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Das Potenzial und die polarisierenden Folgen des US-amerikanischen Inflation Reduction Act
Lombard Odier Private Bank
Kernpunkte
- Der US-amerikanische Inflation Reduction Act, ein USD 391 Mrd. schweres Paket aus Subventionen und Steuergutschriften, soll die Umstellung der USA auf saubere Energie und Infrastruktur vorantreiben.
- Das Gesetz soll einen Multiplikatoreffekt durch private Investitionen auslösen, der von den geldpolitischen Bedingungen abhängt.
- Die EU und einige asiatische Handelspartner hegen Bedenken wegen der Auswirkungen der Industriesubventionen auf den internationalen Wettbewerb.
- Profitieren dürften Unternehmen, die in folgenden Bereichen tätig sind: Elektrofahrzeuge, Schienenverkehr, Wind- und Solarenergie, Batteriespeicherung, Kohlenstoffabscheidung, Wasserstoff und öffentliche Dienstleistungen, einschliesslich Wasser.
Beim US-amerikanischen Inflation Reduction Act (IRA) geht es weniger um die Eindämmung der Inflation als vielmehr um ein Paket von Industriesubventionen und Steuersenkungen. Das auf fünf Jahre angelegte Programm schafft Anreize zur Ankurbelung des US-Wachstums und bietet der US-Industrie einen Wettbewerbsvorteil bei der Umstellung auf sauberere Technologien. Es könnte die Energiewende beschleunigen und weltweit Gewinner und Verlierer hervorbringen, welche die Anlegerinnen und Anleger im Auge behalten sollten.
Das im August 2022 verabschiedete Paket umfasst Steuergutschriften und Subventionen für energie- und klimabezogene Ausgaben in Höhe von USD 391 Mrd. sowie weitere USD 108 Mrd. für das Gesundheitswesen. Es soll der US-Wirtschaft zu einer führenden Rolle im Bereich der sauberen Energien verhelfen und Reformen bei der Krankenversicherung und der Preisgestaltung für Medikamente sicherstellen.
Das Gesetz umfasst Ausgaben für grüne Infrastruktur sowie Massnahmen zur Kosteneffizienz im Staatshaushalt, um über zehn Jahre einen Nettoüberschuss sicherzustellen. Aufmerksamkeit erregt haben insbesondere im Gesetz vorgesehene Anreize, mit denen die grüne Wende der US-Wirtschaft und damit die globale Nachhaltigkeitsrevolution vorangetrieben werden soll. Die Unterstützung hängt davon ab, dass Unternehmen in den USA produzieren sowie investieren, um Steuergutschriften zu erhalten, und dass Verbraucher in den USA hergestellte Elektrofahrzeuge kaufen. Der IRA beinhaltet zudem eine Steuer auf Methanemissionen der Öl- und Gasindustrie. Das Gesetz gesellt sich zum CHIPS and Science Act und zum Bipartisan Infrastructure Law (BIL), das in die Modernisierung des Stromnetzes, Ladestationen für Elektrofahrzeuge und eine resiliente Infrastruktur investiert. Es bringt weitere Investitionen in grüne Lösungen des Landes in Höhe von USD 40 Mrd. für die nächsten zehn Jahre.
Das Gesetz gründet auf dem USD 3,5 Bio. schweren „Build Back Better“-Paket, das jedoch von den Republikanern im Kongress nicht mitgetragen worden ist. Ein Element – die Steuergutschriften für Firmen über zehn Jahre – ist von Unternehmensseite unterstützt worden. Dies hat eine politische Anfechtung unwahrscheinlich gemacht, insbesondere da Investitionen in Bereichen gefördert werden, die den Republikanern wichtig sind. In seiner endgültigen Form bietet der IRA immer noch beträchtliche Unterstützung, einschliesslich eines Programms im Umfang von USD 15 Mrd. für Elektrofahrzeuge. Dieses Programm soll die Ladeinfrastruktur des Landes verbessern. Zudem soll den Verbrauchern eine Steuergutschrift in Höhe von USD 7’500 für den Kauf neuer Elektroautos gewährt werden, wobei Einkommens- und Preisobergrenzen gelten. Ziel ist auch, die alternde Infrastruktur der USA zu erneuern und schwächelnde Regionen des Landes, die in der Vergangenheit von Schwerindustrie wie dem Bergbau und der Fertigung abhingen, zu beleben.
Der CHIPS and Science Act lenkt Mittel in die Klimaforschung, und das BIL limitiert den in grüne Infrastruktur zu investierenden Betrag. Dagegen bietet der IRA unbegrenzte Steuergutschriften für die inländische Produktion von sauberer Energie und entsprechende Investitionen. Der makroökonomische Multiplikatoreffekt von Staatsausgaben oder -einnahmen wird unter Ökonomen immer noch diskutiert, insbesondere wenn eine aggressive Straffung der Geldpolitik die positiven Auswirkungen der Fiskalpolitik aufwiegt. Branchenanalysten hoffen auf einen klar höheren Multiplikatoreffekt als sonst. Sie erwarten, dass im Zuge der öffentlichen Finanzierung von Forschung und Entwicklung auch private Kapitalgeber, die langfristige Anlagechancen suchen, bedeutende Investitionen tätigen.
