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    US-Zwischenwahlen: Kopf-an-Kopf-Rennen deutet auf gespaltenen Kongress hin

    US-Zwischenwahlen: Kopf-an-Kopf-Rennen deutet auf gespaltenen Kongress hin
    Stéphane Monier - Chief Investment Officer<br/> Lombard Odier Private Bank

    Stéphane Monier

    Chief Investment Officer
    Lombard Odier Private Bank

    Kernpunkte

    • Trotz wider Erwarten schwacher Ergebnisse für die Republikaner dürfte die Partei das Repräsentantenhaus mit einer knappen Mehrheit für sich gewinnen, während das Rennen um den Senat sehr knapp bleibt
    • Ein gespaltener Kongress würde den politischen Stillstand verstärken. Wir erwarten mehr Haushaltsdisziplin – z.B. in Bezug auf Konjunkturanreize während der bevorstehenden Rezession. Zugleich hat das Konfliktpotenzial rund um die Schuldenobergrenze etwas nachgelassen. Die finanzielle Unterstützung für die Ukraine könnte kritischer hinterfragt werden
    • Der wichtigere Markttreiber bleibt unterdessen der geldpolitische Kurs. Wir prognostizieren einen Zinshöchststand bei etwa 5% und drei schwierige Quartale für die US-Wirtschaft
    • Wir halten an der übergewichteten Position in US-Staatsanleihen und dem US-Dollar fest und bevorzugen in unseren US-Aktienbeständen Qualität.

    Die Parteien lieferten sich bei den Zwischenwahlen in den USA am 8. November, den sogenannten Midterms, ein unerwartet enges Rennen. Erste Ergebnisse lassen vermuten, dass die Demokraten den Senat knapp halten könnten – auch wenn die Ungewissheit hoch ist – und die Republikaner eine dünne Mehrheit im Repräsentantenhaus gewinnen könnten. Zum Zeitpunkt, zu dem dieser Artikel verfasst wurde, hatten die Demokraten im Senat 48 Sitze, gegenüber ebenfalls 48 der Republikaner (es braucht 51 für die Mehrheit). Im Repräsentantenhaus hielten die Republikaner 199 Sitze und die Demokraten 178 (für die Mehrheit sind 218 erforderlich1). Die endgültigen Ergebnisse werden unter Umständen erst in einigen Wochen feststehen. Im Bundesstaat Georgia besteht die Möglichkeit einer Stichwahl im Dezember. Die Ergebnisse könnten aufgrund der laufenden Zweifel an den demokratischen Prozessen in den USA angefochten werden. Diese Zweifel hatten bei den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2020 ihren Anfang genommen.

    Die Partei des amtierenden Präsidenten verliert bei den Zwischenwahlen in der Regel Sitze. Es war zu erwarten, dass Joe Bidens geringer Beliebtheitsgrad (53% der Amerikaner missbilligen, wie er sein Amt ausführt2) das Ergebnis der Demokraten belasten würde. Im Sommer schnitten die Demokraten in den Umfragen besser ab: Für Auftrieb sorgten ein starker Arbeitsmarkt, die Verabschiedung des „Inflation Reduction Act“ (IRA), die Entscheidung des Supreme Court bezüglich Abtreibungen und der Rückgang der Benzinpreise gegenüber den Höchstständen im Juni.

    Aber beim Urnengang beschäftigten die Sorgen über die Wirtschaft die Wählerinnen und Wähler am meisten. Alle Einkommensgruppen spüren die höheren Lebenshaltungskosten. Die Benzinpreise steigen wieder. Zudem machen sich die Wähler Sorgen über Kriminalität und illegale Einwanderung, ein langsameres Wachstum und eine jährliche Teuerungsrate von 8,2%. All dies sprach eigentlich klar für einen Erfolg der Republikaner. Doch die Republikaner und insbesondere die vom ehemaligen Präsidenten Donald Trump unterstützten Kandidaten konnten die Erwartungen stärkerer Zugewinne nicht erfüllen.

