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    Inflation und das Gesetz der Schwerkraft: was steigt, fällt auch wieder

    Inflation und das Gesetz der Schwerkraft: was steigt, fällt auch wieder
    Stéphane Monier - Chief Investment Officer<br/> Lombard Odier Private Bank

    Stéphane Monier

    Chief Investment Officer
    Lombard Odier Private Bank

    Kernpunkte

    • Die Inflation in den USA und Europa verlangsamt sich, da sich die Lieferketten erholen und die Energiekosten sinken. Es wird seine Zeit dauern, bis sich der allgemeine Preisdruck normalisiert, denn die Teuerung der Dienstleistungen bleibt hoch. Sie könnte aber bis Ende 2023 eingedämmt sein.
    • Die Fed hält Ausschau nach Hinweisen auf ein langsameres Lohnwachstum. Ihre Zinsen nähern sich einem Höchststand von etwa 5%, der im März erreicht werden könnte. Von der EZB erwarten wir weitere Zinserhöhungen im Umfang von 100 Bp. auf ein Niveau von 3% bis Mitte Jahr.
    • Wir gehen davon aus, dass etwaige Rezessionen im Jahr 2023 kurz und überschaubar sind, wobei die Fed die Zinsen frühestens im Dezember senken dürfte.
    • An den Märkten verlagern sich die Sorgen von der Inflation zum Wachstum. Da die Kapitalkosten für den grössten Teil des Jahres 2023 hoch bleiben dürften, bevorzugen wir in allen Anlageklassen weiterhin Qualität.

    Allmählich zeichnet sich eine Verlangsamung der Inflation ab. Die Daten bestätigen, dass die höheren Kreditkosten die Nachfrage bremsen, während sich die Versorgung mit Lebensmitteln und Brennstoffen verbessert. Die Chance, dass tiefe Rezessionen im Jahr 2023 vermieden und die Zinserhöhungen dann ausgesetzt werden können, steigt. Es gibt Gründe, vorsichtig zu sein: eine immer noch hohe Inflation und weiterhin steigende Zinsen, die angespannte Lage auf den Arbeitsmärkten, die Verlagerung der globalen Logistik und die Geopolitik – all das bleibt unberechenbar.

    Im Dezember hat sich die Inflation in den USA, aber auch in Deutschland, Frankreich und der Schweiz verlangsamt. Das bedeutet jedoch nicht, dass sich die Notenbanker in den westlichen Volkswirtschaften zurücklehnen können. Die Inflation war die wichtigste wirtschaftliche Triebkraft im Jahr 2022. Die Preise werden 2023 weiter steigen, aber möglicherweise langsamer im späteren Jahresverlauf, wodurch sich das Durchschnittsniveau dem „Stabilitätsziel“ der Zentralbanken von 2% annähern könnte (siehe Grafik 1). Die Notenbanker halten Ausschau nach weiteren Bestätigungen dafür, dass sich die Wirtschaftsaktivität als Reaktion auf die höheren Kreditkosten abschwächt. Sie warten Hinweise auf langsamere Lohnsteigerungen und eine geringere Nachfrage ab, bevor sie die Zinserhöhungen stoppen. Wie wir im November geschrieben haben, wird sich das Jahr in zwei Phasen gliedern, die durch ein Ende der Zinsstraffung in den USA und eine Bodenbildung des Wachstums gekennzeichnet sind.

    „Es ist klar, dass wir bezüglich Inflation noch nicht über dem Berg sind“, sagte Gita Gopinath, stellvertretende geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IMF), letzte Woche der Financial Times. Die US-Notenbank Fed soll die Zinsen so lange anheben, bis ein „sehr deutlicher, dauerhafter Rückgang der Inflation“ zu beobachten sei, erklärte sie. Der Fed-Vorsitzende Jerome Powell liess letzte Woche verlauten, dass die Fed „noch mehr Arbeit vor sich“ habe. Er betonte, dass es weniger auf das Tempo der Zinserhöhungen ankomme; entscheidend sei vielmehr, wie hoch der Zinssatz am Ende des Zinserhöhungszyklus sei und wie lange die Kreditkosten hoch blieben. Die Fed begann im März 2022 mit der Erhöhung des Leitzinses und hob das Zielband seither auf 4,25% bis 4,5% an, den höchsten Stand seit 15 Jahren. Wir erwarten, dass die US-Zinsen ihren Höchststand bei rund 5% erreichen – möglicherweise im März 2023 – und dass die erste Zinssenkung frühestens im Dezember erfolgt.

