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Investieren in Bärenmärkten – wie geht es jetzt weiter?
Kernpunkte
- In der jüngeren Geschichte fiel der S&P 500 vom Höchst- bis zum Tiefstand in Bärenmärkten mit Rezession um 35% und in Baissen ohne Rezession um 19%
- Zyklische Bärenmärkte sind für Aktien weniger schmerzhaft als strukturelle Baissen, aber schmerzhafter als ereignisgesteuerte Bärenmärkte
- Wir prognostizieren eine Rezession im Jahr 2023. Die Bewertungen und die Stimmung am Aktienmarkt stehen mit dieser Erwartung im Einklang, während bei Gewinnen und Abflüssen weiteres Abwärtspotenzial besteht
- Unsere aktuelle Aktienallokation ist untergewichtet, mit Optionsstrategien auf die wichtigsten Indizes. Wir bevorzugen Qualitäts- und Substanzwerte, den britischen und den chinesischen Markt sowie die Sektoren Energie und Gesundheitswesen. Zugleich warnen wir vor Versuchen, den Markt zu timen.
Aktienanlegerinnen und -anleger leiden und suchen Abhilfe. Der S&P 500 hat in der ersten Jahreshälfte die schlechteste Performance seit 1970 verzeichnet. Die meisten grossen Aktienmärkte haben seit Anfang Jahr zwischen 10% und 25% eingebüsst. Der Abwärtstrend hält an, auch wenn sich die Kurse von den Tiefständen im Mai und Juni etwas erholt haben. Rezessionsängste haben sich zu den Sorgen über eine hohe Inflation und einen langwierigen Krieg in der Ukraine gesellt und diese in den Schatten gestellt. Das hat zu einer Rotation von zyklischen Werten in defensive Titel und Sektoren geführt. Die Stimmung der Anleger war selten so negativ. Welche Auswirkungen könnte eine sich abzeichnende Rezession auf die Märkte haben, und wie weit könnten die Märkte noch fallen? Welche Aktien, Sektoren, Regionen und Stile sollten wir in diesem Szenario bevorzugen? Und wann könnte es Zeit für „Buy the Dip“ sein – also Zeit, Aktien nach Kursrückgängen zu kaufen?
Was uns die Geschichte lehrt
Die jüngsten Bärenmarktphasen geben einen Anhaltspunkt für das Ausmass und die zeitliche Dimension von Marktverlusten. Einen groben Hinweis bietet die jeweilige Dauer des Rückgangs vom Höchststand bis zum Tiefstand. Betrachtet man 15 Korrekturen des S&P 500 um mehr als 15% seit 1960, so waren acht mit Rezessionen verbunden und sieben nicht (siehe Grafik). In den erstgenannten Fällen brauchten die Märkte durchschnittlich 14 Monate, um ihre Tiefstände zu erreichen, und die Einbusse vom Hoch zum Tief betrug im Mittel 35,0%. In den sieben Fällen ohne Rezession dauerte die Korrektur in der Regel nur halb so lang, und der Verlust belief sich im Mittel auf 19,4%. Vor diesem Hintergrund reflektiert die derzeitige Einbusse des S&P 500 um 17% über einen Zeitraum von fast sieben Monaten, dass der Markt im Hinblick auf die Wahrscheinlichkeit einer bevorstehenden Rezession geteilter Meinung ist. Demzufolge könnte bei einer Rezession ein weiteres Minus von rund 10% bis 15%+ bevorstehen, während der Markt andernfalls bald einen Boden finden könnte. Weitere Analysen signalisieren, dass eine weiche Landung mit einem Aufwärtspotenzial von rund 10% von hier aus vereinbar wäre.
Erschwerend kommt hinzu, dass bei einer Rezession die schmerzhafte Phase kurz oder lang sein kann. Im Jahr 2000 brauchten die Märkte trotz einer schwachen Rezession mehr als zwei Jahre, um einen Tiefpunkt zu erreichen. 1980 und 1973, als der Wirtschaftsrückgang stark war, dauerte es mehr als 1,5 Jahre, während es im Jahr 2020 trotz einer starken Kontraktion nur etwas mehr als ein Monat war. In der Regel sinken die Einkaufsmanagerindizes (PMIs) – ein Mass für die vorherrschenden wirtschaftlichen Bedingungen – während einer Rezession in den unteren 30er-Bereich (Werte unter 50 weisen auf eine Kontraktion hin), während die Arbeitslosigkeit deutlich zunimmt. Die Märkte können sich auch schnell wieder erholen. Allerdings dauert es analog zu den Ausverkaufsmustern in Rezessionen viel länger, bis sie die vorherigen Höchststände wieder erreichen (im Mittel 13 Monate), als in Korrekturen ohne Rezession (4 Monate).
