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    Die britische Wirtschaft ist auch unter der neuen Regierung mit Austerität konfrontiert

    Die britische Wirtschaft ist auch unter der neuen Regierung mit Austerität konfrontiert
    Stéphane Monier - Chief Investment Officer<br/> Lombard Odier Private Bank

    Stéphane Monier

    Chief Investment Officer
    Lombard Odier Private Bank

    Kernpunkte

    • Die Konservative Partei des Vereinigten Königreichs hat den früheren Finanzminister Rishi Sunak zum nächsten Premierminister des Landes ernannt
    • Die neue Regierung steht vor langfristigen wirtschaftlichen Herausforderungen – einer hohen Inflation, steigenden Zinsen und zunehmender Armut bei einem historisch hohen Leistungsbilanzdefizit
    • Gemessen am realen BIP hat sich die britische Wirtschaft noch nicht wieder vollständig auf das Vor-Covid-Niveau erholt. Wir erwarten für das Vereinigte Königreich ein stagnierendes Wachstum im Jahr 2023
    • Wir sehen EURGBP potenziell über 0.90 steigen und GBPUSD schliesslich unter 1.05 fallen.

    Nach wochenlangem politischem Theater wird der frühere Schatzkanzler Rishi Sunak der dritte Premierminister des Vereinigten Königreichs innerhalb von drei Monaten. Die wirtschaftlichen Herausforderungen des Landes haben sich unter der Regierung von Liz Truss verschärft, sind aber die gleichen geblieben. Die Finanzmärkte und ausländische Anleger warten auf eine Bestätigung dafür, dass die nächste Regierung einen fiskalpolitischen Kurs einschlägt, den sich das Land leisten kann.

    Rishi Sunak, früheres Mitglied der Regierung von Premierminister Boris Johnson, hat im September das Rennen um die Führung der Konservativen Partei gegen Liz Truss verloren. Er hatte davor gewarnt, dass Truss’ Wirtschaftsvorschläge für das Land katastrophale Folgen hätten. Im früheren Jahresverlauf war Sunak wegen Fragen zum Steuerstatus seiner Frau, die als ausländische Staatsangehörige im Vereinigten Königreich lebt, in Bedrängnis geraten. Johnson teilte am 23. Oktober mit, dass er nicht erneut für das Amt als Premier kandidiere.

    Das Vereinigte Königreich befindet sich in der gleichen Lage wie viele andere europäische Volkswirtschaften. Es ist mit einer hohen, energiegetriebenen Verbraucherpreisinflation und einer bedeutenden Staatsverschuldung nach der Pandemie konfrontiert. Die Entscheidung des Landes, aus der Europäischen Union auszutreten, hat jedoch nach und nach weitreichende Auswirkungen. In den letzten Wochen erschütterte ein fiskalpolitisches Experiment mit ungedeckten Steuersenkungen das Vertrauen in die Fähigkeit der Regierung, die Wirtschaft zu steuern. Die Lebenshaltungskosten der Menschen im Vereinigten Königreich steigen infolge höherer Hypothekenkosten. Nach Angaben eines Thinktanks könnten diesen Winter weitere 1,3 Millionen Menschen in die Armut abrutschen.

    Das Land stehe vor einer schwerer finanzierbaren Verschuldung mit höherer Kreditaufnahme und dem „Risiko einer anhaltenden Schwächung der politischen Glaubwürdigkeit“

