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Rückkehr zu Wachstumsfokus nach dem Kongress der Kommunistischen Partei Chinas?
Lombard Odier Private Bank
Kernpunkte
- Am Kongress der KP werden drei Fünftel der Führungsposten neu bestellt. Präsident Xi Jinping dürfte für eine dritte Amtszeit bestätigt werden – ein Novum
- Die Behörden könnten dann den wirtschaftlichen Fokus auf Wachstum verlagern, die Covid-Politik lockern, den Immobilienmarkt weiter stabilisieren und die inländische Industrie und Nachfrage unterstützen
- Das BIP könnte 2022 um 3,3% und 2023 um 5,5% wachsen, je nach Tempo der Wiedereröffnung und der weiteren politischen Unterstützung
- Der USDRMB-Wechselkurs könnte sich weiter abschwächen und über zwölf Monate 7.15 erreichen. Wir halten weiterhin eine Übergewichtung in chinesischen Aktien gegenüber anderen Schwellenländern und in chinesischen Staatsanleihen, die in USD abgesichert sind.
Am 20. Kongress der Kommunistischen Partei (KP) Chinas, der am 16. Oktober beginnt, dürfte Präsident Xi Jinping für eine dritte Amtszeit bestätigt werden. Dies ist ein Novum nach der bisherigen Beschränkung auf zwei Amtsperioden. Theoretisch geht es beim Kongress lediglich um die Formalisierung von lange geplanten politischen Rücktritten und Beförderungen. Doch sobald die Ernennungen bestätigt sind, dürften sie zu einer pragmatischeren Gesundheits- und Industriepolitik führen und die Aussichten für Chinas Wirtschaft und Finanzmärkte im Jahr 2023 verbessern.
Der Parteikongress, der alle fünf Jahre stattfindet, wählt ein 200-köpfiges Zentralkomitee. Dieses wiederum bestimmt die Führungspersönlichkeiten im Politbüro der KP, der höchsten Ebene der politischen Macht Chinas. In diesem Prozess wird die KP mit grosser Wahrscheinlichkeit Präsident Xi als Parteivorsitzenden wiederwählen. Zudem wird sie andere Schlüsselpositionen in der Partei bestätigen, die sich schliesslich im Staatsrat (Kabinett), in den Ministerien und in den Provinzregierungen widerspiegeln werden. Ein grosser Teil des Zentralkomitees der KP wird durch Beförderungen, Rücktritte und Ernennungen neu bestellt. Während die dritte Amtszeit von Präsident Xi einen Präzedenzfall schafft, behält die KP informelle Ernennungs- und Rücktrittsalter bei. Sie wird diese für die Erneuerung von drei Fünfteln des Zentralkomitees anwenden. Der Chef der Wirtschaftspolitik, Liu He, wird in den Ruhestand gehen, und Premierminister Li Keqiang könnte zurücktreten, da er nicht weiter aufsteigen kann.
Diese Anpassungen bieten Präsident Xi und dem Politbüro die Möglichkeit, nach den unerwarteten Herausforderungen des Jahres 2022 ein neues wirtschaftliches Narrativ zu schaffen. Wir erwarten, dass die KP nach dem Kongress für die Wirtschafts- und Gesundheitspolitik im Jahr 2023 eine Rückkehr zu einem Wachstumsfokus signalisiert.
„Ziel für das zweite Jahrhundert“
Die KP hat 2021 ihr hundertjähriges Bestehen gefeiert. Als „Ziel für das zweite Jahrhundert“ will sie China bis 2050 zu einem „grossen modernen sozialistischen Land“ machen. Die Partei hat als Zwischenziel zudem die „Verdoppelung“ der Grösse der chinesischen Wirtschaft bis 2035 definiert. Das bedeutet, dass China in den kommenden zehn Jahren jährliche Wachstumsraten im unteren bis mittleren 4%-Bereich aufrechterhalten muss.
