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Japan: Lohnanstieg dürfte 2023 für Belebung sorgen
Lombard Odier Private Bank
Kernpunkte
- Japans Wirtschaft dürfte 2023 dank wieder geöffneter Grenzen und einer erwarteten Verbesserung der Binnennachfrage wachsen
- Angesichts der Rekordinflation sind die Löhne eine zentrale wirtschaftliche Variable. Es besteht politischer Konsens bezüglich höherer Gehälter und entsprechender staatlicher Anreize
- Die historisch lockere Geldpolitik der BoJ könnte sich ändern, wenn die zehnjährige Amtszeit des derzeitigen Gouverneurs im März 2023 endet
- Wir haben unsere Allokation in japanischen Aktien auf Small und Mid Caps verlagert, die vom anziehenden Binnenwachstum profitieren dürften.
In Japan dürfte eine Belebung der Wirtschaft bevorstehen. Das Land hat im Oktober die Grenzen für ausländische Besucherinnen und Besucher wieder geöffnet. Zudem könnte das Lohnwachstum in Japan nun die Binnennachfrage ankurbeln. Beide Faktoren verbessern die Aussichten für das Wachstum des Landes im Jahr 2023. Zugleich verlagern sich die Chancen der Aktienallokation auf kleine und mittelgrosse Unternehmen.
Wie viele andere fortgeschrittene Volkswirtschaften erlebt Japan eine Rekordinflation. Die Verbraucherpreise (ohne frische Lebensmittel) sind so schnell gestiegen wie seit 1982 nicht mehr, wenn man Phasen mit Verbrauchssteuererhöhungen ausklammert. Im Oktober haben die Preise gegenüber dem Vorjahr um 3,7% angezogen, und für das Gesamtjahr 2022 wird eine durchschnittliche Inflationsrate von 2,5% erwartet. Verglichen mit den USA oder der Eurozone bleibt die japanische Inflation relativ bescheiden. Für eine Wirtschaft, die jahrzehntelang mit einer extrem niedrigen Inflation zu kämpfen hatte, bedeutet dies jedoch eine radikale wirtschaftliche Veränderung.
Die Unternehmen haben von dieser Reflation erheblich profitiert und zu einer robusten Inlandsnachfrage beigetragen, während sich die Bedingungen ausserhalb des Landes verschlechtert haben. Dank einer grösseren Preisgestaltungsmacht und des billigen Yen sind die Gewinnmargen der Unternehmen auf den höchsten Stand seit mehreren Jahrzehnten geklettert. Ein Teil davon wird sich in einer anhaltend soliden Nachfrage nach Arbeitskräften und einer Kapazitätsausweitung niederschlagen (siehe Grafik 1). Unternehmen des nicht verarbeitenden Gewerbes erhalten Auftrieb durch die Wiederöffnung Japans für den Tourismus im letzten Monat: Die Zahl der Ankünfte aus dem Ausland erreichte im Oktober fast eine halbe Million, verglichen mit nur 22’000 im gleichen Monat des Vorjahres. Die stetige Ausweitung der staatlichen Investitionen in grüne Infrastruktur und die Militärausgaben werden sich ebenfalls positiv auf die Stimmung im Unternehmenssektor auswirken. Wir erwarten deshalb für 2023 ein Wachstum des Bruttoinlandsprodukts von 1,6%.
Da sich die Unternehmen in einer relativ soliden Lage befinden, wird für die japanische Binnennachfrage 2023 die Stärke des privaten Verbrauchs entscheidend sein. Dieser wird von den Aussichten für die Reallöhne angetrieben werden. Nachdem die Verbraucher 2022 aufgrund der begrenzten Einkommenszuwächse sowie der Preissteigerungen bei Energie und Lebensmitteln unter Druck waren, zeichnet sich eine gewisse Entspannung ab. Die Leistungen der japanischen Rentner werden mit einer einjährigen Verzögerung an die Inflation angepasst und werden 2023 einen bescheidenen Anstieg verzeichnen.
Die Regierung hat das politische Risiko eines Kaufkraftverlusts der Verbraucher erkannt. Als Teil eines am 28. Oktober verabschiedeten Lebenshaltungskosten-Pakets hat sie Stützungsmassnahmen für den Strom-, Gas- und Benzinverbrauch eingeführt. Im Rahmen dieser Bemühungen zur Eindämmung der Inflation arbeitet Japan auch daran, die Energieimporte aus dem Ausland zu verringern. Nach dem Abbau der Kernenergie infolge des Tsunamis von 2011 deckte Japan 2019 nur noch 12% seines Energiebedarfs aus heimischen Quellen. Derzeit sind zehn Kernreaktoren in Betrieb. 15 weitere sind entweder genehmigt, oder es ist ein Antrag auf Wiederinbetriebnahme gestellt worden.
Lohnentwicklung
Das Wirtschaftswachstum Japans wird von der Binnennachfrage abhängen, die wiederum dem Lohnwachstum der arbeitenden Haushalte unterliegt. In den zehn Jahren der „Abenomics“ war das Einkommenswachstum der Arbeitnehmer enttäuschend, was zum Teil auf die konservativen langfristigen Wachstumsaussichten der japanischen Unternehmen zurückzuführen war. Die Inflation und der Aufschwung des Dienstleistungssektors im Jahr 2022 zeigen nun Wirkung, und die Gesamtlöhne (reguläre Löhne plus Überstunden und Prämien, siehe Grafik 2) steigen.
