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    Gedanken zu Davos: „Business as usual“ ist vorbei

    Gedanken zu Davos: „Business as usual“ ist vorbei
    Thomas Hohne-Sparborth - Head of Sustainability Research at Lombard Odier Investment Managers

    Thomas Hohne-Sparborth

    Head of Sustainability Research at Lombard Odier Investment Managers

    Artikel veröffentlicht in The Business Times, 23 Januar 2024

    Während Flugzeuge starten und Züge einen steten Strom von Teilnehmenden in Anzügen und Winterstiefeln wieder nach Hause bringen, kehren die Skifahrer auf die Pisten im Schweizer Davos zurück. Eine weitere Ausgabe des Weltwirtschaftsforums (WWF) ist vorbei – doch was haben wir dabei erfahren und gelernt?

    Im Vergleich zum Vorjahr scheint die Welt sich verändert zu haben. Kurz vor dem Beginn der Veranstaltung veröffentlichte das WWF seinen jährlichen Global Risks Report. Dieser enthält die Ergebnisse einer weltweiten Umfrage unter 1’500 führenden Persönlichkeiten aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und anderen Bereichen. Letztes Jahr stand der starke Anstieg der Lebenshaltungskosten ganz oben auf der Liste der grössten kurzfristigen Sorgen, neben Naturrisiken und geoökonomischen Konflikten. In diesem Jahr sind andere Themen in den Mittelpunkt gerückt. Jetzt rufen „Falschinformationen und Desinformation“ die grössten kurzfristigen Ängste hervor, dicht gefolgt von „gesellschaftlicher Polarisierung“.

    Dieses Jahr sind etwa 4 Milliarden Menschen aufgerufen, bei Wahlen ihre Stimme abzugeben. Dementsprechend stand die Geopolitik bei den Gesprächen und Erörterungen in Davos deutlich stärker im Vordergrund. Als eines der ersten Länder in diesem Wahljahr hat Taiwan bereits abgestimmt und sich für eine dritte Amtszeit der bisherigen Regierung entschieden. Später in diesem Jahr wird sich die Aufmerksamkeit auf die US-Wahl konzentrieren. Was deren Ausgang angeht, sind die Märkte nach wie vor unschlüssig. Die geopolitischen Konflikte fanden jedoch ihren Weg in die formellen und informellen Gespräche in Davos.

    Dass der Temperaturanstieg die wichtige Zielmarke von 1,5 °C übertreffen wird, sei nun unvermeidlich. Im Best-Case-Szenario werde sich die Erde in den nächsten Jahrzehnten voraussichtlich um mindestens 1,7 °C oder 1,8 °C erwärmen

    Eines bleibt indessen unverändert. Die Wahrnehmung bezüglich der kurzfristigen Risiken hat sich zwar geändert, doch im Ausblick auf die nächsten zehn Jahre stehen Naturrisiken an erster Stelle. Extreme Wetterereignisse, massive Veränderungen der Erdsysteme und der Biodiversitätsverlust bereiten die grössten Sorgen. Und das mit gutem Grund. Das letzte Jahr war erneut das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen. Bei einem von Lombard Odier ausgerichteten „Nature Dinner“ zu Beginn der Woche in Davos richtete Professor Johan Rockström mahnende Worte an die Anwesenden. Dass der Temperaturanstieg die wichtige Zielmarke von 1,5 °C übertreffen wird, sei nun unvermeidlich. Im Best-Case-Szenario werde sich die Erde in den nächsten Jahrzehnten voraussichtlich um mindestens 1,7 °C oder 1,8 °C erwärmen. Erst danach bestehe wieder Hoffnung auf eine Rückkehr zum 1,5 °C-Ziel.

     

    Verstärkung der Nachhaltigkeitsstrategien

    Auf der Promenade, einer Strasse im Zentrum von Davos, die zunehmend einer internationalen Wirtschaftsausstellung ähnelt, sind die Plakate zur Nachhaltigkeit weitgehend verschwunden. Inhaltslose Aussagen zum Thema Nachhaltigkeit beeindrucken niemanden. Stattdessen haben Themen wie der Übergang zu Netto-Null und naturverträgliche Wirtschaft sich von den Plakatwänden in die Podiumsdiskussionen und Kamingespräche verlagert.

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    Es geht nicht mehr darum, die eigene Vorbildlichkeit zur Schau zu stellen. Das neue Ziel ist herauszufinden, wer die richtigen Strategien und Partner hat, um schnell sauberere, grünere und effizientere Geschäftsmodelle einzuführen, die ganze Branchen revolutionieren können. Ein einsames Plakat, das immer noch verkündet: „Es sind nur wenige Schritte bis zur Nachhaltigkeit“, wirkt seltsam fehl am Platz. In den improvisierten Sitzungsräumen ist klar, dass diese Übergänge keinesfalls einfach sein werden, Akteure mit der richtigen Strategie aber einen enormen Schritt nach vorne bringen können.