Zunächst könnte die Null-Covid-Politik gelockert werden. China mit seinen 1,4 Milliarden Einwohnern hat offiziell etwas mehr als 2,8 Millionen Covid-Infektionen und 15’400 Todesfälle registriert. Dies entspricht nur einem Bruchteil der Zahlen der übrigen Welt. Die chinesischen Behörden haben versucht, jeden Covid-Ausbruch mit Lockdowns, Zwangsisolierung und strengen Reisebeschränkungen zu bekämpfen. Diese Gesundheitspolitik hat China vom Rest der Welt isoliert. Am 3. Oktober starteten oder landeten in China nur 150 internationale Flüge, verglichen mit 2’700 am selben Tag vor drei Jahren, wie Bloomberg letzte Woche berichtete.
Die Beschränkungen stossen im Volk auf Widerstand, doch in gewisser Hinsicht hatte das Land kaum eine andere Wahl: Chinas alternde Bevölkerung ist durch im Inland entwickelte Impfstoffe relativ schlecht geschützt. In begrenztem Rahmen gibt es Schritte zur Wiedereröffnung. Die „Sonderverwaltungsregionen“ Hongkong und Macao haben einige Beschränkungen aufgehoben und dienen als Testfall für das ganze Land. Zudem sind einige hochrangige Vertreter der KP ohne Gesichtsmasken gereist oder öffentlich aufgetreten. Wenn die KP die Covid-Politik im Jahr 2023 lockern kann, dürfte ein Hemmschuh für Wachstum und Produktivität wegfallen.
Inländische Wachstumstreiber, Immobilien
Nicht nur im Gesundheitswesen ist eine Anpassung der Politik erforderlich. Die weltweite Nachfrage der Handelspartner nach chinesischen Waren kühlt sich ab. Daher braucht das Land inländische Wachstumsimpulse, um die wahrscheinliche Exportschwäche auszugleichen und die wirtschaftlichen Ziele zu erreichen. In Bereichen, die von strengen Vorschriften und makroökonomischer Austerität betroffen sind, liegt es nahe, Massnahmen zu lockern oder sogar rückgängig zu machen.
Die Regierung muss den Immobilienmarkt stabilisieren, auf den mehr als ein Fünftel des Bruttoinlandsprodukts (BIP) entfällt. Dieser Markt ist auch politisch heikel. Ein grosser Teil des chinesischen Privatvermögens ist in Wohneigentum gebunden, und die Preise für neue Immobilien sinken seit einem Jahr. Die Regierung hat die Hypothekenzinsen, den Kreditzugang und andere Beschränkungen für den Erwerb von Wohneigentum gelockert, um die Nachfrage nach Wohnraum anzukurbeln. Zudem hat sie begonnen, den Zugang zu den Onshore-Anleihemärkten zu öffnen. Ferner hat die Regierung Berichten zufolge grosse Banken aufgefordert, Immobilienentwicklern Kredite für unvollendete Projekte zu gewähren. Wir gehen davon aus, dass diese Bemühungen fortdauern.
Die nächste Hürde ist Chinas Handels- und Industriepolitik. China ist der grösste Produzent der Welt, und rund um den Globus ist man nach wie vor von seinen Maschinenexporten abhängig. Seit Jahren versucht China, seine Wirtschaft auf eine stärkere Binnennachfrage umzustellen. Die Pandemie hat den westlichen Ländern gezeigt, dass es sinnvoll ist, mehr Rohstoffe, Komponenten und Fertigerzeugnisse im Inland bereitzustellen. Die schwierigen geopolitischen Verhältnisse, einschliesslich des Ukrainekriegs, beschleunigen den Diversifizierungstrend weg von China und verstärken die Bemühungen, bei strategisch sensiblen Technologien unabhängig zu werden. Es liegt auf der Hand, dass China darauf mit der Unterstützung von Industrieaktivitäten und Investitionen reagiert und die gesundheitspolitischen Hindernisse beseitigt.