Die Agenda des „neuen Kapitalismus“ von Premierminister Fumio Kishida sieht aggressivere Steueranreize für Unternehmen vor, damit diese die Löhne erhöhen und Arbeitnehmende ausbilden. Sie verknüpft höhere Löhne mit Anreizen im öffentlichen Auftragswesen und erhöht die Gehälter im öffentlichen Sektor in der Pflege und Kinderbetreuung. Eine Anhebung der durchschnittlichen Mindestlöhne betrifft etwa ein Sechstel aller Beschäftigten.
Es besteht demnach politischer Konsens bezüglich höherer Löhne. Entsprechend hat Japans grösster Gewerkschaftsverband kürzlich angekündigt, in der jährlichen Lohnverhandlungsrunde im Februar/März – genannt „Shunto“ – eine Erhöhung des Grundlohns um 3% zu fordern. Dies ist ungewöhnlich, da die Gewerkschaft normalerweise nur 2% oder weniger verlangt. Anlegerinnen und Anleger sollten die Möglichkeit eines soliden Lohnwachstums im Jahr 2023 nicht ausschliessen.
Geldpolitischer Kurs könnte sich bald ändern
Im Gegensatz zu den Bemühungen der Regierung, die Inflation einzudämmen, hat die Bank of Japan (BoJ) die Geldpolitik locker gehalten. Der kurzfristige Zielsatz von -0,1% ist seit Januar 2016 unverändert, bei einer Obergrenze von 0,25% für die Renditen zehnjähriger japanischer Staatsanleihen (JGB). Diese Politik ist als Kontrolle der Zinskurve bekannt.
Die Situation könnte sich bald ändern. Haruhiko Kuroda, Governeur der BoJ, wird im März 2023 nach zehnjähriger Amtszeit zurücktreten. Sein Nachfolger, der vom Premierminister ernannt wird, könnte einen ersten Schritt weg von der durch Kuroda 2013 eingeführten Politik zur Ankurbelung der Inflation machen. Es ist auch möglich, dass Kuroda vor seinem Ausscheiden aus dem Amt einen solchen Kurswechsel skizziert. Vorerst hat der Gouverneur weiterhin insistiert, dass die Inflation zurückgehen wird, sobald die Energiepreise sinken. Seinen Äusserungen zufolge akzeptiert die Notenbank eine Inflation, die kurzfristig über das 2%-Ziel der BoJ hinausschiesst, solange das Lohnwachstum rund 3% erreicht.
Für die Nachfolge von Kuroda sind zwei Kandidaten im Gespräch: Masayoshi Amamiya, der derzeitige stellvertretende Gouverneur der BoJ, und sein Vorgänger, Hiroshi Nakaso. Beide gelten als Vertreter einer orthodoxen Geldpolitik, wobei Nakasos restriktive Haltung deutlicher zum Ausdruck kommt als jene von Amamiya.
Die Regierung Kishida plant, einem unsichereren geopolitischen Umfeld mit höheren Militärausgaben zu begegnen. Zugleich sind die Zustimmungswerte des Kabinetts in der Öffentlichkeit auf ein Rekordtief von 37% gesunken. Grund für den Rückgang ist der Umgang mit den Verbindungen zwischen Mitgliedern der regierenden Liberaldemokratischen Partei (LDP) und der Vereinigungskirche. Diese Verbindungen kamen nach der Ermordung des ehemaligen Premierministers Shinzo Abe am 8. Juli ans Licht. Fast die Hälfte der LDP-Mitglieder soll mit der Kirche, deren Anhänger als „Moonies“ bekannt sind, in Verbindung stehen oder an Veranstaltungen dieser Kirche teilgenommen haben. Kishida ist politisch von der LDP-Fraktion, die der Kirche am nächsten steht, entfernt, und es gibt keinen offensichtlichen Kandidaten, der ihn herausfordern könnte. Daher ist die Wahrscheinlichkeit vorgezogener Parlamentswahlen eher klein, kann aber nicht ausgeschlossen werden. Wahrscheinlicher ist, dass Kishida die künftige Führung der BoJ bestimmt und bis zu den nächsten Parlamentswahlen, die vor Ende Oktober 2025 anstehen, im Amt bleibt.
Inlandsnachfrage dürfte Aktien kleiner und mittelgrosser Unternehmen stützen
Wir bleiben gegenüber dem japanischen Yen neutral und erwarten, dass der Dollar-Yen-Kurs im ersten Quartal 2023 in einer Spanne von 137 bis 145 notiert. Wenn die US-Notenbank im weiteren Verlauf des Jahres mit den Zinserhöhungen innehält, die BoJ restriktiver wird, die Regierung den Yen weiter verteidigt und das Land die Energieimporte reduziert, sehen wir einen Rückgang des Dollar-Yen-Wechselkurses. Bis Ende 2023 dürfte er bei 128 liegen.
Wir haben unsere Allokation in japanischen Aktien kürzlich von Titeln mit grosser Marktkapitalisierung (Large Caps) auf Werte mit kleiner und mittlerer Marktkapitalisierung (Small und Mid Caps) verlagert. Letztere profitieren unserer Meinung nach von ihrem grösseren Engagement in der heimischen Wirtschaft, einem defensiveren Sektormix und der Unterstützung durch die Regierungspolitik. Darüber hinaus sind Small und Mid Caps aus relativer Sicht attraktiv bewertet. Japans Binnennachfrage bietet für 2023 eine höhere Visibilität, und diese Aktien dürften die logischen Nutzniesser sein.
Wichtige Hinweise.
Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende
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