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    Analyse der Inflationstrends in einem sich ändernden Zinszyklus

    Analyse der Inflationstrends in einem sich ändernden Zinszyklus
    Samy Chaar - Chefökonom und CIO Schweiz

    Samy Chaar

    Chefökonom und CIO Schweiz

    Kernpunkte

    • Der US-VPI ist überraschend hoch ausgefallen. Dennoch setzt sich der Disinflationstrend fort, wie an anderen Kennzahlen für die Inflation in den USA und weltweit abzulesen ist.
    • Wir können nicht ausschliessen, dass ein erneuter Angebotsschock, möglicherweise ausgelöst durch geopolitische Risiken, die Inflation in die Höhe treibt. Ein Nachfrageschock scheint weniger wahrscheinlich, vor allem ausserhalb der USA.
    • Die Fed wird die Zinsen unseres Erachtens in diesem Jahr um 75 Bp. reduzieren. Von der Europäischen Zentralbank und der Bank of England erwarten wir Zinssenkungen um je 100 Bp. und von der Schweizerischen Nationalbank um weitere 50 Bp.
    • Wir bekräftigen, dass es an der Zeit ist, sich die aktuell attraktiven Renditen von Staatsanleihen zu sichern. Wir belassen Aktien auf strategischen Niveaus und behalten die Übergewichtung des US-Dollar in den Portfolios bei.

    Der US-Verbraucherpreisindex (VPI) trotzt der allgemeinen Normalisierung der Preise in aller Welt. Wir rechnen immer noch mit US-Zinssenkungen im zweiten Halbjahr 2024. Europa, die Schweiz und das Vereinigte Königreich dürften zuerst handeln. Die geopolitischen Risiken bleiben hoch, haben vorerst aber nur begrenzte Folgen für die Inflation.

    Was geschieht mit der US-Inflation? Der Verbraucherpreisindex ist das dritte Mal in Folge hoch ausgefallen. Dadurch verzögern sich Zinssenkungen noch weiter, und sogar eine Zinserhöhung scheint nicht ausgeschlossen. Anfang des Jahres gingen die Märkte von sechs oder sieben Zinssenkungen im Jahr 2024 aus, jetzt nur noch von einer oder zwei. Die beharrliche Inflation der Dienstleistungspreise schürt Bedenken, dass der Rückgang des Gesamt-VPI einen Prozentpunkt über dem Zielwert gestoppt haben könnte. Die Inflation bei Kerndienstleistungen ist im März sogar wieder gestiegen.

     

    Eine aufgeschobene Normalisierung?

    Einer der Trends in den aktuellen VPI-Zahlen könnte eine aufgeschobene Normalisierung von den Schocks aus der Zeit der Pandemie sein. Die Wohnkosten bewegten sich in den offiziellen Inflationszahlen nur langsam nach oben, nachdem die Mieten bei Neuverträgen während der Pandemie in die Höhe geschossen waren. Nun ist die Inflation der Mieten für neue Mieter stark gefallen, und die Veränderung könnte sich erneut nur schleppend in den offiziellen Inflationsindizes zeigen. Auch die Autopreise stiegen stark, weil Teile während und nach der Pandemie schwierig zu beschaffen waren. Nun holen die Kosten für Dienstleistungen rund ums Auto, zum Beispiel für Versicherungen, möglicherweise auf.

    Der VPI ist so etwas wie ein Ausreisser unter den US-Inflationskennzahlen

    Viele andere wichtige Komponenten der US-Inflation, unter anderem die Lebensmittelpreise, sinken unterdessen, und die Warenpreise zeigen eine deutliche Deflation. Der VPI ist zudem so etwas wie ein Ausreisser unter den US-Inflationskennzahlen. Der Produzentenpreisindex für März fiel etwas niedriger aus als erwartet. Der aktuelle Index der privaten Konsumausgaben (PCE), der bevorzugte Index der US-Notenbank Fed, liegt etwa einen Prozentpunkt unter dem VPI. Dies gilt sowohl für die Gesamt- als auch für die Kernrate.

