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Die US-Bankenkrise vom März dürfte noch länger andauern
Kernpunkte
- US-Banken erzielten im ersten Quartal solide Gewinne, aber die Sorgen über die Bilanzen kleinerer Kreditgeber halten an.
- Die Schritte der Fed zur Eindämmung einer Ansteckung im Finanzsektor haben geholfen; weitere Massnahmen könnten höhere Einlagensicherungen umfassen. Die zu erwartende strengere Regulierung wird jedoch die Rentabilität der US-Banken belasten.
- Die restriktiveren Kreditbedingungen bremsen die Wirtschaftstätigkeit. Unseres Erachtens steigt deshalb die Wahrscheinlichkeit einer leichten US-Rezession.
- Auch wenn sich das Risiko einer Ansteckung auf kleinere Kreditgeber zu beschränken scheint, bleiben wir gegenüber dem US-Bankensektor vorsichtig und bevorzugen europäische Bankaktien.
Die Bankenkrise vom März ist noch nicht vorbei. Die Anlegerinnen und Anleger beobachten die US-Bankaktien genau, da die Sorgen über Einlagenabflüsse bei regionalen Kreditgebern fortdauern. Höhere Zinsen und strengere Kreditbedingungen schränken die Fähigkeit kleinerer Kreditgeber ein, ihre Bilanzen zu stärken. Zudem sehen sich alle US-Banken mit der Möglichkeit höherer Regulierungskosten konfrontiert. Die Krise scheint allerdings begrenzt zu sein, und der europäische Bankensektor ist wesentlich gesünder.
Trotz Bedenken haben die US-Banken in den ersten drei Monaten des Jahres 2023 solide Gewinne erzielt. Dies ist vor allem den höheren Zinsen zu verdanken, die zu einem Anstieg des Zinserfolgs von 33% und einer Verbesserung der Erträge von 15% geführt haben. Die Schätzungen für den Gewinn je Aktie wurden jedoch leicht nach unten korrigiert, da die Anleger die Prognosen eines niedrigeren Zinserfolgs berücksichtigten. Viele Banken berichten, dass sie angesichts der derzeitigen wirtschaftlichen Unsicherheiten und steigender Regulierungskosten die Aktienrückkäufe stoppen oder zumindest das Tempo verlangsamen wollen.
Überschattet wurden die Quartalsergebnisse indessen von Sorgen um die Bilanzen. Im März sind die Silicon Valley Bank, die Silvergate Bank und die Signature Bank zusammengebrochen. Die US-Notenbank Fed hat daraufhin Massnahmen ergriffen, um die Ängste der Anleger einzudämmen, und scheint damit erfolgreich. Sie führte eine Kreditfazilität ein, um den Banken Zugang zu Liquidität zu verschaffen und ihnen zu helfen, die Nachfrage ihrer Kunden nach Bargeld zu erfüllen. Dann schaltete sich JP Morgan ein und kaufte am 1. Mai die Vermögenswerte der First Republic Bank. Letzte Woche verkündete die Pacific Western Bank den Abzug von 9,5% ihrer Einlagen, nachdem gemeldet worden war, dass die Bank ihre Optionen prüfe und Gespräche mit möglichen Investoren führe.
Wie lässt sich diese negative Dynamik durchbrechen? Die Federal Deposit Insurance Corporation (FDIC) prüft Optionen, um die bestehende Einlagensicherung von USD 250’000 anzuheben und so das Vertrauen der Kunden in das Bankensystem zu stärken. Banken mit einem hohen Einlagenbestand über diesem Schwellenwert, einschliesslich der Pacific Western Bank, haben bisher die Hauptlast der Abflüsse getragen. Die Kunden platzierten das abgezogene Geld meist bei grösseren Instituten (siehe Grafik 1). Die von der FDIC bevorzugte Option scheint eine Erhöhung der Garantie für bestimmte Segmente zu sein, insbesondere für Zahlungskonten von Unternehmen. Die staatliche Versicherung deckt bereits eine Rekordsumme von USD 10,4 Bio. an Kundeneinlagen ab. Jede Änderung der Versicherungsobergrenze, inklusive der Aufhebung der Obergrenze, würde die Zustimmung des Kongresses erfordern. Dies birgt ein politisches Risiko in einer Zeit, da die Schuldenobergrenze des Landes infrage steht.
Zudem würden strengere regulatorische Anforderungen die Rentabilität der Banken in den USA belasten. Sie würden vor allem Kreditgeber mit Vermögenswerten von weniger als USD 250 Mrd. treffen. Diese Banken profitieren von einer lockereren Regulierung: Beispielsweise unterliegen sie nicht den US-amerikanischen „Total Loss Absorbing Capital“-Anforderungen (TLAC) aus dem Jahr 2015. Diese sollen sicherstellen, dass systemrelevante Banken über ausreichendes Eigenkapital verfügen, um Verluste zu absorbieren („Bail-in“), anstatt auf eine staatliche Rettung („Bail-out“) angewiesen zu sein. Grosse US-Banken und die meisten europäischen Kreditgeber jeder Grösse unterliegen bereits den „Bailable debt“-Anforderungen. Dies dürfte sich ändern. Eine strengere Regulierung könnte dazu führen, dass Banken Kapital aufbauen, was wiederum das Kreditwachstum bremst. Wenn die Einführung schrittweise über mehrere Jahre erfolgt, dürfte sie verkraftbar sein.