     

    Mehr politischer Stillstand

    Ein voraussichtlich gespaltener Kongress würde es den Demokraten erschweren, neue Gesetze zu verabschieden. Es käme zu einem lähmenden politischen Stillstand. Im Umkehrschluss wären dadurch mehr parteiübergreifende Kompromisse in Bezug auf die Verteidigungspolitik, die Unterstützung der Ukraine und eine verringerte Abhängigkeit von China bei den Lieferketten erforderlich. Zu den letzteren Themen gibt es bereits einen breiten Konsens. Wir erwarten nach diesen Wahlen keine wesentlichen Änderungen bei Steuern, Umweltgesetzen oder Vorschriften für Technologieunternehmen.

    Wir erwarten nach diesen Wahlen keine wesentlichen Änderungen bei Steuern, Umweltgesetzen oder Vorschriften für Technologieunternehmen

    Bei einem gespaltenen Kongress werden die Republikaner wahrscheinlich einen härteren haushaltspolitischen Kurs fahren. Sie dürften beispielsweise Anreize dämpfen, welche die Demokraten angesichts der bevorstehenden Rezession auf den Weg bringen könnten. Allerdings haben die Demokraten in ihren ersten zwei Jahren im Amt viele wichtige politische Initiativen und Impulse vorgezogen. Dazu gehören der IRA und Ausgaben in Höhe von beinahe USD 1,9 Bio. für Infrastruktur, saubere Energie und Halbleiter, die Arzneimittelpreis- und Medicare-Reform sowie Änderungen in der Leitung von Aufsichts- und anderen Behörden. Eine strengere Kontrolle der Haushaltsausgaben kann ferner das Risiko von Shutdowns erhöhen. Dies wäre der Fall, sollte der Kongress den jährlichen Finanzierungsplan für die Regierung nicht vor Ablauf einer Frist am 16. Dezember und vor der Vereidigung des neuen Kongresses erneuern. Die Frist endet traditionell im Oktober. Das Risiko der Stilllegung der Verwaltung könnte sich 2023 und 2024 wiederholen.

     

    Risiken im Zusammenhang mit einer strengeren Haushaltsdisziplin und der Schuldenobergrenze

    Eine bescheidene republikanische Mehrheit im Repräsentantenhaus senkt das Risiko, dass die Partei die US-Schuldenobergrenze nutzt, um die Demokraten zu Ausgabenkürzungen und Zugeständnissen zu zwingen. Ein Überschreiten der Schuldenobergrenze in den kommenden Monaten könnte zu ausserordentlichen Massnahmen des US-Finanzministeriums führen. Der Republikaner Patrick McHenry, voraussichtlicher neuer Vorsitzender des Committee on Financial Services des Repräsentantenhauses, unterstrich die Risiken, die mit der Verwendung der Obergrenze als Druckmittel verbunden sind. Er liess durchblicken, dass die Vernunft sich wohl einmal mehr durchsetzen wird. Daher halten wir die Wahrscheinlichkeit eines technischen Zahlungsausfalls für sehr gering. Unterdessen erwägen die Demokraten Berichten zufolge Wege, die Obergrenze möglicherweise bis 2024 anzuheben, bevor ein neuer Kongress vereidigt wird.

    Eine bescheidene republikanische Mehrheit im Repräsentantenhaus senkt das Risiko, dass die Partei die US-Schuldenobergrenze nutzt, um die Demokraten zu Ausgabenkürzungen und Zugeständnissen zu zwingen

    Es besteht ein breiter Konsens bezüglich der Sanktionen gegen Russland aufgrund der Invasion in die Ukraine. Hingegen könnten die Erfolge der Republikaner mehr Widerstand gegen die Militär- und Finanzhilfe für die Ukraine bedeuten. Der Konflikt dauert nun schon über acht Monate. Ein Ende ist nicht in Sicht, und in der republikanischen Partei herrschen Meinungsverschiedenheiten zu den Ausgaben. Einige fordern mehr Aufsicht und Rechenschaftspflicht. Andere fragen sich, ob die Gelder nicht besser zur Bekämpfung der Wirtschaftsprobleme im Inland ausgegeben werden sollten. Die Demokraten könnten eine Finanzierung für die Ukraine anstreben, indem sie noch vor dem 3. Januar, wenn sich der Kongress neu konstituiert, ein Hilfspaket schnüren.