Wachstum im Jahr 2023
Die chinesische Wirtschaft wuchs im zweiten Quartal 2022 um 0,4%. Sie dürfte auch im September zugelegt haben, zumal der Einkaufsmanagerindex des Landes von 49,4 auf 50,1 stieg. Dies ist die erste Zunahme seit zwei Monaten, und der erreichte Wert deutet auf eine wirtschaftliche Expansion hin. Wir erwarten, dass China 2022 ein BIP-Wachstum von 3,3% verzeichnet, d.h. hinter seinem Ziel von 5,5% zurückbleibt, und 2023 um 5,5% wächst. Diese Prognosen hängen von einer allmählichen Wiedereröffnung ab Anfang 2023 und weiterer fiskal- und geldpolitischer Unterstützung ab.
Nach fiskalpolitischen Sparmassnahmen in Höhe von 4,7% des BIP im Jahr 2021 hat Peking zusätzliche Konjunkturmassnahmen in Höhe von 2,9% des BIP ergriffen. Dies ist nach der Unterstützung im Jahr 2020 im Zuge der Pandemie die zweithöchste Summe in den letzten zehn Jahren. Sollte sich der Gegenwind für das Wachstum im weiteren Verlauf des Jahres 2022 verstärken, könnte die Regierung noch mehr ausgeben, um eine Erholung zu sichern.
Um das Wachstum anzukurbeln, hat die People’s Bank of China (PBoC) die Kredit- und Interbankenzinsen gesenkt und die Liquidität in der Wirtschaft erhöht. Zugleich bekämpfen andere Notenbanken die hohe Inflation mit Zinsstraffungen. Chinas Geldpolitik dürfte akkommodierend bleiben, da das Land weiterhin seinen Immobiliensektor restrukturieren und einen Umgang mit dem rückläufigen Handel finden muss.
Für die Wiedereröffnung positioniert, fiskal- und geldpolitische Unterstützung
Über weite Strecken des ersten Halbjahrs 2022 erzielte China einen Leistungsbilanzüberschuss, der die Empfindlichkeit des Renminbi gegenüber dem stärkeren US-Dollar verringerte. Allerdings verzeichnete China umfangreiche Portfolioabflüsse, da die Anlegerinnen und Anleger nach höheren Renditen in Dollar strebten. Zudem machte die jüngste Schwäche der Warenexporte die relative Widerstandsfähigkeit der Währung teilweise zunichte. Infolgedessen wertet der Renminbi nun im Einklang mit vielen anderen Währungen gegenüber dem Dollar ab. Während eine lockerere Gesundheitspolitik das Wachstum 2023 begünstigen dürfte, könnte der chinesische Tourismus im Ausland den Renminbi schwächen, indem er zu Kapitalabflüssen führt. Die jüngsten Massnahmen zur Verteidigung der Währung, einschliesslich der Festlegung der Wechselkurse durch die PBoC, zielen darauf ab, das Tempo der Abwertung zu begrenzen. Wir gehen davon aus, dass der USDRMB-Kurs in den nächsten zwölf Monaten 7.15 erreicht.
Unsere Portfolios sind weiterhin so positioniert, dass sie von einer sich wieder öffnenden Wirtschaft Chinas profitieren. Seit Mai 2022 halten wir eine Übergewichtung chinesischer Aktien gegenüber anderen Schwellenländern. Chinesische Dividendenpapiere scheinen weiterhin attraktiv bewertet, und die Korrelation mit anderen globalen Aktienmärkten bleibt gering. Wir erwarten, dass sich das Wachstum dank zusätzlicher fiskalischer Unterstützung und einer allmählichen Lockerung der Gesundheitsbeschränkungen bis ins nächste Jahr hinein beschleunigt. Darüber hinaus ist unsere auf Renminbi lautende Anleiheposition währungsgesichert. Sie steht im Einklang mit der Position der PBoC, die als einzige grosse Notenbank weiterhin eine akkommodierende Geldpolitik verfolgt.
Wichtige Hinweise.
Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende
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