern immer grössere Mengen giftiger Chemikalien.

    Die Vorteile der Wechselkultur sind hingegen seit etwa 6000 v. Chr. bekannt, als die Bauern im Nahen Osten eine einfache Fruchtfolge mit zwei Feldern praktizierten. Die vierjährige Fruchtfolge – Weizen, Rüben, Gerste, Klee – wurde hierzulande im frühen 18. Jahrhundert durch einen Landwirt namens Charles Townshend populär. Die Produktivitätsgewinne aus dieser Anbaumethode trugen zur landwirtschaftlichen Revolution bei, die in den darauffolgenden Jahren stattfand.

    Wir sehen die Fruchtfolge als Teil des Prozesses zur Wiederherstellung der Fruchtbarkeit unserer Böden. Unser System basiert auf den Bedingungen vor Ort und den besonderen Bedürfnissen des Bodens in unserem Betrieb. Wir setzen auf eine achtjährige Fruchtfolge. In den ersten vier Jahren bauen wir mehrjährige Pflanzen an. Hierbei handelt es sich um die Phase der Kohlenstoffbindung. Die Atmosphäre weist zu viel Kohlenstoff auf, der eigentlich im Boden gebunden sein sollte. Der Prozess, durch den er dorthin gelangt, nennt sich Photosynthese. Anschliessend nutzen wir die in den ersten vier Jahren der Fruchtfolge aufgebaute Fruchtbarkeit für den Anbau von Weizen und Hafer. Danach kehren wir wieder zur Erholungsphase zurück.

    Bei der Beurteilung des Erfolgs unserer Art der regenerativen Landwirtschaft darf nicht vergessen werden, dass wir in den zehn Jahren, in denen wir auf dem Hof tätig sind, nicht nur Ernteerträge erwirtschaftet haben. Wir haben auch die Fruchtbarkeit unseres Bodens verbessert: Von einem sehr ausgelaugten Zustand herkommend ist der Boden nun etwa auf halbem Weg dort, wo er unserer Meinung nach sein sollte.


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    3. Seit den 1980er-Jahren hat sich ein Wandel hin zu nachhaltigeren Methoden der Landwirtschaft vollzogen. Wie beschleunigte sich dieser Wandel Ihrer Ansicht nach seit der Gründung von FarmED?

    Wir haben den Eindruck, dass erst in den letzten zehn Jahren ein breiteres Verständnis für das Thema entstanden ist. Die Sorge um die Natur und die Gesundheit der Böden kommt auf unterschiedliche Weise zum Ausdruck.

    • Es kam zu tiefgreifenden Veränderungen bei den staatlichen Anreizen. Der neue Ansatz der Regierung wird häufig in dem Slogan „öffentliches Geld für öffentliche Güter“ zusammengefasst. Früher hat sie die Produktion in Gebieten unterstützt, die kaum rentabel waren, wie z.B. die Schafzucht in den walisischen Hochweiden. Heute geht es bei staatlichen Subventionen stets um ökologische Verantwortung.
    • Landwirtschaftliche Systeme und die Umwelt gewinnen in den Lehrplänen der Schulen zunehmend an Bedeutung, wie wir anhand der immer zahlreicheren Schulbesuche bei FarmED feststellen können.
    • Steigendes Interesse, Nahrungsmittel selbst herzustellen. Während des Lockdowns verkauften die Saatguthändler zum ersten Mal mehr Obst- und Gemüsesamen als Blumensamen. Bisher gibt es keinerlei Anzeichen für eine Trendumkehr.
    • Die Umweltsorgen in der Öffentlichkeit sind überall zu spüren. So sieht man heute immer mal wieder Menschen auf der Strasse, die T-Shirts mit der Aufschrift „SAVE THE BEES“ (Rettet die Bienen) tragen.
    • Bei FarmED treffen wir auf Gärtner und Kleinbauern, aber zunehmend auch auf grosse Landwirtschaftsbetriebe mit Tausenden oder Zehntausenden von Hektar. Diese Betriebsleiter wollen ernsthafte Alternativen zum aktuellen Paradigma der Agrarindustrie thematisieren.

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    4. Es gibt Verfechter der Ansicht, dass Investitionen in nachhaltige landwirtschaftliche Praktiken wie die regenerative Landwirtschaft weniger renditeträchtig sind als Investitionen in die traditionelle Landwirtschaft. Was halten Sie davon?

    Das ist ein sehr komplexes Thema. Die Landwirtschaft hat eigene ökonomische Prinzipien. Sie ist äusserst kapitalintensiv, da Land teuer ist. Einige Ländereien befinden sich seit Jahrhunderten in Familienbesitz; andere wurden erst vor Kurzem mithilfe von Krediten erworben. Dadurch ist der Druck sehr hoch, die Erträge aus dem landwirtschaftlichen Betrieb zu maximieren. Denn die Kredite müssen bedient werden.

    Die Landwirte wurden bislang ermutigt, maximale Ernteerträge und maximalen Profit als Selbstzweck zu erachten.

