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Stimmenauszählung der US-Zwischenwahlen, Vorbereitung auf eine Rezession
Lombard Odier Private Bank
Kernpunkte
- Die Zwischenwahlen in den USA werden das Tempo der politischen Veränderung in den nächsten zwei Jahren unter der Regierung Biden bestimmen
- Die Fed rechnet mit einer höheren Endrate im Zinszyklus. Ein geringeres Straffungstempo würde mehr Spielraum bieten, um die wirtschaftlichen Folgen höherer Kreditkosten zu beobachten
- Wir erwarten eine Verlangsamung des US-Wachstums mit dem Potenzial einer Rezession, die Ende 2022 beginnt und in der ersten Hälfte des Jahres 2023 fortdauert
- Wir bevorzugen US-amerikanische gegenüber europäischen Staatsanleihen. In US-Aktien bleiben wir untergewichtet, wobei wir Qualitätstitel bevorzugen. Die Übergewichtung des US-Dollar behalten wir bei.
Die amerikanischen Wählerinnen und Wähler bereiten sich auf die Zwischenwahlen, die sogenannten Midterms, am 8. November vor. Die Welt blickt auf die US-Wirtschaft, die sich für eine erwartete Rezession im kommenden Jahr wappnet. Zudem richtet sich die Aufmerksamkeit auf die Anpassung der US-Geldpolitik an eine sich verlangsamende Inflation. Wir werden die Wahlergebnisse der Midterms einschätzen, sobald sie feststehen.
Nach den Präsidentschaftswahlen 2020 wurden Behauptungen laut, dass Donald Trump eine zweite Amtszeit vorenthalten worden sei. Deshalb ist die politische Integrität des US-Wahlsystems ein viel beachtetes Thema. Nach den Zwischenwahlen kann die Auszählung der Stimmen Tage dauern. Wird ein Teil der Stimmen rechtlich angefochten, was angesichts der derzeitigen Polarisierung wahrscheinlich scheint, könnte das Ergebnis noch länger auf sich warten lassen. Während im Zuge der Midterms Diskussionen über die Risse in der US-Demokratie geführt werden, gelten die Sorgen der Anlegerinnen und Anleger vor allem der weiteren Entwicklung der Geldpolitik.
Die Wahlen finden zu einem entscheidenden Zeitpunkt im wirtschaftlichen und geldpolitischen Zyklus der USA statt. Die Wirtschaft bereitet den Wählern die grössten Sorgen. Den Kreditkartendaten zufolge verlangsamen sich die Verbraucherausgaben. Die US-Inflation bleibt hartnäckig hoch. Sie betrug im September 8,2%, trotz der schnellsten Zinserhöhungen seit vier Jahrzehnten. Der Arbeitsmarkt spiegelt die Auswirkungen der steigenden Kreditkosten nur allmählich wider. Seine Entwicklung wird für die Geldpolitik zentral sein. Die amerikanische Wirtschaft schaffte im Oktober 261’000 Arbeitsplätze. Damit ging die Zahl neuer Stellen im dritten Monat in Folge zurück. Entsprechend stieg die Arbeitslosenquote um 0,2% auf 3,7% und lag damit knapp über dem 50-Jahres-Tief von vor der Pandemie. Dies deutet darauf hin, dass trotz der Rezessionsprognosen weiterhin Arbeitskräfte gesucht werden.
Wenn sich die Trends fortsetzen, werden sie der US-Notenbank Fed weitere Argumente liefern, um die Zinserhöhungen zu verlangsamen. Letzte Woche signalisierte die Fed zwei wichtige Änderungen in ihrem Ausblick. Erstens wird sie das Tempo der Zinserhöhungen drosseln, wahrscheinlich schon im Dezember. Zweitens wird sie nicht auf die Bestätigung warten, dass die Inflation ihren Höhepunkt erreicht hat, bevor sie die Gangart wechselt. Nach vier aufeinanderfolgenden Anhebungen um 75 Basispunkte (Bp.), um den Zielsatz auf 3,75% bis 4% zu bringen, könnte sich das Tempo der Zinserhöhungen demnach verringern. Im Dezember könnte die Fed die Zinsen um 50 Bp. anheben, gefolgt von Erhöhungen um 25 Bp. im Februar und März 2023. Ausserdem steigt die Wahrscheinlichkeit, dass weitere Straffungen erforderlich sind – vielleicht bis in den Mai hinein. Damit würde die „Terminal Rate“ – der Zinssatz, der am Ende des Erhöhungszyklus erreicht wird – in den USA auf etwa 5% steigen.
Beobachten und abwarten
Die Notenbank verschafft sich so mehr Spielraum, um die Auswirkungen höherer Kreditkosten auf die Realwirtschaft zu beobachten, was wiederum das Risiko eines geldpolitischen Fehlers verringert. Die Schattenseite dieses Vorgehens besteht darin, dass die US-Wirtschaft länger in einer Phase begrenzten Wachstums oder einer Rezession verharrt. Im Dezember wird die Fed einen neuen Zinsausblick veröffentlichen.
Es scheint sehr wahrscheinlich, dass der Preis für die Eindämmung der Inflation eine US-Rezession sein wird. Sobald die Verlangsamung eintritt, ist zu erwarten, dass sich die restriktivere Geldpolitik auf den Arbeitsmarkt auswirkt. Die Arbeitslosigkeit dürfte steigen, das Lohnwachstum dürfte nachlassen, und der ohnehin schon schwächere Immobilienmarkt dürfte sich weiter abkühlen.