Noch lässt sich nicht beurteilen, ob wir die letzte US-Bankpleite erlebt haben. Zugleich sehen wir keine Anzeichen für eine Ansteckung über den ganzen US-Bankensektor hinweg und für entsprechende weitreichende Schäden für die Wirtschaft.
Straffere Geldpolitik, strengere Kreditbedingungen
Aus makroökonomischer Sicht könnte eine restriktivere Kreditvergabe dazu führen, dass sich die Wahrscheinlichkeit einer leichten US-Rezession vor Ende 2023 erhöht. Die Kreditkonditionen stehen nun im Einklang mit früheren Abschwüngen. Schwächen zeigen sich in den zinsempfindlichsten Wirtschaftssektoren wie dem verarbeitenden Gewerbe, dem Wohnungsbau und den privaten Investitionen sowie bei den Gewerbeimmobilien. Doch die Fed ist sich der Anspannungen im Bankensystem bewusst und hat ihre Politik angepasst. Das Risiko einer weiteren aggressiven Straffung hat sich deutlich verringert: Die Fed hat am 3. Mai eine Pause signalisiert, nachdem sie den Leitzins um 25 Basispunkte auf 5,25% angehoben hat. Unserer Meinung nach dürfte dieses Zinsniveau den Höchststand in diesem Zinszyklus darstellen.
Bei den Kreditgebern, die dem Druck auf die Einlagen am stärksten ausgesetzt sind, handelt es sich um kleine und regionale Banken mit weniger als USD 250 Mrd. an Vermögenswerten. Sie spielen auch eine entscheidende Rolle bei der Finanzierung des US-Immobilienmarkts. Seit der grossen Finanzkrise haben kleine Banken ihren Anteil am Gewerbeimmobilienmarkt von 55% auf 70% aller Kredite und Leasingverträge erhöht.
Den neuesten wöchentlichen Daten der Fed zufolge verzeichnen die von kleinen Banken vergebenen Kredite kein starkes Wachstum, sind aber auch nicht eingebrochen (siehe Grafik 2). Und während Umfragen zu Darlehen bzw. unter kleinen Unternehmen auf künftig strengere Kreditbedingungen hindeuten, sehen wir kaum Hinweise für ernsthafte Risiken einer Systemkrise (siehe Grafik 3).
Im Gegensatz zu vielen früheren Konjunkturzyklen wird die derzeitige Stärke in den USA jedoch nicht durch Kredite angetrieben. Trotz der Spannungen im Bankensystem werden weiterhin Kredite abgeschlossen. Die Auswirkungen einer strafferen Geldpolitik auf die Wirtschaft insgesamt könnten somit bescheiden bleiben. Wir erwarten nach wie vor, dass die USA im weiteren Verlauf des Jahres 2023 eine leichte Rezession verzeichnen. Entsprechend dürfte die Fed die Zinserhöhungen mindestens für den Rest dieses Jahres aussetzen.
Die Folgen der Bankenkrise vom März 2023 werden noch Monate lang zu spüren sein. Der US-Bankensektor sieht sich mit starkem Gegenwind konfrontiert. Während die regionalen Kreditgeber des Landes am stärksten betroffen sein werden, dürften die grossen amerikanischen Banken relativ unbeschadet davonkommen. Selbst ohne die Ereignisse vom März steigen normalerweise in dieser Phase des Zinszyklus die Kosten für Einlagen, während sich das Einlagenwachstum verlangsamt oder sogar ins Negative dreht. Auch wenn dies zu bewältigen sein dürfte: Wir bleiben vorsichtig gegenüber US-Bankaktien, die mittelfristig mit Rentabilitätsdruck konfrontiert sind. Gründe für diesen Druck sind teurere Einlagen, höhere Gebühren für die Einlagensicherung nach den jüngsten Bankzusammenbrüchen sowie die zu erwartende strengere Regulierung.
Im globalen Finanzsektor bevorzugen wir europäische und japanische Banken. Der Bankensektor Europas scheint gesünder. Der Zinszyklus auf dem Kontinent hinkt jenem der USA hinterher. Zudem unterliegen grosse wie kleine europäische Banken bereits recht strengen Kapitalanforderungen, verfügen über liquidere Bilanzen und führen Kapital an die Aktionäre zurück. Auch japanische Kreditgeber bauen ihre Pläne für Aktienrückkäufe aus. Während die Asset-Management-Branche weiterhin mit strukturellen Herausforderungen in Form von sinkenden Gebühren konfrontiert ist, sehen wir langfristig Rückenwind für Börsenplattformen und Chancen bei Zahlungsunternehmen.
Wichtige Hinweise.
Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende
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