investment insights

    Der IMF warnt vor der „dunkelsten Stunde“: Wie schlimm wird es für die Weltwirtschaft kommen?

    Der IMF warnt vor der „dunkelsten Stunde“: Wie schlimm wird es für die Weltwirtschaft kommen?
    Stéphane Monier - Chief Investment Officer<br/> Lombard Odier Private Bank

    Stéphane Monier

    Chief Investment Officer
    Lombard Odier Private Bank

    Kernpunkte

    • Wir erwarten schwierige neun Monate. Die Fed wird dieses Jahr ihren Kampf gegen die Inflation mit aggressiven Zinserhöhungen fortsetzen. Das Wachstum dürfte 2023 in den USA und der Eurozone lediglich bei 1,4% bzw. 0,4% liegen
    • Sollte die Arbeitslosigkeit in den USA bis Mitte 2023 niedriger bleiben als erwartet, könnte die Fed die Zinsen über den von uns erwarteten Höchststand von etwa 4,5% anheben. Dies hätte gravierendere Auswirkungen auf das Wachstum und Risikoanlagen
    • Ein starker US-Dollar und eine Verknappung der globalen Liquidität belasten bereits einkommensschwache Länder. Angesichts dessen verlängert der IMF kurzfristige Kredite und will sich für einen wirksameren Mechanismus bei der Schuldenregulierung einsetzen
    • Wir bleiben sowohl bei Aktien als auch bei Festverzinslichen vorsichtig und konzentrieren uns über sämtliche Anlageklassen hinweg auf Qualität.

    Der Ton in Washington D. C. ist gedrückt, wie unser Ökonom in der US-Hauptstadt feststellt. Die jährlichen Treffen der politischen Entscheidungsträger mit der Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds (International Monetary Fund, IMF) fallen mit einer Senkung der IMF-Wachstumsprognose für 2023 auf 2,7% zusammen. Der IMF warnt vor der „dunkelsten Stunde“ – einer Phase, wenn dieses oder nächstes Jahr die Wirtschaftsleistung in jenen Ländern schrumpft, die rund ein Drittel der Weltwirtschaft ausmachen. Angesichts der hartnäckigen Inflation, steigender Zinsen, des Kriegs in der Ukraine und der Konjunkturabkühlung in China könnte es laut IMF durchaus zu finanziellen Turbulenzen kommen.

     

    Kampf gegen die Inflation – kein Sprint, sondern ein Marathon

    Wir rechnen mit drei schwierigen Quartalen. Die hohe und hartnäckige Inflation lässt den Zentralbanken weltweit – insbesondere der US-Notenbank Fed – kaum eine andere Wahl, als die Zinsen aggressiv anzuheben. Der unvermeidbare Preis dessen ist eine Rezession. Eine restriktive Geldpolitik wird das Wachstum ausbremsen sowie den Immobilien- und den Arbeitsmarkt schwächen, letztlich aber auch die Inflation wieder unter Kontrolle bringen. Wie weit fortgeschritten sind wir bereits in diesem Prozess? Die Anlegerinnen und Anleger warten auf eine Abkehr der Fed von der unerbittlichen Straffung. Die Abkehr soll nach mehreren Fehlstarts eine anhaltende Erholung von Risikoanlagen ermöglichen.

    Wir rechnen mit drei schwierigen Quartalen

    Bislang gibt es kaum Hinweise, dass wir unmittelbar vor einer solchen Kehrtwende stehen. Der US-Verbraucherpreisindex (VPI) vom September zeigt, dass globale Komponenten der Preisteuerung, z.B. die Lieferkosten, zwar nachgeben, inländische Komponenten hingegen nicht. Die Preise von Dienstleistungen und insbesondere von Mieten steigen weiter und dürften sich erst in einiger Zeit normalisieren. Unterdessen beträgt die Kerninflation (ohne Lebensmittel- und Energiekosten) gegenüber dem Vorjahr 6,6%. Wir erwarten im kommenden Jahr eine durchschnittliche VPI-Inflation von 3,7%, was deutlich über dem Ziel der US-Notenbank von 2% liegt. Die Fed selbst sieht die Kerninflation noch im Jahr 2025 über ihrem Zielwert. Eine Abkühlung am Arbeitsmarkt dürfte nur schwer herbeizuführen sein. Die Zahl der offenen Stellen bleibt sehr hoch, und die Arbeitslosenquote befindet sich ungefähr auf 50-Jahres-Tiefs. Dies wiederum bedeutet einen anhaltenden Aufwärtsdruck bei den Löhnen. Das jährliche Lohnwachstum von 5% müsste in Richtung 3,5% zurückgehen, um mit dem Inflationsziel der Fed übereinzustimmen.