    Die jüngsten Entwicklungen hatten dramatische Folgen für die Finanzmärkte. Am 21. Oktober bestätigte die Ratingagentur Moody’s Investor Services das Rating „Aa3“ für das Vereinigte Königreich. Sie korrigierte jedoch den Ausblick für die britische Wirtschaft von „stabil“ auf „negativ“ und begründete dies mit schwächeren Wachstumsaussichten, höherer Inflation und grösserer politischer Unsicherheit. Das Land stehe vor einer schwerer finanzierbaren Verschuldung mit höherer Kreditaufnahme und dem „Risiko einer anhaltenden Schwächung der politischen Glaubwürdigkeit“, so die Agentur. Das Urteil der Anlegerinnen und Anleger über die britische Wirtschaft schlug sich in den Devisen- und Staatsanleihemärkten nieder. Als die Renditen britischer Staatsanleihen (Gilts) in den letzten Wochen stiegen, kam es am Markt zu einem Ausverkauf. Pensionsfonds waren mit Liquiditätssorgen in Form von Forderungen nach Nachschüssen und Sicherheiten konfrontiert und mussten durch den Verkauf langfristiger Staatsanleihen zusätzliche Barmittel beschaffen. Die Bank of England (BoE) sprang ein und versprach, bis zum 14. Oktober GBP 65 Mrd. für den Ankauf von Gilts auszugeben. Eigentlich hatte sie zu diesem Zeitpunkt geplant, Staatsanleihen im Umfang von GBP 80 Mrd. zu veräussern. Die Rendite zehnjähriger britischer Staatsanleihen ist 2022 dramatisch gestiegen – von unter 1% im Januar auf ein Hoch von 4,54% am 27. September. Die Benchmark-Staatsanleihe notiert jetzt bei 3,8%.

    Liz Truss trat am 20. Oktober zurück. So kurz wie sie war zuvor noch kein britischer Premierminister im Amt. Ihr Rücktritt folgte auf die Ernennung eines neuen Finanzministers – des vierten in vier Monaten. Der neue Schatzkanzler, Jeremy Hunt, machte umgehend fast alle steuerlichen Massnahmen rückgängig, welche die Regierung Truss nur drei Wochen zuvor angekündigt hatte. Zudem beschränkte Hunt die Energiepreisgarantie bis April 2023. Dies könnte Einsparungen von rund GBP 32 Mrd. auf Seite der Gesamteinnahmen bedeuten. Die Vorschläge vom September hätten laut Schätzungen des Institute for Fiscal Studies zu einem jährlichen Fehlbetrag von GBP 60 Mrd. geführt.

     

    Steigende Zinsen

    Aufgrund der Kehrtwende wird die Regierung weniger fiskalpolitische Impulse bieten, um die Wirtschaft anzukurbeln. Zugleich sinkt die Gefahr, dass die Inflation über das Niveau vom September hinausschiesst, als die Teuerung annualisiert 10,1% betrug. Dies wiederum bedeutet, dass die BoE weniger unter Druck steht, die Zinsen von derzeit 2,25% weiter anzuheben. Wir erwarten, dass der Leitzins der BoE Ende dieses oder Anfang nächsten Jahres einen Höchststand von 4,5% erreicht. Entscheidend für die Anleger wird sein, wie schnell die Notenbank nun die Zinsen zur Bekämpfung der Inflation zu erhöhen wagt, ohne den empfindlichen Immobilienmarkt weiter zu belasten.

    Gemessen am realen BIP ist die Wirtschaftsleistung des Vereinigten Königreichs noch nicht über das Vor-Pandemie-Niveau geklettert

    Die britische Wirtschaft steht immer noch vor grundlegenden Fragen in Bezug auf den Wachstumspfad. Wie werden die Energiesubventionen für die Verbraucher nach April 2023 finanziert? Kann eine weitere konservative Regierung einen Finanzplan vorlegen, der Wirtschaftswachstum schafft und gleichzeitig die Schulden in Angriff nimmt, ohne die Finanzmärkte zu verunsichern? Die Markteilnehmer warten auf einen detaillierteren Haushaltsplan, der nun am 31. Oktober bekannt gegeben werden soll.

