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Notenbanken sind angesichts der Anspannungen vorsichtig
Kernpunkte
- Die Notenbanken erhöhen weiterhin die Zinsen, um die hohe Inflation einzudämmen. Zugleich bekämpfen sie den finanziellen Stress mit verschiedenen Instrumenten, vor allem durch die Bereitstellung von Liquidität.
- Wir erwarten weiterhin, dass der Zinszyklus der Fed bei 5,5% und jener der EZB bei 3,5% den Höhepunkt erreicht und die Zinsen dann 2023 auf diesen Niveaus verharren. Doch diese Prognose hängt stark von der Stabilität im Bankensektor ab.
- Das rasche Handeln der politischen Entscheidungsträger trägt zur Wiederherstellung der Finanzstabilität bei. Zugleich könnten schärfere Kreditstandards der Banken die Nachfrage und den Preisdruck dämpfen, sodass die Notenbanken weniger zu tun haben.
Die Notenbanken in den USA, der Eurozone, der Schweiz und dem Vereinigten Königreich haben diesen Monat in einem angespannten Umfeld für den Bankensektor die Zinsen weiter erhöht. Die raschen Massnahmen der politischen Entscheidungsträger zur Bewältigung der Krise stimmen uns vorsichtig optimistisch, dass eine Ansteckung eingedämmt werden kann. Die Auswirkungen strengerer Kreditbedingungen der Banken sprechen dafür, dass sich die Zinszyklen dem Höhepunkt nähern.
Fed nähert sich dem Zinshöchststand
Die US-Notenbank Fed hat am 22. März die Zinsen um 25 Basispunkte (Bp.) angehoben, aber die Äusserungen in ihrer Erklärung waren zurückhaltender als in den Vormonaten. Ein Verweis auf „kontinuierliche Zinserhöhungen“ wurde gestrichen, was darauf hindeutet, dass die Zinsen nach den Turbulenzen bei den US-Regionalbanken kurz vor dem Höchststand stehen. Die Massnahmen der quantitativen Straffung wurden beibehalten.
Die starken Makrodaten und die Inflationszahlen seit Anfang Jahr veranlassten die Fed-Vertreter nicht dazu, ihre gesamtwirtschaftlichen Prognosen oder den Ausblick für den Zinshöchststand anzuheben. Sie räumten ein, dass die Anspannungen im Bankensektor für grosse Unsicherheit sorgen, was eine Änderung der Prognosen wahrscheinlicher macht als sonst.
An der jüngsten Sitzung stand die Fed vor einer besonders grossen Herausforderung. Ihre doppelte Aufgabe, die Inflation zu kontrollieren und gleichzeitig die Stabilität des US-Finanzsystems zu gewährleisten, ist anspruchsvoller geworden. Vor Mitte März war die Eindämmung des Preisdrucks ihr einziges wirkliches Anliegen. Dann wurde die Bewältigung von finanziellem Stress zur Priorität. Doch auch die Inflationsbekämpfung bleibt für die Fed aktuell.
Die Argumente für eine Zinserhöhung rein unter dem Aspekt der Preisstabilität waren überzeugend. Seit der letzten Sitzung der Fed haben sich die Verbrauchernachfrage, der Arbeitsmarkt und die Inflation allesamt als anhaltend stark erwiesen. Vor den jüngsten Bankenzusammenbrüchen wurde darüber diskutiert, ob eine Anhebung um 25 oder 50 Bp. angemessener wäre. Während sich die Energiepreise, die Wareninflation und die Lieferketten weitgehend normalisiert haben, ist die Dienstleistungsinflation nach wie vor zu hoch. Die Einzelhandelsumsätze scheinen weiterhin robust. Das Lohnwachstum verlangsamt sich zwar, liegt aber immer noch über einem Niveau, das mit dem Inflationsziel der Fed vereinbar ist. Die Messgrössen für die Kerninflation – ohne Lebensmittel und Energie – haben sich im Februar gegenüber dem Vormonat beschleunigt. Die anhaltende Inflation mag ein weniger akutes Problem sein als die Turbulenzen im Bankensektor, aber sie gibt weiterhin Anlass zur Sorge.
Eine duale Strategie – Zinsen und Finanzstabilität
Bis zu einem gewissen Punkt versuchen die Notenbanken natürlich nach wie vor, zwei Aufgaben gleichzeitig zu erfüllen: die Minimierung von finanziellem Stress durch Liquiditätsfazilitäten und neue Instrumente für Geschäftsbanken bei gleichzeitiger Inflationsbekämpfung durch Zinserhöhungen. Wir glauben, dass die Fed weiterhin diesen dualen Ansatz verfolgen wird. Sowohl die Europäische Zentralbank (EZB) als auch die Schweizerische Nationalbank (SNB) haben ihre Zinsen im März trotz der jüngsten Turbulenzen im Bankensektor um 50 Bp. angehoben.
Eine Pause in den Erhöhungszyklen könnten die Märkte als mangelndes Vertrauen der Notenbanken in ihre eigenen Stabilitätsmassnahmen auffassen. Zudem könnte eine Pause Befürchtungen wecken, dass die Aufsichtsbehörden mehr über versteckte Anspannungen wissen als die Anlegerinnen und Anleger. Sie hätte möglicherweise auch das Narrativ bestätigt, dass die Zinserhöhungen vorbei sind und Zinssenkungen bevorstehen. Dies hätte zu einer Rally risikoreicher Anlagen und einer Lockerung der Finanzbedingungen geführt und einen Teil der bisherigen harten Arbeit der Notenbanken zunichtegemacht.