     

    Löhne genau im Blick

    Eine wichtige Kennzahl, welche die Notenbanken der Industrieländer genau im Blick haben, ist die an die Löhne gekoppelte Inflation. Bei dieser hat unseres Erachtens eine Normalisierung eingesetzt. Der US-Arbeitsmarkt bleibt zwar sehr stark, was sich an der hohen Zahl der neu geschaffenen Stellen und der niedrigen Arbeitslosigkeit zeigt. Trotzdem befindet er sich auf dem Weg zu einem neuen Gleichgewicht. Die durchschnittlichen Stundenlöhne sinken, und die Zahl der Personen, die ihre Stelle kündigen, liegt stabil knapp unter dem Vorpandemie-Durchschnitt. Die Erwerbsbevölkerung ist gewachsen, und die Produktivität ist gestiegen. Alle vier Indikatoren des US-Lohnwachstums zeigen einen Rückgang in den Bereich von 3% bis 4% an. Dieses Niveau steht mit einer Gesamtinflation im Bereich des 2%-Ziels der Fed im Einklang.

    Ist eine zweite Inflationswelle zu befürchten? Auf der Nachfrageseite wären dazu beständige Konjunkturpakete oder beständiges Lohnwachstum nötig. Doch das Lohnwachstum verlangsamt sich. Und die Konjunkturpakete dürften nicht ein Ausmass erreichen wie die Hilfspakete während der Pandemie oder wie die Gesetzesinitiativen der letzten Jahre. Beispiele hierfür sind der Inflation Reduction Act, der Chips and Science Act, der Infrastructure Investment and Jobs Act sowie der American Rescue Plan Act.

     

    Beurteilung der geopolitischen Risiken

    Auf der Angebotsseite ist ein erneuter Schock, allenfalls ausgelöst durch geopolitische Risiken, nicht auszuschliessen. Neben dem Szenario einer breiteren militärischen Eskalation im Nahen Osten könnten sich diese Risiken unseres Erachtens auf zwei Arten auf die Inflation auswirken: zum einen durch steigende Energiepreise, zum anderen durch weitere Störungen oder eine Neuorganisation der globalen Lieferketten. Was den ersten Punkt angeht, verfügen Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate über bedeutende freie Ölförderkapazitäten, während die Kapazitäten in den USA eher begrenzt sind. Durch die Nutzung dieser Kapazitäten könnten sich kurzfristige Preisverwerfungen ausgleichen lassen. Wir haben den Einfluss der geopolitischen Risikoszenarien auf die Ölpreise erörtert. 

    Auf der Angebotsseite ist ein erneuter Schock, allenfalls ausgelöst durch geopolitische Risiken, nicht auszuschliessen

    Ausserdem stellen wir bereits eine Neuorganisation der globalen Lieferketten fest. Massgeblich sind dabei nationale Interessen wie Risikoreduzierung, Sicherung des Angebots sowie Handel mit und Investitionen bei Verbündeten. An drei Stellen im Nahen Osten könnte der Welthandel in einen Würgegriff geraten. Diese sind die Strasse von Hormuz, der Suezkanal und die Bab-al-Mandeb-Meerenge. In der Vergangenheit hatten Konflikte in der Region zwar geringe Auswirkungen für globale Anleger. Von einer schwereren Eskalation, die Mächte ausserhalb des Nahen Ostens in den Konflikt involviert, gehen jedoch weiterhin bedeutende Risiken aus. Eine Ausweitung bestehender Konflikte und „Blockdenken“ bleiben jedoch unsere Arbeitshypothesen.

    Der aktuelle Anstieg der Energiepreise macht Schlagzeilen. Die Fed wird aber wohl erst reagieren, wenn ein starker Ausschlag die Inflationserwartungen der Verbraucherinnen und Verbraucher entgleisen lässt. Einstweilen sind diese Erwartungen jedoch relativ stabil. Wir achten weiterhin auf Anzeichen für eine stärkere Angebotsstörung oder eine Belebung am Arbeitsmarkt. Allerdings ist keines von beiden unser Basisszenario.

    Die solide Nachfrage in der US-Wirtschaft könnte dazu führen, dass die Inflation im Dienstleistungssektor für längere Zeit höher bleibt

    Zinsen dürften im zweiten Halbjahr sinken

    Dennoch könnte die solide Nachfrage in der US-Wirtschaft dazu führen, dass die Inflation im Dienstleistungssektor für längere Zeit höher bleibt. Dadurch nimmt für die Fed der Handlungsbedarf bezüglich Zinssenkungen ab. Wir erwarten weiterhin einen Rückgang der Gesamtinflation im Jahr 2024 auf durchschnittlich 2,7%, was eine gewisse Lockerung der Geldpolitik in diesem Jahr ermöglichen würde. Wir rechnen für 2024 mit drei Zinssenkungen um je 25 Basispunkte (Bp.). Dies ist aber von den anstehenden Daten zur Inflation sowie zur Stärke des Arbeits- und Wohnimmobilienmarkts sowie von etwaigen Anzeichen für Schwierigkeiten im Finanzsektor abhängig. Wenn möglich, wird die Fed vermeiden wollen, die Zinsen unmittelbar vor der Präsidentschaftswahl zu senken. Denn sie befürchtet, dann möglicherweise in politische Auseinandersetzungen hineinzugeraten. Dies könnte für eine erste Zinssenkung im Juli sprechen, sofern die Daten günstig sind.