    Gemessen am realen Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist die Wirtschaftsleistung des Vereinigten Königreichs noch nicht über das Vor-Pandemie-Niveau geklettert. Deutschland hat wieder das Level von 2019 erreicht, und die Aktivität in Italien und Frankreich liegt etwa 1% über den Vor-Pandemie-Werten. Wir erwarten, dass die britische Wirtschaft nächstes Jahr stagniert, während der IMF ein BIP-Wachstum von 0,3% prognostiziert. Der IMF geht zudem für 2023 für Frankreich von einem Wachstum von 0,7% aus sowie für Deutschland und Italien von einer Schrumpfung um 0,3% bzw. 0,2%.

     

    Parlament und Wahlen

    Die Konservative Partei, die seit Dezember 2019 über eine Mehrheit von 80 Sitzen im Unterhaus verfügt, hat nun einen neuen Vorsitzenden und Premierminister ernannt, ohne eine Parlamentswahl abzuhalten. Sie kann nicht zu Parlamentswahlen gezwungen werden, es sei denn, zwei Drittel der Parlamentsmitglieder sprechen sich für eine Wahl aus oder stellen ein Misstrauensvotum gegen die Regierung. Die derzeitige fünfjährige Legislaturperiode des Parlaments läuft bis zum 17. Dezember 2024. Spätester Zeitpunkt für eine Parlamentswahl ist somit Januar 2025.

    Sunak ist der fünfte konservative Premierminister in den sechs Jahren seit dem Brexit-Referendum. Die politische Misere der Konservativen ist zum Teil auf den Versuch im Jahr 2016 zurückzuführen, sehr unterschiedliche Positionen unter einen Hut zu bringen. In jenem Jahr beschloss der damalige Premierminister David Cameron, ein unverbindliches, „beratendes“ EU-Referendum abzuhalten.

    Seit dem Brexit-Referendum schwächte sich die britische Währung ab … ohne dass sich das Exportvolumen verbessert hätte

    Fallendes Pfund, rückläufige Exporte

    Seit dem Brexit-Referendum schwächte sich die britische Währung ab. Die Importe verteuerten sich, ohne dass sich das Exportvolumen verbessert hätte, wie dies normalerweise aufgrund wettbewerbsfähigerer britischer Waren zu erwarten wäre. Gemäss einer Studie des Economic & Social Research Institute (ESRI) von letzter Woche liegt der Warenhandel zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU 16% unter dem Niveau, das ohne den Brexit erreicht worden wäre. Zudem sind laut dem ESRI die Exporte der EU in das Vereinigte Königreich um 20% zurückgegangen.

    In den letzten Wochen litt die Währung des Vereinigten Königreichs unter starken Schwankungen. Nach den fiskalpolitischen Ankündigungen vom 23. September verzeichnete sie gegenüber dem US-Dollar und dem Euro einen Rückgang und dann eine Erholung von rund 10%.

    Die Krise ist noch lange nicht ausgestanden. Längerfristig signalisieren die Fundamentaldaten der Wirtschaft eine weitere Schwäche des Pfund Sterling. Das Leistungsbilanzdefizit bleibt so hoch wie nie zuvor, was die Finanzierung des Defizits künftig zusätzlich erschwert. Wie der ehemalige BoE-Vorsitzende Mark Carney im Januar 2016 anmerkte, ist das Vereinigte Königreich auf die Nachfrage der Anleger nach britischen Vermögenswerten angewiesen. Das Land sei abhängig von „der Freundlichkeit von Fremden“. Damals betrug das britische Leistungsbilanzdefizit 3,7% des BIP; im ersten Quartal 2022 erreichte es einen Rekordwert von 8,3%, da die Importe die Exporte wertmässig überstiegen. Wir erwarten, dass sich EURGBP in den kommenden Monaten in einer Spanne von 0.855 bis 0.885 bewegen wird. Danach könnte der Wechselkurs über 0.90 steigen – im Einklang mit unserer Schätzung des fairen Werts. Des Weiteren gehen wir davon aus, dass GBPUSD auf Sicht von einem Jahr schliesslich unter 1.05 fällt.

    Wichtige Hinweise.

    Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende

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