    Die US-Inflationsaussichten für 2023 hängen … zu einem grossen Teil von einem schwächeren Lohnwachstum ab, während viele Unternehmen nach wie vor neue Mitarbeitende einstellen

    Der Weg zur Erreichung des Zinshöchststands zeichnet sich in den USA allmählich deutlicher ab. Die Daten des US-amerikanischen Institute of Supply Management (ISM) zeigen, dass sich die Lieferzeiten für Waren erholt haben und die Nachfrage zurückgegangen ist. Die Wohnungsmärkte haben eine geringere Nachfrage verzeichnet, da die Hypothekenzinsen den steigenden Kreditkosten folgen. Die US-Inflationsaussichten für 2023 hängen jedoch zu einem grossen Teil von einem schwächeren Lohnwachstum ab, während viele Unternehmen nach wie vor neue Mitarbeitende einstellen. Mit 3,5% im Dezember ist die Arbeitslosenquote in den USA nach wie vor rückläufig und auf einem 50-Jahres-Tief. Zugleich treibt der Mangel an Arbeitskräften die Löhne weiter in die Höhe, wenn auch weniger stark. Die Löhne haben im Dezember im Vorjahresvergleich um 4,6% zugelegt, die geringste Zunahme seit August 2021. Die Beschäftigungsquote bleibt stabil – sie liegt mit 62,3% einen Prozentpunkt unter dem Vor-Pandemie-Niveau.

     

    Globale Antriebskräfte verbessern sich

    Die Faktoren, die in den USA für einen Inflationsrückgang sorgen, wirken auch auf globaler Ebene. In vielen Volkswirtschaften verlangsamen sich die Warenpreise, und die Kosten für Dienstleistungen gehen zurück. Eine weltweit hohe Nachfrage nach der Pandemie traf auf ein knappes Angebot, was zu Handelsengpässen führte. Mittlerweile hat sich die globale Produktion und Logistik erholt, und das Angebot an Gütern von Halbleitern bis hin zu Autos wurde wieder aufgebaut. Dies wirkt sich positiv auf die Lagerbestände aus und verringert den Preisdruck, was sich mit einer unvermeidlichen Verzögerung in allgemein sinkenden Inflationsdaten niederschlägt.

    Wir erwarten, dass die Notenbanken aufgrund der sinkenden Inflation ihre Zinserhöhungen verlangsamen und dann aussetzen. Dem IMF zufolge wird die straffere Geldpolitik dafür sorgen, dass ein Drittel der weltweiten Volkswirtschaften 2023 in eine Rezession rutscht. Da es jedoch keine Anzeichen für grössere strukturelle Ungleichgewichte gibt, dürften die Rezessionen kurz und überschaubar sein. Die Erholung dürfte bereits in der zweiten Hälfte des Jahres 2023 einsetzen.

     

    Prognose für warmes Wetter, Engpässe wenig wahrscheinlich

    In der Eurozone gilt die Hauptsorge weiterhin der Energieversorgung und den Energiepreisen. Die Energiekrise infolge des Ukrainekriegs wird der Inflation zwar noch länger als in den USA Auftrieb verleihen, doch die Regierungen haben relativ schnell und koordiniert reagiert. Die europäische Politik hat das Energiesparen gefördert und in neue Energiequellen investiert, Vorräte aufgebaut und Flüssigerdgas auf den Weltmärkten gekauft. Dank des rekordwarmen Winters auf dem Kontinent sind die Gaspreise auf Niveaus gefallen, wie sie zuletzt vor dem Krieg zwischen Russland und der Ukraine verzeichnet worden sind. Die europäischen Spotpreise für Gas liegen bei rund EUR 70 pro Megawattstunde (MWh). Sie entsprechen etwas mehr als der Hälfte des Durchschnittswerts für das Jahr 2022 von EUR 133/MWh.

    Damit steigen die Chancen, dass der Kontinent längerfristig … schwere Engpässe … vermeiden kann

    Selbst wenn sich die Temperaturen in den kommenden Wochen ihren winterlichen Durchschnittsniveaus annähern, bedeutet jeder Tag, der vergeht, einen geringeren Verbrauch. So werden die Lager, die derzeit zu 83% gefüllt sind, geschont. Damit steigen die Chancen, dass der Kontinent längerfristig, d.h. im Winter 2023/2024, schwere Engpässe oder Stromausfälle vermeiden kann (siehe Grafik 2).

    Auch die sinkenden Ölpreise haben zu einer Verlangsamung der Inflation beigetragen. Der Preis für ein Barrel der Sorte Brent ist von mehr als USD 120 Mitte 2022 auf heute weniger als USD 80 gefallen. 2023 dürfte sich der Preis bei rund USD 90/Barrel einpendeln. Dies stimmt mit dem saudi-arabischen Haushaltsplan für dieses Jahr überein, der auf einem Ölpreis von rund USD 75/Barrel basiert.