    Die Fed kann sich eine Zinswende noch nicht leisten. Wir prognostizieren eine weitere Zinserhöhung in den USA von 75 Basispunkten (Bp.) im November und 50 Bp. im Dezember. Die Zinsen würden somit im nächsten Jahr bei etwa 4,5% einen Höchststand erreichen, bevor es zu einer Pause kommt. Markterwartungen von Zinssenkungen bereits im dritten Quartal 2023 erscheinen uns voreilig. An vielen Veranstaltungen des IMF und der Weltbank in diesem Jahr wurde die Notwendigkeit bekräftigt, die Inflation ungeachtet der Folgen für das Wachstum zu bekämpfen. Der neue IMF-Bericht fordert die Zentralbanken auf, „auf Kurs zu bleiben“. Zugleich warnt er vor einer Wiederholung der Fehler aus den 1970er-Jahren, als die US-Notenbank die Zügel vorschnell lockerte. Ein solcher Schritt könnte, wie bereits in diesem Sommer, zu einer starken Marktrally führen, was wiederum die finanziellen Rahmenbedingungen lockern und die Inflationsbekämpfung erschweren würde.

    An vielen Veranstaltungen des IMF und der Weltbank in diesem Jahr wurde die Notwendigkeit bekräftigt, die Inflation ungeachtet der Folgen für das Wachstum zu bekämpfen

    2023 wird sich wie eine Rezession anfühlen

    Haushalte und Unternehmen stehen bereits unter Druck. Das Verbrauchervertrauen in den Industrieländern befindet sich auf dem tiefsten Stand seit mindestens 50 Jahren. Hypotheken- und andere Darlehenszinsen steigen sprunghaft an. Die Indizes der Einkaufsmanager und des verarbeitenden Gewerbes nähern sich in den USA dem kontraktiven Bereich und sind in Europa und China bereits dort angekommen. Wir gehen davon aus, dass die US-Wirtschaft im kommenden Jahr nur um 1,4% wachsen und die Arbeitslosigkeit auf 5% steigen wird. Auf ein schwaches erstes Halbjahr dürfte lediglich eine bescheidene Erholung in der zweiten Jahreshälfte folgen. In der Eurozone erwarten wir ein Wachstum von nur 0,4%. Angesichts der weltweiten Nachfrageschwäche kündigten die Organisation der Erdöl exportierenden Länder und wichtige Nichtmitglieder (OPEC+) eine aggressive Senkung der Ölfördermengen ab November an. Das Ziel des Kartells, den Ölpreis über USD 90 pro Barrel zu halten, wird den Kampf gegen die Inflation erschweren. US-Präsident Joe Biden erklärte, diese Entscheidung werde „Konsequenzen“ für die Beziehungen zu Saudi-Arabien haben; andere US-Demokraten drängen auf ein Ende der Waffenverkäufe an das Land und eine Verringerung der Kooperation im Bereich Sicherheit.

     

    Wird die Fed die Geldpolitik zu sehr straffen?

    Die grossen Risiken für die Weltwirtschaft reichen von der Geopolitik und einer Eskalation zwischen Russland und der Ukraine über Zahlungsausfälle bei Immobilienentwicklern, die zu einer grösseren Finanzkrise in China führen, bis zu „überzogenen“ Zinserhöhungen der Fed. Die Marktteilnehmer konzentrieren sich klar auf das Letztere. Dem US-Arbeitsmarkt kommt hierbei eine Schlüsselrolle zu. Sollte die Arbeitslosigkeit in den USA bis Mitte 2023 niedriger bleiben als erwartet, könnte die Fed die Zinsen in Richtung 5,5% anheben. Dies hätte gravierendere Auswirkungen auf das Wachstum und Risikoanlagen.