    Die regenerative Landwirtschaft steckt noch in den Kinderschuhen. Wir lernen kontinuierlich dazu. Noch ist die regenerative Landwirtschaft nicht ausgereift – deshalb bitten wir die Kritiker, mit ihrem Urteil etwas zu warten

    Mächtige Einzelhandelsunternehmen beherrschen zunehmend den Markt für landwirtschaftliche Erzeugnisse. Diese stehen in hartem Wettbewerb zueinander. Schliesslich gilt es, Lebensmittel zu möglichst niedrigen Preisen zu verkaufen, gleichzeitig aber eine hohe Gewinnmarge zu erzielen und so die eigenen Betriebskosten zu decken und den Aktionären Dividenden auszuschütten. Die Landwirte müssen sich hingegen oft mit Preisen begnügen, die gerade einmal ihre Produktionskosten decken – oder gar darunter liegen. In einem derartigen Umfeld kommt dem Überlebenskampf eine grössere Bedeutung zu als der langfristigen Bodengesundheit.

    Man weiss, dass diese Situation unhaltbar ist und Alternativen gefunden werden müssen. Jungen Menschen bleibt der Einstieg in die Landwirtschaft verwehrt, weil Land unerschwinglich geworden ist. Ältere Landwirte hingegen kapitulieren vor den mittlerweile zu geringen Gewinnspannen. Institutionen zahlen Höchstpreise für Land, um Programme zur Kompensation von Treibhausgasemissionen zu unterstützen. Diese Flächen werden jedoch der landwirtschaftlichen Produktion entzogen, wodurch sich eine bereits schwierige Situation weiter verschärft.

    Wir würden die heutige „traditionelle Landwirtschaft“ in keiner Weise als traditionell beschreiben. Vielmehr handelt es sich um eine Abkehr von einer langen Tradition. Diese Abkehr entstand erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

    Die sogenannte traditionelle Landwirtschaft produziert zugegebenermassen in Bezug auf den Ertrag pro Hektar mehr als die regenerative Alternative. Allerdings wagen wir zu bezweifeln, dass die Qualität der Produkte, gemessen am Nährwert, an die unsrige auch nur ansatzweise heranreicht. Zugleich sind die ökologischen Kosten immens.

    Die regenerative Landwirtschaft steckt noch in den Kinderschuhen. Wir lernen kontinuierlich dazu. Noch ist die regenerative Landwirtschaft nicht ausgereift – deshalb bitten wir die Kritiker, mit ihrem Urteil etwas zu warten.

    Abschliessend möchten wir auf eine verborgene Ressource in der regenerativen Landwirtschaft hinweisen, die reichlich vorhanden, aber nur schwer in Geld zu messen ist: den guten Willen und die Begeisterung einer wachsenden Zahl von Anhängern. Die Gesamtleistung der Honeydale Farm besteht nicht nur aus unseren mittels Fruchtfolgen erzielten Ernteerträgen – oder unseren Bäumen. Sie beinhaltet auch die Erzeugnisse der Kleinstbetriebe unseres Hofes. Von diesen ist die Gärtnerei der grösste; hier engagieren sich vor allem Freiwillige. Sie sind so überzeugt von unserer Philosophie, dass sie bereit sind, bei Wind und Wetter, Sommer wie Winter, ohne finanzielle Entlohnung ihre Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen.

    Wenn wir einen Blick über das Tal auf die „traditionellen“ Bauernhöfe auf dem gegenüberliegenden Hügel werfen, können wir nichts von dem ökologischen Reichtum und der Schönheit erkennen, die uns hier erfreuen. Stattdessen gibt es nur rudimentäre Hecken; Wildblumen sind die absolute Ausnahme, und Vögel machen sich rar. Genauso wenig gibt es dort freiwillige Helfer.

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    Wir können mittlerweile auf gesamtgesellschaftlicher Ebene eine Revolution in der Abfallwirtschaft beobachten. Vor fünfzehn Jahren warfen wir unsere Abfälle einfach in die Tonne, ohne gross darüber nachzudenken. Letztlich landeten sie dann einfach auf Müllhalden. Wenn wir heute zurückschauen, müssen wir uns fragen, wie wir derart verschwenderisch sein konnten. Heute werfen wir Grünabfälle in die dafür vorgesehene Tonne, Wiederverwertbares in die Recyclingtonne und Flaschen in die entsprechenden Container. Der Rest – weniger als zehn Prozent des Gesamtvolumens – landet auf der Deponie.

    Wir glauben, dass wir bei der Art und Weise, wie wir Nahrungsmittel künftig produzieren, konsumieren und wertschätzen, kurz vor einer ähnlichen Revolution stehen. In fünfzehn Jahren konsumieren wir vielleicht mehr Obst und Gemüse. Und weniger, aber vielfältigeres Getreide – für unseren Konsum und nicht für die Massentierhaltung. Und wir produzieren weniger, dafür aber besseres Fleisch. Zugleich werden wir mehr Freiwilligenarbeit innerhalb des landwirtschaftlichen Prozesses beobachten. Dies könnte verbesserter körperlicher wie geistiger Gesundheit führen – und auch unsere Planet würde profitieren.


     

    Crop Yields - Our World in Data
    Fruits and vegetables are less nutritious than they used to be | National Geographic

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