Folglich scheint es für das Ausmass und die Dauer von Bärenmärkten massgeblich zu sein, ob sie von einer Rezession begleitet werden oder nicht. Das Timing ist jedoch unabhängig. Die Märkte sind vorausschauend: Sie erreichen ihren Höhepunkt tendenziell etwa sechs Monate vor dem „offiziellen“ Beginn einer Rezession (der erst Monate später feststellbar ist) und ihren Tiefpunkt vor dem Ende einer Rezession.
Auch die Analyse der Art des Bärenmarkts verrät uns möglicherweise mehr über die aktuelle Korrektur. Strukturelle Baissen entstehen durch zugrunde liegende wirtschaftliche Ungleichgewichte – etwa die kreditfinanzierte Immobilienblase, die 2008 platzte, oder die Kursaufblähung der Technologiewerte und des breiteren Aktienmarkts, die 2000 ein jähes Ende nahm. Diese waren in der von uns untersuchten Reihe am längsten und am schmerzhaftesten. Zyklische Bärenmärkte spiegeln einen klassischeren „Boom and Bust“-Zyklus wider, der in der Regel durch Zinserhöhungen ausgelöst oder gestoppt wird. Ereignisgesteuerte Bärenmärkte wiederum folgen auf einschneidende, einmalige Schocks, unabhängig davon, ob sie zu einer Rezession führen oder nicht. Ein Beispiel hierfür ist die Covid-19-Pandemie. Solche Baissen sind meist zwar schmerzhaft, aber von kurzer Dauer. Unseres Erachtens befinden wir uns in einem zyklischen Bärenmarkt, ohne grosse Ungleichgewichte, die korrigiert werden müssen. Der durchschnittliche maximale Rückgang beträgt hier 29,3%, bei einer mittleren Dauer von 21,6 Monaten.
Wo befinden wir uns jetzt im Konjunkturzyklus?
Scheint eine Rezession unvermeidlich, und wo stehen wir jetzt im Zyklus? Es scheint so gut wie sicher, dass die US-Zinserhöhungen im Juli und September ein Niveau erreichen werden, welches das künftige Wachstum begrenzt. Während die Einzelhandelsumsätze weiter steigen, verharrt die Stimmung der US-Verbraucher nahe einem Rekordtief. Die anziehenden Preise werden die Haushalte zunehmend dazu zwingen, einen grösseren Teil ihres Budgets für wesentliche Posten auszugeben. Unser bankeigener Weltwirtschaftsindikator – der World Economic Indicator – läuft dem globalen Bruttoinlandsprodukt (BIP) tendenziell sechs bis acht Monate voraus. Seit Kurzem zeigt er nicht mehr eine Verlangsamung, sondern eine Kontraktion an und deutet auf eine Rezession ab dem ersten Quartal 2023 hin. Unser Basisszenario einer milden Rezession im Jahr 2023 ist mittlerweile Konsens unter den Ökonomen, wie eine Umfrage der Financial Times ergab.
Infolge der zunehmenden Rezessionserwartungen und der bereits gestiegenen Zinsen steht der Rückgang der Aktienbewertungskennzahlen (Multiples) bereits in Einklang mit vergangenen Rezessionsphasen (siehe Grafik). Da die Multiples jedoch von einem so hohen Niveau aus gestartet sind, notieren sie nach den jüngsten Korrekturen lediglich auf einem Level, das den durchschnittlichen historischen Marktspitzen entspricht. Wir sehen daher wenig Spielraum für einen erneuten Anstieg, solange die US-Inflation nicht einen entscheidenden Höhepunkt erreicht hat. Auch die Stimmung der Anleger spiegelt einen Pessimismus wider, der mit früheren Markttiefs übereinstimmt. Die jüngste „Global Fund Manager Survey“, eine Umfrage der Bank of America, verdeutlicht dies. Darüber hinaus planen Mega Caps wie Goldman Sachs und Meta Platforms, weniger neue Mitarbeitende einzustellen und/oder Personal zu entlassen, was ebenfalls auf eine Kontraktion hinweist.
Gewinne – der Hund, der noch nicht gebellt hat?
