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Eine Gewinnrezession? Zwischen den Zeilen der Unternehmensmeldungen lesen
Lombard Odier Private Bank
Kernpunkte
- Die Unternehmensgewinne waren im vierten Quartal schwach und gingen für S&P-500-Firmen insgesamt zurück. Die Markterwartungen für 2023 liegen nun näher an unseren eigenen Schätzungen.
- Bislang haben die Unternehmen das Kostenmanagement im Griff. Die Verbrauchernachfrage ist in vielen Ländern robust geblieben, aber die Margen könnten 2023 weiter unter Druck geraten.
- Die Gewinnsaison in Asien ist weniger weit fortgeschritten. Die Gewinnerwartungen für chinesische Unternehmen dürften für 2023 nach oben korrigiert werden.
- Im Aktiensegment bevorzugen wir Small und Mid Caps in China, den Schwellenländern und Japan, Substanzwerte sowie das Gesundheits- und Finanzwesen.
Die Unternehmensgewinne sind im vierten Quartal in allen Regionen schwach ausgefallen. Grund dafür waren eine geringere Nachfrage und höhere Inputkosten, insbesondere für Energie, Materialien und Personal. Die Umsätze hingegen wuchsen weiter und überraschten in den USA, Europa und Japan positiv. Wir analysieren, was die Unternehmensgewinne über den Zustand – oder bevorstehenden Rückgang – der Wirtschaft aussagen, und wo an den Aktienmärkten investiert werden kann.
In den USA sind die Gewinne der S&P-500-Unternehmen erstmals seit der Pandemie im Vergleich zum Vorjahr gesunken. Die Bereiche Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe, Finanzwesen, Technologie, Versorger und Kommunikationsdienste führten den Rückgang an. Die Nettogewinnmargen schrumpften das sechste Quartal in Folge. Es gab aber auch ein paar Lichtblicke. So verzeichneten Unternehmen der Sektoren Energie, Industrie und Nicht-Basiskonsumgüter ein robustes Gewinnwachstum. Eine Verlagerung der Ausgaben von Waren zu Dienstleistungen kommt Unternehmen mit kleiner Marktkapitalisierung (Small Caps) zugute. Insgesamt war die Stimmung jedoch gedrückt.
In Europa, wo bisher rund 75% der Unternehmen die Zahlen ausgewiesen haben, dürfte der Gewinn je Aktie (EPS) der Stoxx-600-Unternehmen im vierten Quartal um 4% gestiegen sein. Dazu trugen die Sektoren Energie und Finanzwesen sowie defensive Branchen wie Versorger, Basiskonsumgüter und Industrie bei. Das Umsatzwachstum von 15% war höher als erwartet. Bei den Werbeagenturen stiegen die Umsätze nach mehreren Jahren schwachen Wachstums – eine positive Überraschung. Der Energiesektor hat das Bild jedoch stark verzerrt, da die grossen Energiekonzerne 2022 Rekordgewinne verbucht haben. Klammert man Energieunternehmen aus, ergibt sich ein EPS-Rückgang europäischer Unternehmen von 3%. Und es gab noch weitere unliebsame Überraschungen. Die britischen Banken erklärten, dass der grosse Gewinnschub infolge höherer Zinsen nun vorbei sein könnte, was die Anlegerinnen und Anleger enttäuschte.
In Asien, wo die Gewinnsaison noch andauert, sehen sich die Unternehmen mit Margendruck konfrontiert. Gemäss den bisherigen Hinweisen konnten indische und japanische Unternehmen zwar im vierten Quartal die Umsätze steigern, aber die Gewinne gingen im Vergleich zum Vorjahr zurück. Das Ende der Pandemiebeschränkungen und die Wiederaufnahme des Einreise- und Ausreisetourismus wirkten sich in einigen Ländern positiv aus. Bei einigen Reiseunternehmen erreichte die Nachfrage wieder das Vorpandemie-Niveau1. Die japanischen Unternehmen erhöhten die Investitionen in Fabriken und Ausrüstung im siebten Quartal in Folge, unterstützt durch die anhaltende Wiedereröffnung und die fortgesetzte Diversifizierung der Lieferketten weg von China. Laut den bisherigen Unternehmensmeldungen gingen die Nettogewinne in Südkorea, Thailand und Taiwan zurück, während sie in Singapur und Malaysia stiegen.
Mehr zum Thema: Japans Weg zur Normalisierung der Geldpolitik | Lombard Odier
In China hat die Gewinnsaison noch nicht wirklich begonnen. Die vorläufigen Ergebnisse einiger Unternehmen, die an den Börsen von Schanghai und Shenzhen notiert sind, entsprachen den Erwartungen oder lagen leicht darunter. Chinas grosse internationale Internetfirmen überraschten mit ihren Gewinnen im Allgemeinen positiv. Die Analysten werden die Auswirkungen der Wiedereröffnung mit Spannung verfolgen, wenn die Unternehmen in den kommenden Wochen ihre Berichte vorlegen. Unseres Erachtens könnten die Gewinnerwartungen für 2023 nach oben korrigiert werden.