Dies ist nicht das Jahr 2008
Wir sind der Meinung, dass die derzeitigen Risiken nicht systemischer Natur sind. Die Banken scheinen heute besser reguliert, verfügen über mehr Kapital und sind weniger in riskanteren Bereichen des Immobilienmarkts engagiert als vor der globalen Finanzkrise. Abgesehen von den gescheiterten Banken scheinen die jüngsten Probleme eher auf einem Liquiditätsmangel als auf Problemen mit der Kreditqualität (z.B. Kreditausfälle) zu gründen. Die Notenbanken haben mit ihren Massnahmen – von der Einlagensicherung für gescheiterte Banken über koordinierte Liquiditätsprogramme bis hin zur Rettung von Credit Suisse – die Probleme schnell eingedämmt. Dies auch wenn sie noch nicht alle Bedenken ausräumen konnten, z.B. durch eine Pauschalgarantie für alle US-Einlagen. In der Woche bis zum 22. März nutzten die US-Banken fast USD 54 Mrd. aus dem neuen Bank Term Funding Program der Fed und USD 110 Mrd. aus dem „Diskontfenster“, einer schon länger bestehenden Notfallkreditfazilität. Die Märkte bleiben zwar volatil, doch deuten die Indikatoren für systemischen Stress nicht auf eine weit verbreitete Ansteckung hin. Und sollten die derzeitigen Massnahmen nicht ausreichen, um die Ansteckungsgefahr einzudämmen, stehen den Notenbanken weitere Instrumente zur Verfügung, um die Stabilität wiederherzustellen.
EZB und SNB treiben Zinserhöhungen voran
In Europa erhöhte die EZB die Zinsen jüngst um 50 Bp. und hielt an den Massnahmen zur quantitativen Straffung fest. Auch sagte sie zu, den Banken Liquidität zur Verfügung zu stellen oder bei Bedarf neue Instrumente zur Bewältigung einer Ansteckung zu schaffen. Die EZB verzichtete zudem auf den in früheren Sitzungen abgegebenen Kommentar, die Zinsen weiter „in einem stetigen Tempo deutlich anzuheben“. Sie verschaffte sich so mehr Flexibilität, um auf Ereignisse reagieren zu können. Die aktualisierten EZB-Prognosen sehen nun eine deutliche Verbesserung des Wachstums auf 1,0% im Jahr 2023 vor, wobei die Inflation dieses Jahr auf 5,3% und nächstes Jahr auf 2,9% sinken soll. Wir gehen noch immer von einer weiteren Straffung aus, wobei die Zinsen den Höchststand bei 3,5% erreichen und für den Rest des Jahres auf diesem Niveau bleiben dürften.
Die SNB und die Bank of England (BoE) haben am 23. März die Zinsen um 50 bzw. 25 Bp. angehoben, letztere nach einer unliebsamen erneuten Beschleunigung der Gesamtinflation auf 10,4% im Februar. Die BoE bekräftigte, dass Hinweise auf einen anhaltenden Preisdruck weitere Anhebungen erforderlich machen könnten. SNB-Präsident Thomas Jordan blieb in Bezug auf die Inflation ebenfalls hart, obwohl er in den letzten Tagen eine Notübernahme der zweitgrössten Bank des Landes beaufsichtigt hatte. Auch er schloss eine weitere Straffung nicht aus. In vielen Industrieländern stehen die Zinsen unserer Meinung nach jedoch kurz vor einem Höchststand. Unseres Erachtens bleibt das Narrativ eines unterdurchschnittlichen Wachstums, sich entspannender Arbeitsmärkte und einer anhaltenden Disinflation bestehen, auch wenn die monatlichen Daten nicht immer diesem Narrativ entsprechen.
Risiken weiterer Anspannungen
Natürlich können unvorhergesehene Risiken auftreten. Die Eindämmung der hohen Inflation und die Zinserhöhungen im schnellsten Tempo seit Jahrzehnten dürften unvorhersehbare Folgen haben. Die jüngsten Bankenzusammenbrüche mögen das Ergebnis eines schlechten Risiko- und Bilanzmanagements gewesen sein. Doch der allgemeine Hintergrund ist eine Verknappung der Liquidität, die Risse entstehen lässt. Es könnten weitere Schwachstellen in anderen Instituten oder Märkten sichtbar werden, und die Gefahr einer Vertrauenskrise bei Einlegern und Anlegern lässt sich nie ganz ausschliessen.
Wir beobachten die Kreditbedingungen in den USA genau, vor allem bei kleinen und mittelgrossen Banken, wo der Stress am grössten ist. Bis zur nächsten US-Zinssitzung am 3. Mai dürfte noch genügend Zeit vergehen, um eine genauere Einschätzung vorzunehmen. Im Moment erwarten wir weiterhin, dass die Fed die Zinsen im Mai und im Juni um jeweils 25 Bp. auf einen Höchststand von 5,5% erhöht. Zusammenfassend lässt sich sagen: Bei ruhigen Marktbedingungen dürften die Notenbanken mit den Zinsanhebungen wie geplant fortfahren. Und im Falle einer Verschlechterung der Situation bei den Banken dürfte die Inflation schneller sinken.
Die Märkte für Fed Fund Futures implizieren Zinssenkungen bereits in der zweiten Hälfte 2023. Der Fed-Vorsitzende Jerome Powell hat sich immer wieder gegen dieses Narrativ gewehrt. Für den Moment und ohne eine Finanzkrise, die Zinssenkungen und eine quantitative Lockerung erforderlich macht, sollten die Notenbanken unseres Erachtens den Druck auf die Finanzbedingungen aufrechterhalten und dieses Jahr keine Zinssenkungen vornehmen. Sie bleiben jedoch mehr als sonst von Daten und Ereignissen abhängig.
Wichtige Hinweise.
Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende
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