    Sollte die Arbeitslosigkeit in den USA bis Mitte 2023 niedriger bleiben als erwartet, könnte die Fed die Zinsen in Richtung 5,5% anheben. Dies hätte gravierendere Auswirkungen auf das Wachstum und Risikoanlagen

    Weniger häufig diskutiert werden vielleicht mögliche Gründe für gute Nachrichten. Hier verweisen wir auf das Potenzial für eine Erholung in China im kommenden Jahr. China ist die letzte grosse Volkswirtschaft, die noch vor einer Wiedereröffnung nach Covid steht. Wir glauben, dass das Wachstum dort 2023 auf 5,5% anziehen könnte, was über den Konsensschätzungen liegt. Unsere Einschätzung begründen wir mit der möglichen Lockerung der Null-Covid-Politik. Der expansive Kurs der chinesischen sowie der japanischen Notenbank wirkt den allgemeinen Zinserhöhungstrends entgegen und dürfte der Weltwirtschaft helfen, eine tiefere Rezession zu vermeiden.

    Die Verknappung der globalen Liquidität belastet bereits viele Volkswirtschaften weltweit. Ein starker US-Dollar (handelsgewichtet ca. +20% im vergangenen Jahr) hat die Schuldenlast bei auf US-Dollar lautenden Verbindlichkeiten erhöht. Steigende US-Zinsen exportieren die US-amerikanische Binneninflation und zwingen weitere Zentralbanken weltweit zu Zinserhöhungen oder zu einem beschleunigten Straffungstempo. Schätzungen des IMF zufolge sind etwa 60% der einkommensschwachen Länder, darunter der Tschad, Äthiopien, Sambia und Sri Lanka, entweder von einer Schuldenkrise betroffen oder stark gefährdet – ein grosses Problem für einige der verletzlichsten Bevölkerungen der Welt. Der IMF hat daher ein einjähriges Programm aufgelegt, um denen zu helfen, die mit den aktuellen Lebensmittel- und Energiekosten zu kämpfen haben. Ferner appelliert er an die Gläubiger, neue Rahmenbedingungen für die Schuldenregulierung in Betracht zu ziehen.

    Selbst einkommensstarke Länder müssen mit mehr finanzieller Instabilität und Volatilität rechnen. Dies haben die historischen Schwankungen an den Märkten für britische Staatsanleihen in den vergangenen Wochen gezeigt. Während der wirtschaftliche Abschwung für viele sehr schmerzhaft sein wird, sehen wir nur ein geringes Risiko für eine grössere Finanz- oder Solvenzkrise in den Industrieländern. Hier liegen die Verschuldung der Haushalte und die Kosten für den Schuldendienst als prozentualer Anteil an den Einkommen generell unter dem vor der globalen Finanzkrise vorherrschenden Niveau. Sparüberschüsse können als Stossdämpfer wirken: Die Haushalte verfügen noch über Ersparnisse aus der Pandemiezeit, während die Liquiditätspolster der Unternehmen in etwa den Durchschnittswerten von vor der Pandemie entsprechen. Auch die Leistungsbilanzpositionen der Länder und die Bilanzen der Banken scheinen robuster als vor der globalen Finanzkrise.

    Wir bleiben sowohl bei Aktien als auch bei Festverzinslichen vorsichtig und setzen den Fokus in allen Anlageklassen auf Qualität

    Hochwertige Anlagen bevorzugen

    Wie sollten sich die Anleger in diesem schwierigen Umfeld verhalten? Angesichts des sich eintrübenden makroökonomischen Ausblicks haben wir das Portfoliorisiko schrittweise auf defensivere Niveaus gesenkt. Wir bleiben sowohl bei Aktien als auch bei Festverzinslichen vorsichtig, da sie in diesem Jahr ungewöhnlicherweise im Gleichschritt abgestraft worden sind: Seit den 1920er-Jahren haben Aktien und Anleihen nur drei Jahre mit gleichzeitig negativen Renditen erlebt. Die Aktienmärkte könnten durch weitere Senkungen der Gewinnprognosen nach der Berichtssaison für das dritte Quartal in Mitleidenschaft gezogen werden: In Rezessionen gehen die Gewinne pro Aktie in der Regel um 15% bis 20% zurück, während die Konsensschätzungen der Analysten für das nächste Jahr derzeit noch auf ein Wachstum von 8% lauten. Wir setzen den Fokus daher in allen Anlageklassen auf Qualität: Bei Aktien bevorzugen wir Unternehmen, deren Gewinne wenig volatil sind und die ihre Margen besser verteidigen können. Bei Festverzinslichen ziehen wir Investment-Grade-Titel den Hochzinsanleihen vor. Bei Währungen wiederum gilt unsere Präferenz Krisenwährungen wie dem US-Dollar und dem Schweizer Franken.

     

    Wichtige Hinweise.

    Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende

    Entdecken Sie mehr.

    Sprechen wir.
    teilen.
    Newsletter.