Da sich die Unternehmensgewinne auf die Vergangenheit beziehen, konzentrieren sich die Anleger eher auf die Prognosen der Unternehmensleitungen für das kommende Jahr. Hier haben die Analysten die Gewinnerwartungen für 2023 so stark nach unten korrigiert wie seit der globalen Finanzkrise nicht mehr. Die meisten Analysten erwarten nun, dass die Gewinne der S&P-500-Unternehmen im Jahr 2023 weitgehend stagnieren. Selbst das könnte sich als optimistisch erweisen: Seit 1960 sind die Gewinne während Rezessionen durchschnittlich um 17% gesunken. Allerdings liegen die Marktprognosen jetzt viel näher an unseren eigenen Schätzungen, die sich auf ein Basisszenario mit einem Gewinnrückgang von 5% stützen. Darin berücksichtigt sind rezessive Phasen in den USA in der zweiten Hälfte 2023.
Gründe für Optimismus
Bislang haben die Unternehmen beim Kostenmanagement gute Arbeit geleistet. Bedeutende Technologiefirmen haben schnell Personal abgebaut, und grosse Produktionsunternehmen folgen nun nach. Basiskonsumgüter-Unternehmen in den USA und Europa ist es gelungen, die Margen durch Preiserhöhungen und Effizienzsteigerungen zu verteidigen. Ihre Kunden haben sich davon bisher nicht abschrecken lassen. Die Verbrauchernachfrage in den USA hat sich als überraschend robust erwiesen, wie die starken Einzelhandelsumsätze im Januar gezeigt haben. Selbst wenn sich die Nachfrage in den USA und Europa wie von uns erwartet im späteren Jahresverlauf abkühlt, könnte Chinas Wiedereröffnung für einige Unternehmen einen Ausgleich schaffen. Dies dürfte insbesondere für Rohstoffproduzenten und Luxuseinzelhändler eine gute Nachricht sein. Zudem könnte eine weitere Entspannung der Lieferketten anderen Sektoren im weiteren Jahresverlauf zugutekommen. Dies gilt namentlich für Autobauer und die Videospielindustrie, die noch immer unter dem Mangel an Elektronikchips leiden.
Gründe für Pessimismus
Allerdings waren die Gewinne im vierten Quartal verzerrt: Die Unternehmen bauten Lagerbestände aus der Pandemiezeit ab, und die Verbraucher gaben während der Pandemie angehäufte Ersparnisse aus. Die Unternehmen könnten 2023 angesichts der nachlassenden Nachfrage und der immer noch hohen Inflation mit einem anhaltenden Margenrückgang konfrontiert sein. Eine Prognose ist zurzeit ausserordentlich schwierig. Laut grossen US-Einzelhändlern sind die Ausgaben für Kleidung und Elektronik in den letzten Monaten zurückgegangen2. Die Unternehmen können Kostensteigerungen nur bis zu einem gewissen Grad weitergeben. Der Lebensmittelriese Kraft-Heinz plant für 2023 keine weiteren Preiserhöhungen3, nachdem er die Preise letztes Jahr um 15% angehoben hat. Der Druck auf die Löhne hält an, da die Arbeitslosigkeit in den USA und in Europa im Bereich von Rekordtiefs liegt. Dies ist nicht nur für die Notenbanken ein Problem. In den USA rechnet Home Depot für 2023 mit einem Gewinnrückgang, da das Unternehmen eine zusätzliche Milliarde US-Dollar für Löhne ausgibt. Polen und Ungarn verzeichnen zweistellige Lohnzuwächse. Selbst in Japan, dem Land der historischen Lohnzurückhaltung, haben die grossen Automobilhersteller des Landes die bedeutendsten Lohnerhöhungen seit 20 Jahren angekündigt.
Prognosen für den S&P 500
Was bedeutet das für die Aktienmärkte? Hier waren 2022 und Anfang 2023 eher die Zinsaussichten als die Unternehmensgewinne der Haupttreiber. Tendenziell haben die Märkte bei schlechten US-Wirtschaftsnachrichten zugelegt – in Erwartung niedrigerer Zinsen – und bei guten Daten nachgelassen – in Erwartung weiterer Zinserhöhungen oder für längere Zeit unveränderter Zinsen. Längere Zeit höhere Zinsen dürften Bewertungsanstiege begrenzen, während hohe Anleiherenditen die relativen Anreize für Multi-Asset-Anleger, Aktien zu halten, verringern. Wir erwarten, dass der US-Leitzins im Juni einen Höchststand von etwa 5,5% erreicht und die Inflation bis zum Jahresende schrittweise in Richtung 3% sinkt. Unsere historische Analyse zeigt, dass sich US-Aktien nach der letzten Zinserhöhung gut entwickeln können. Wir modellieren eine Reihe von Szenarien für den S&P 500 im Jahr 2023. Von einem Anstieg auf 4’500 in einem Best-Case-Szenario (mit einem Umsatzwachstum von 5%, wobei sowohl die Gewinnmargen als auch die Bewertungen im Grossen und Ganzen auf dem aktuellen Niveau bleiben) bis hin zu einem Stand von 3’200 (wenn die hartnäckig hohe Inflation die Zinsen auf 6% oder mehr treibt). Höchstwahrscheinlich wird der Index das Jahr irgendwo zwischen diesen Szenarien – um das aktuelle Level von 3ִ’900 Punkten herum – beenden.
1 https://www.voanews.com/a/global-airline-traffic-recovering-to-pre-pandemic-levels-/6950191.html
2 https://www.wsj.com/articles/macys-best-buy-sales-declines-reflect-shopper-pullback-on-discretionary-goods-3294ce3
3 https://www.wsj.com/articles/kraft-heinz-khc-q4-earnings-report-2022-fa266bb
Wichtige Hinweise.
Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende
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