    Wir erwarten weiterhin einen Rückgang der Gesamtinflation im Jahr 2024 auf durchschnittlich 2,7%, was eine gewisse Lockerung der Geldpolitik in diesem Jahr ermöglichen würde

    Entwicklung in den USA auch in Bezug auf die Inflation aussergewöhnlich

    Die USA entziehen sich den weltweiten Inflationstrends deutlich. In diesem Jahr war die Inflation weltweit niedriger als erwartet. Sie hat sich sukzessive normalisiert, während sich die Weltwirtschaft von einer Reihe von Schocks erholte. Diese reichten von Lieferkettenstörungen bis hin zu den höheren Energiepreisen nach Russlands Einmarsch in die Ukraine. Die Trends in den USA stimmen weitgehend mit denen in anderen Regionen überein. Doch anders als in anderen Regionen ist die Inflation in den USA auch aufgrund des nachfragebedingten Preisdrucks gestiegen. Die US-Regierung bot privaten Haushalten mehr finanzielle Unterstützung, die dann zu höheren Verbraucherausgaben führte.

    In diesem Jahr war die Inflation weltweit niedriger als erwartet

    In Europa scheint mehr für Zinssenkungen zu sprechen als in den USA. An der Sitzung im März ebnete die Europäische Zentralbank (EZB) den Weg für eine Zinssenkung im Juni. Die Inflation in der Eurozone fiel im März mit 2,4% niedriger aus als erwartet. Das Wachstum liegt deutlich unter dem Trend, und in Europa hat der Fertigungssektor weiter mit Schwierigkeiten zu kämpfen, während er sich in den USA erholt. In der Eurozone spielen Banken bei der Kreditvergabe an Unternehmen eine grössere Rolle als in den USA. Zudem zeigen Umfragen, dass die Kreditkonditionen noch immer restriktiver werden und die Kreditnachfrage sinkt.

    Im Vereinigten Königreich dürfte die Bank of England (BoE) die Zinsen ebenfalls im Juni senken. Die Inflation im Dienstleistungssektor ist nach wie vor höher als in den USA, was auch am angespannteren Arbeitsmarkt und am geringeren Produktivitätsanstieg liegt. Gleichwohl sinkt sie, ebenso die Gesamtinflation. Die Konjunktur ist auch schwach. In der Schweiz, die ihren Zinssenkungszyklus bereits eingeläutet hat, gibt die Inflation zügig nach. Wir rechnen mit einer zweiten Zinssenkung um 50 Bp. im Juni.

    Eine Übergewichtung des US-Dollar eignet sich auch als Absicherung gegen eine für längere Zeit höhere US-Inflation und hohe geopolitische Risiken

    Ausrichtung auf den US-Dollar und Sicherung attraktiver Anleihenrenditen

    Was bedeutet die veränderte Inflations- und Zinsdynamik für unsere Anlagenpositionierung? Wir sind der Meinung, dass es Zeit ist, sich die attraktiven Renditen erstklassiger Staatsanleihen zu sichern. Dazu zählen jene in den USA (die nach dem VPI-Bericht stiegen), in der Eurozone und im Vereinigten Königreich. Wir belassen Aktien auf strategischen Niveaus. Dabei wägen wir ab zwischen der besseren Konjunktur und Zinssenkungen einerseits sowie der sehr positiven Anlegerstimmung und hohen Bewertungen andererseits. Ausserdem fliessen das Volatilitätsrisiko und die Gefahr von Korrekturen, die sich aus den Entwicklungen im Nahen Osten ergeben, in unsere Betrachtung ein.

    Die schon länger bestehende Übergewichtung des US-Dollar in unseren Portfolios geht auf das überdurchschnittliche US-Wachstum und den Renditevorteil des US-Dollar zurück. Letzterer wird nur noch grösser werden, wenn die Fed die Zinsen später senkt als die Notenbanken diesseits des Atlantiks. Eine Übergewichtung des US-Dollar eignet sich auch als Absicherung gegen eine für längere Zeit höhere US-Inflation und sehr hohe geopolitische Risiken.

    Wichtige Hinweise.

    Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende

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