    Die Demokraten könnten eine Finanzierung für die Ukraine anstreben, indem sie noch vor dem 3. Januar, wenn sich der Kongress neu konstituiert, ein Hilfspaket schnüren

    Der Verlust der Kontrolle über das Repräsentantenhaus wird die verbleibende Amtszeit von Präsident Biden erschweren und seine Chancen auf eine erneute Kandidatur 2024 verringern. Die Republikaner könnten Untersuchungen zu seinen Durchführungsverordnungen einleiten. Wahrscheinlich ist, dass die Republikaner sich dazu entscheiden, die Untersuchung des Angriffs vom 6. Januar 2021 auf das US-Kapitol einzustellen. Dies könnte ein Land, in dem das politische System unvermindert unter Beschuss steht und starken Spannungen ausgesetzt ist, zusätzlich spalten. Allerdings könnten unerwartet schlechte Ergebnisse der Republikaner bei den Midterms und ein überzeugender Sieg des Trump-Rivalen und Gouverneurs von Florida, Ron DeSantis, die für die Präsidentschaftswahlen 2024 erwartete Kandidatur von Trump erschweren. Der ehemalige Präsident wird seine Kandidatur voraussichtlich am 15. November bekannt geben.

     

    Ein entscheidender Zeitpunkt im Zyklus

    Die Zwischenwahlen finden zu einem entscheidenden Zeitpunkt im Wirtschaftszyklus statt. Sie sind ein bedeutender Test für das angeschlagene politische System in den USA. Der wichtigere Markttreiber bleibt allerdings die US-Geldpolitik, die vom Erfolg der Inflationsbekämpfung und vor allem von den Entwicklungen auf einem angespannten Arbeitsmarkt abhängt. Die Daten vom Oktober zeigen, dass sich das Beschäftigungswachstum weiter abkühlt. Doch ein Arbeitskräftemangel bedeutet, dass die Arbeitslosenquote anhaltend niedrig und der Lohndruck unangenehm hoch bleibt. Dies wiederum hält die US-Notenbank unter Zugzwang, die Politik zu straffen. Nach der vierten Leitzinserhöhung um 75 Basispunkte (Bp.)

    in Folge im November gehen wir von einer Verlangsamung auf 50 Bp. im Dezember und einem Zinshöchststand von rund 5,0% im Jahr 2023 aus. Wir prognostizieren für die US-Wirtschaft drei schwierige Quartale und ein Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts von lediglich 0,7% im kommenden Jahr. Sowohl der Immobilien- als auch der Arbeitsmarkt dürften unter den angespannteren Finanzierungsbedingungen leiden.

    Wir prognostizieren für die US-Wirtschaft drei schwierige Quartale und ein Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts von lediglich 0,7% im kommenden Jahr

    Die Märkte werden unterdessen das neue Machtgleichgewicht im Kongress in gewisser Weise begrüssen. Denn es hat sowohl für die Anleihe- als auch für die Aktienmärkte der USA potenziell positive Folgen. Eine strengere Haushaltsdisziplin kann sich positiv auf US-Staatsanleihen auswirken, da sie auf geringere Neuemissionen und eine niedrigere Inflation hindeutet. Auch wenn sich herausstellen sollte, dass weitere militärische Hilfen für die Ukraine schwieriger zu erhalten sind, dürften die Sanktionen gegen russische Energie in Kraft bleiben. Dies dürfte die aktuellen „Terms of Trade “-Vorteile des US-Dollar gegenüber dem Euro unterstützen. In Bezug auf unsere Portfoliopositionierung haben wir kürzlich das Engagement in US-Staatsanleihen auf eine Übergewichtung erhöht. Wir halten an der Übergewichtung des US-Dollar fest, da wir davon ausgehen, dass die Stärke der US-Währung in den kommenden Monaten anhält. In US-Aktien bleiben wir untergewichtet, wobei wir Qualitätswerte bevorzugen. Auf Sektorebene sind wir in Gesundheit und Energie übergewichtet.

    In den kommenden Tagen und Wochen werden die verbleibenden Stimmen ausgezählt. Unser Augenmerk gilt unvermindert der Frage, wie sich die Ergebnisse der Midterms auf die Märkte, die US-Aussenpolitik und auf inländische Programme und Ausgaben auswirken.

     

    1 Zahlen von CNN, 9. November, 14.30 Uhr mitteleuropäische Zeit.
    NBC-Nachrichtenumfrage vom 3. bis 5. November.

    Wichtige Hinweise.

    Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende

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