    Zudem sind die Importpreise in der europäischen Wirtschaft so schnell gesunken wie seit sechs Jahrzehnten nicht mehr. So stiegen die Verbraucherpreise in Deutschland im Dezember um 9,6% gegenüber dem Vorjahr, verglichen mit 11,3% im November. Die Inflation in Frankreich, der zweitgrössten Volkswirtschaft der Eurozone, ging im Dezember ebenfalls zurück, und zwar auf 6,7%, gegenüber 7,1% im November. In der gesamten Eurozone verlangsamte sich der Preisanstieg im Dezember auf 9,2%, nach einem Höchststand von 10,6% im Oktober. Das Lohnwachstum in der Eurozone, das im dritten Quartal 2022 weniger als 3% betragen hat, ist weniger stark als in den USA.

    Eine sinkende Inflation ist nicht alles, und es handelt sich nicht um lineare Prozesse. Die Europäische Zentralbank (EZB) verringerte das Zinserhöhungstempo im Dezember auf 50 Basispunkte (Bp.) und hob damit den Leitzins auf 2% an. Zugleich deutete der Rest ihrer geldpolitischen Stellungnahme im vergangenen Monat auf einen restriktiveren Ausblick hin. Wir erwarten, dass die EZB die Zinsen 2023 um weitere 100 Bp. anhebt, auf einen Höchststand von 3%. Sollten sich die europäischen Energiemärkte weiter erholen, ist nicht auszuschliessen, dass der Leitzins der EZB einen niedrigeren Höchststand erreicht.

    Die asiatischen Volkswirtschaften befinden sich weitgehend auf einem anderen Weg. In Japan hat die Kerninflation im November mit 3,7% ein historisches Niveau erreicht, was aber noch nicht zu einer geldpolitischen Reaktion geführt hat. Die Löhne beginnen anzuziehen, da die Verbraucherpreise sprunghaft gestiegen sind und die Regierung aufgrund der höheren Lebenshaltungskosten Unterstützungsmassnahmen beschlossen hat. Die chinesische Notenbank hat die Geldpolitik weiter gelockert. Sie hat die Mindestreserveanforderungen gesenkt, um die Liquidität zu erhöhen, da das Land aufgrund der Aufhebung der Covid-Beschränkungen mit Schwierigkeiten kämpft.

    Da sich die Inflationsdaten … allmählich normalisieren, richten die Marktteilnehmer die Aufmerksamkeit auf das Wachstum

    Auf Qualität setzen

    Der Schwerpunkt der Notenbanken – das Eindämmen der Inflation anstelle der Förderung des Wachstums – ist seit vielen Monaten klar. Solange die Inflation unangenehm hoch ist, werden die Notenbanken die Kreditkosten weiter anheben und damit den Arbeitsmarkt und die Wirtschaft insgesamt bremsen. Da sich die Inflationsdaten seit Kurzem allmählich normalisieren, richten die Marktteilnehmer die Aufmerksamkeit auf das Wachstum. Ein schwächeres Wachstum wird für Märkte und Risikoanlagen möglicherweise als hinnehmbar angesehen in diesem Kontext, in dem schlechte Nachrichten gute Nachrichten sind. Dies gilt, solange das Wachstum nicht so schwach ist, dass es die Unternehmensgewinne ernsthaft untergräbt. Angesichts der Kombination aus starken Arbeitsmarktindikatoren und einer sich verlangsamenden Wirtschaftstätigkeit bleiben die Marktteilnehmer wachsam, was die Gefahr von Rezessionen angeht.

    Auch können Anlegerinnen und Anleger die anhaltenden Spannungen und Unsicherheiten im Zusammenhang mit geopolitischen Risiken nicht ignorieren, die das Potenzial haben, weitere Volatilität auszulösen. Sie reichen vom Krieg in der Ukraine bis zu Chinas Ambitionen in Bezug auf Taiwan.

    In diesem Umfeld und in Erwartung des Paradigmenwechsels für Anlagen, der mit dem Erreichen des Zinshöchststands in den USA einhergehen dürfte, bleiben wir in Risikoanlagen untergewichtet. Wir bevorzugen Finanzanlagen, die besser gegen anhaltend hohe Kapitalkosten und hohe Inflation gewappnet sind, sowie Anlagen, die von einem Ende der Straffung profitieren können, gegenüber solchen, die stärker von einer Verbesserung des Wachstums abhängen. Das bedeutet insbesondere, dass wir Qualitätsaktien von Unternehmen favorisieren, die ihre Margen verteidigen können, sowie Staatsanleihen und Investment-Grade-Unternehmensanleihen. Zudem behalten wir eine Allokation in Liquidität bei, um in den Portfolios flexibel Chancen zu nutzen, sobald sie sich bieten.

    Wichtige Hinweise.

    Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende

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