Die Gewinne haben indessen noch nicht die gleichen Alarmglocken läuten lassen. Analysten erwarten für die laufende Berichtssaison zum zweiten Quartal eine durchschnittliche Steigerung des Gewinns je Aktie (EPS) von 5,6% – eine gesunde Zahl, die allerdings durch die Outperformance der Energieunternehmen deutlich verzerrt wird. Die Gewinne werden weiterhin durch das starke BIP-Wachstum und die hohen Rohstoffpreise gestützt. Doch da sich die Wirtschaftstätigkeit verlangsamt und die höheren Preise zu Buche schlagen, dürfte sich die Lage verschlechtern. Unseres Erachtens spiegelt sich dies noch nicht in den Konsensschätzungen für das EPS-Wachstum von 10% für das dritte sowie das vierte Quartal wider. Tatsächlich erwarten die Analysten für 2023 immer noch ein Gewinn- und Margenwachstum der Unternehmen. Während die Gewinne in der Regel auch in Marktabschwüngen ohne Rezession weiter steigen, sind in vergangenen Rezessionen die nachlaufenden (und zukunftsgerichteten) EPS-Werte durchschnittlich um 17% zurückgegangen. Jede Enttäuschung bei den Gewinnen des zweiten Quartals – oder mit grösserer Wahrscheinlichkeit bei den Prognosen der Unternehmensleitungen – wird sehr genau geprüft und könnte eine weitere Abwärtsbewegung an den Märkten auslösen.
Des Weiteren waren nur wenige Anzeichen für eine „Kapitulation“ der Anleger zu beobachten, die normalerweise eine Talsohle an den Märkten signalisiert. Sie äussert sich in raschen und wahllosen Aktienverkäufen und emporschnellenden Handelsvolumen. Die Abflüsse aus Aktien haben sich sicherlich beschleunigt, und die Verkäufe sind bei hochverzinslichen Unternehmensanleihen deutlicher als bei Aktien. Dennoch scheint es, dass wir von panikartigen Aktienverkäufen noch einiges entfernt sind.
Positionierung der Aktienallokationen
Das Anlageumfeld ist ungewöhnlich unsicher, und es gilt das Potenzial für steigende Kurse oder deutliche weitere Rückgänge abzuwägen. Vor diesem Hintergrund ist unsere Aktienposition leicht untergewichtet, wenn wir unsere Optionsstrategien auf US-amerikanische und europäische Indizes mitberücksichtigen. Diese sind darauf ausgerichtet, die Anleger teilweise vor künftigen Kursverlusten zu schützen. Zwar könnte es bei guten Nachrichten zu einer taktischen Erholung von „überverkauften“ Niveaus aus kommen. Doch angesichts der vorherrschenden Baissestimmung bräuchten wir mehr Klarheit über den Mix aus Inflation, Wachstum und Zinsen, um Aktien positiver zu bewerten.
Angesichts der hohen Performancestreuung bleiben die Mikrochancen bei der Titelauswahl attraktiv. Was die Ausrichtung auf Anlagestile anbelangt, bevorzugen wir Qualitäts- und Substanzwerte, die sich in früheren Marktkorrekturen mit Rezession am besten entwickelt haben (gegenüber einer Outperformance von Qualitäts- und Wachstumswerten in Korrekturen ohne Rezession). Bei den Sektoren bevorzugen wir Energie und Gesundheitswesen, bei den Regionen das Vereinigte Königreich, die USA und China.
Wir möchten die Anleger auch vor dem Versuch warnen, den Markt zu timen. Diese Strategie kann sich als kostspielig erweisen. Auf Tage mit schmerzhaften Verlusten an den Märkten folgen häufig extrem positive Tage. Es ist praktisch unmöglich zu beurteilen, wann man effektiv und konsequent ein- und aussteigen sollte. Ein Beispiel: Hätten Anleger in den letzten sieben Jahrzehnten die Performance der besten zehn Tage des S&P 500 verpasst, wäre ihnen im Durchschnitt eine Rendite von 63% pro Jahrzehnt entgangen (siehe Grafik). Die Auswirkungen, wenn man sowohl die besten als auch die schlechtesten Tage verpasst, sind insgesamt vernachlässigbar (schätzungsweise 16% über ein Jahrzehnt) und vielleicht sogar negativ, wenn man die Transaktionskosten mitberücksichtigt. Wir bevorzugen daher eine langfristige, diversifizierte Anlagestrategie, sowohl für Aktien als auch für andere Anlageklassen.
Wichtige Hinweise.
Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende
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