Die Geldpolitik ist natürlich kein isolierter Vorgang. Das US-Wirtschaftswachstum scheint auf den ersten Blick solide. Die amerikanische Wirtschaft wuchs im dritten Quartal 2022 um 2,6%, nachdem sie in den ersten beiden Quartalen des Jahres zurückgegangen war. Allerdings sind sowohl der Wohnungsbau als auch die Verbraucherausgaben rückläufig. Zudem haben die Rohölausfuhren die Exporte begünstigt, wodurch sich das Handelsdefizit verringert hat. Insgesamt halten wir es für möglich, dass die US-Wirtschaft bereits Ende 2022 in eine Rezession rutscht, die in der ersten Hälfte des Jahres 2023 fortdauert. Das Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) dürfte 2022 bei 1,5% und 2023 näher bei 1,4% liegen.
Umfragen
Wie bei den Midterms in der Vergangenheit signalisieren die Meinungsumfragen, dass die Demokraten sowohl im Repräsentantenhaus als auch im Senat Einbussen erleiden. Jüngste Studien zeigen, dass unabhängig von der Verfassung der US-Wirtschaft oder der Popularität des amtierenden Präsidenten dessen Partei bei Zwischenwahlen Sitze verliert. 2022 wird wahrscheinlich keine Ausnahme sein. Die Beliebtheit von Präsident Joe Biden ist mit rund 40% gering. Die Kerninflation, welche die volatilsten Elemente – Lebensmitteln und Energie – ausschliesst, verharrt auf dem höchsten Stand seit August 1982 und belastet die Kaufbereitschaft der Verbraucher.
Nach einem Modell der Datenplattform FiveThirtyEight beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass die Republikaner die Mehrheit im Repräsentantenhaus erringen, 85%. Im Repräsentantenhaus, in dem die Demokraten derzeit eine Mehrheit von nur acht Sitzen halten, stehen alle 435 Sitze zur Wahl. Die Umfragen für den Senat, in dem 35 der 100 Sitze neu besetzt werden, deuten auf ein wesentlich knapperes Ergebnis – im Einklang mit der bisher ausgeglichenen Verteilung. Darüber hinaus werden Ämter auf bundesstaatlicher und lokaler Ebene neu bestellt. Die betreffenden Neubesetzungen beeinflussen die Fähigkeit der Regierung Biden, in den nächsten zwei Jahren Gesetze zu verabschieden.
In diesem polarisierten Umfeld sehen wir wenig Chancen für wesentliche Änderungen bei Steuern, Umweltgesetzen oder Beschränkungen für Technologieunternehmen. Kurzfristig könnte ein neu gewählter Kongress mit einem höheren Anteil an Republikanern beschliessen, die USA in einen politischen Kampf um die Schuldenobergrenze des Landes zu stürzen. Die Republikaner könnten so die Regierung Biden zu Haushaltskürzungen zwingen. Vor den nächsten Präsidentschaftswahlen im Jahr 2024 wird ein gespaltener Kongress zweifelsohne geringere Staatsausgaben zur Folge haben. Allerdings hat die Regierung Biden bereits Impulsprogramme verabschiedet: USD 1,2 Bio. für die Infrastruktur, weitere USD 390 Mrd. für die Energiewende und USD 280 Mrd. zur Förderung von Innovation und Investitionen in die Halbleiterindustrie des Landes. Diese Programme werden nicht rückgängig gemacht, selbst wenn die Kontrolle über eine oder beide Kammern des Kongresses an die Republikaner geht.
Aufstocken von Staatsanleihen
Was unsere Portfoliopositionierung in Festverzinslichen betrifft, so haben wir jüngst unsere Bestände an Staatsanleihen aufgestockt. Wir positionieren uns neutral, da die attraktiven Renditebewertungen und die fortgeschrittenen Wirtschaftszyklen die aggressive geldpolitische Straffung ausgleichen. Bei der Umsetzung bevorzugen wir US-amerikanische gegenüber europäischen Staatsanleihen, da wir die Visibilität bei US-Treasuries für besser und folglich das Risiko für geringer halten.
In einem turbulenten Jahr für Aktien gab es nur wenige Zufluchtsorte. Im bisherigen Jahresverlauf hat der Dow Jones Industrial Average um 13%, der S&P 500 um 22% und der Nasdaq Composite um 32% nachgegeben. Gestützt auf unseren makroökonomischen Ausblick und die niedrigeren Gewinnerwartungen sehen wir den S&P in einem Jahr bei etwa 3’500 Punkten, gegenüber aktuell 3’771 Punkten. Wir haben das Engagement der Portfolios in US-Aktien schrittweise reduziert, wobei wir weiterhin Qualitätstitel bevorzugen.
Zudem favorisieren wir Währungen, die als sicherer Hafen gelten, wie den US-Dollar, den wir weiterhin übergewichten. Wird die Dollarstärke anhalten? Wir gehen nicht davon aus, dass sich die Stärke der US-Währung vor der zweiten Jahreshälfte 2023 umkehren wird. Bis dahin werden die knappere globale Liquidität, die Verlangsamung des Wachstums und der Vorteil der USA bei den Terms of Trade den Dollar stützen. Sobald die Notenbanken zu einer neutraleren Geldpolitik übergehen und sich die chinesische Wirtschaft wieder öffnet, könnte der Dollar schwächer werden. Daher sehen wir den Euro-Dollar-Kurs auf Sicht von drei Monaten bei 0.98 und in einem Jahr bei etwa 0.93.
Wichtige Hinweise.
Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende
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