Globale Nebenwirkungen
Die Reaktionen auf das US-Programm sind durchzogen. Einerseits wird es begrüsst, da es der grössten Volkswirtschaft der Welt hilft, ihre Klimaziele besser zu erfüllen. Einige argumentieren, dass das Gesetz kein „Nullsummenspiel“ zugunsten der US-Wirtschaft und zum Nachteil ihrer Verbündeten und Konkurrenten sei. Die Anreize, so die Befürworter des IRA, würden den weltweiten Rückgang der Treibhausgasemissionen vorantreiben und sauberere Energiequellen fördern. Dies indem die Kosten für entsprechende Technologien und deren Installation gesenkt würden.
Andererseits werden auch mögliche Nebenwirkungen genannt. Die Anreize der USA für die amerikanische Produktion und für ausländische Unternehmen mit Aktivitäten in den USA sind offensichtlich. Sie könnten unter denjenigen, die es sich leisten können, einen Wettlauf der Industriesubventionen auslösen. Theoretisch könnte eine Klimastrategie, die sich auf einseitige Subventionen und Steuergutschriften konzentriert, weniger wirksam sein als ein einfacherer – wenn auch politisch schwieriger – globaler CO2-Preis.
Der dem IRA zugrunde liegende Ansatz hat bereits zu Spannungen mit der Europäischen Kommission und einigen asiatischen Handelspartnern geführt. Jede Reaktion auf nationaler Ebene, z.B. von Deutschland oder Frankreich, um Automobilhersteller, Eisenbahnunternehmen oder die Pharmabranche zu unterstützen, würde gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften verstossen. Europa diskutiert bereits darüber, wie es auf das IRA-Programm reagieren soll, da es Bedenken hinsichtlich der Wettbewerbsfähigkeit seiner eigenen klimabezogenen Branchen hat. Berichten zufolge will Deutschland eine europäische Version des IRA vorschlagen. Die Idee wäre, erneuerbare Energie unter Staatsgarantie zu kaufen und wie die USA Steuergutschriften für die Solar- und Windbranche zu gewähren. Die EU hat 2020 mit dem Konjunkturpaket „Next Generation EU“ auf die Pandemie reagiert. Das Paket umfasst grüne Initiativen sowie Darlehen und Zuschüsse in Höhe von EUR 807 Mrd. Die Finanzierung erfolgt über Anleihen, die von der Europäischen Kommission ausgegeben werden. Am 1. Februar hat die EU den Industrieplan für den grünen Deal angekündet. Der Plan sieht ein vereinfachtes Regelungsumfeld, schnelleren Zugang zu Finanzmitteln, die Verbesserung der Kompetenzen und einen offenen Handel für resiliente Lieferketten vor. Es wird erwartet, dass die Kommission den Plan vor dem nächsten EU-Gipfel, der vom 24. bis zum 25. März stattfindet, finalisiert.
Eine zusätzliche Folge könnte sein, dass sich die Welt weiter von der Globalisierung der Produktions- und Lieferketten sowie von den multilateralen Wettbewerbs- und Subventionsregeln verabschiedet. Diese wurden entwickelt, um nationalen Protektionismus zu vermeiden. Zudem dürfte sich der seit der Pandemie zu beobachtende Trend des „Friend-Shoring“ verstärken, d.h. der Trend zur Verlagerung von Produktionsanlagen und Infrastrukturinvestitionen weg von Ländern wie China. Interessanterweise verbietet der IRA nicht die Beschaffung von Materialien für Elektrofahrzeugbatterien in Ländern, die mit den USA befreundet sind – ganz im Sinne des „Friend-Shoring“.
Wer dürfte profitieren?
Die im Gesetz verankerte Anforderung, in den USA zu beschaffen und zu produzieren, bietet der amerikanischen Wirtschaft klare Vorteile hinsichtlich neuer Arbeitsplätze in innovativen Sektoren. Dies kann die Prämie von US-Aktien im Vergleich zu anderen Märkten unterstützen, zumindest bis die EU ihren Plan formalisiert hat. Es gibt einige offensichtliche potenzielle Gewinner. Dazu gehören europäische Unternehmen mit Aktivitäten in den USA, die in ihrer Branche weltweit führend sind. Weitere mögliche Gewinner sind die Hersteller von Elektroautos und Schienennetzbetreiber im Verkehrssektor sowie Anbieter von öffentlichen Dienstleistungen wie Wasser oder sauberer Energie.
Für die Aktienmärkte im Allgemeinen könnte sich eine Steuer auf Aktienrückkäufe und eine Mindestkörperschaftssteuer leicht negativ auf die Gewinne auswirken. Dies gilt insbesondere für die Technologie- und Gesundheitsbranche. Der Pharmasektor ist mit höheren Kosten konfrontiert, da die US-Regierung ab 2026 in der Lage ist, einige Arzneimittelpreise festzulegen. Den Gesundheitsdienstleistern und Impfstofflieferanten hingegen dürfte die Verlängerung der Steuergutschriften des Affordable Care Act zugutekommen.
Wir sehen die Wind- und Solarbranche als klare mögliche Nutzniesser des IRA, da sie einen grossen Teil des Pakets erhalten werden und die Technologien bereits fortgeschritten sind. Batteriespeichertechnologien, Kohlenstoffabscheidung und Anbieter von sauberem Wasserstoff könnten ebenfalls Auftrieb erhalten, da sinkende Kosten eine breitere Akzeptanz bedeuten.
Wichtige Hinweise.
Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende
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