    Es geht nicht mehr darum, die eigene Vorbildlichkeit zur Schau zu stellen. Das neue Ziel ist herauszufinden, wer die richtigen Strategien und Partner hat, um schnell sauberere, grünere und effizientere Geschäftsmodelle einzuführen, die ganze Branchen revolutionieren können

    Draussen sind die Plakate noch nicht ganz verschwunden. Anstatt Netto-Null-Zusagen zu verkünden, werben die neuen Schilder für die Durchbrüche der jeweiligen Unternehmen im Bereich der künstlichen Intelligenz (KI). Vor einem Jahr wurde auf den verschneiten Strassen von Davos bereits über die gerade neu entstandene generative KI gesprochen. Im Jahr 2024 standen KI und Diskussionen über ihre unzähligen disruptiven Effekte auf jeder Agenda. Die Verschiebung des Fokus von Nachhaltigkeit auf KI kann durchaus sinnvoll sein. Nachhaltigkeit ist die Herausforderung, wohingegen digital unterstützte Optimierung und Innovation ein wesentlicher Teil der Lösung sein könnten.

    Die Natur steht jetzt im Mittelpunkt

    Die holzvertäfelten Chalets und Tagungsräume in Davos boten auch für das andere neue Top-Thema des WWF den passenden Rahmen: die Natur. Von Veranstaltungen zu den Risiken für das weltweite Ernährungssystem bis zum „Nature Positive Dinner“, das auf gewaltiges Interesse stiess, beschäftigte die WWF-Teilnehmer immer wieder ein Thema: die unumgängliche und immer deutlichere Erkenntnis, dass die Weltwirtschaft bei allen Schwierigkeiten und Chancen, denen sie gegenübersteht, fundamental auf die Ökosystemdienstleistungen unseres Naturkapitals angewiesen ist. Es ist das produktivste Gut der Welt.

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    Allmählich zeichnen sich auch die Lösungen ab. Den eigentlich offensichtlichen Nutzen und Wert der Natur zu erkennen, ist nur der erste Schritt. Die weit grössere Herausforderung besteht darin, die Märkte dazu zu bringen, sie angemessen zu bewerten und genug Kapital für ihren Erhalt und ihre Wiederherstellung einzusetzen. Kurz vor Davos teilte die Task Force on Nature-related Financial Disclosures (TNFD) mit, dass zunächst 320 Unternehmen ihr dringend erwartetes Rahmenwerk unterzeichnet hätten. Es hat die Offenlegung von naturbezogenen Risiken und Chancen zum Ziel. Bei anderen Diskussionsrunden sprachen Finanzinstitute, die sich für die die Belange der Natur einsetzen wollen, über die Voraussetzungen für umfangreiche Investitionen in naturbasierte Lösungen. Nach ihrer Ansicht müssen wir dazu die Vermögensallokation überdenken – und die Natur als neue Anlageklasse betrachten.

    Die Umstellung von extraktiven Modellen auf einen Anbau auf Basis von Agroforstwirtschaft und Renaturierung sowie kürzere Wertschöpfungsketten bis zu den Verbrauchern könnten Teil der Lösung sein. Sie könnten dafür sorgen, dass schnell mehr Kapital in die Natur fliesst

    Bei dem von Lombard Odier organisierten „Re-Nature“ Dinner untersuchten die Rednerinnen und Redner zusammen mit dem Publikum Möglichkeiten, von der Theorie zur Praxis überzugehen. Besonderes Augenmerk lag dabei auf Anlagechancen rund um die Entwicklung regenerativer Wertschöpfungsketten. Kaffee ist ein Beispiel mit einem Umsatzvolumen von USD 225 Mrd. Tropische Monokulturen beherrschen die Produktion, sinkende Renditen und geschädigte Böden sind typische Merkmale. Etwa die Hälfte der Kaffeeproduktion ist durch den Klimawandel gefährdet. Die Umstellung von extraktiven Modellen auf einen Anbau auf Basis von Agroforstwirtschaft und Renaturierung sowie kürzere Wertschöpfungsketten bis zu den Verbrauchern könnten Teil der Lösung sein. Sie könnten dafür sorgen, dass schnell mehr Kapital in die Natur fliesst.

     

    KI kann den Übergang beschleunigen

    Hat Davos 2024 nun die Welt verändert? Diese Erwartung wäre vielleicht zu hoch gesteckt. Die Welt wandelt sich rasant, und die Wirtschaftsakteure, die sich in Davos trafen, haben möglicherweise Mühe, mit der Entwicklung Schritt zu halten. Doch in einem Jahr, in dem Falschinformationen und der gefährdete gesellschaftliche Zusammenhalt die Menschen alarmieren, scheint das diesjährige Motto „Wiederaufbau des Vertrauens“ gut gewählt. Laut dem kurz vor der Veranstaltung veröffentlichten Edelman Trust Barometer nimmt das Vertrauen in Institutionen und Regierungen weltweit ab. Unternehmen schenken die Menschen heute mehr Vertrauen als Regierungen. Wirtschaftsführende, Anlegerinnen und Anleger sind mit Innovationen und neuen globalen Herausforderungen konfrontiert. Deshalb erfordert es einen Balanceakt, dieses Vertrauen zu bewahren und zu sichern.

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    Investoren können daraus zahlreiche Schlüsse ziehen. Der Übergang zur dekarbonisierten Wirtschaft beschleunigt sich. Die bestehenden Sorgen – Energiesicherheit, Bezahlbarkeit von Energie, saubere Energie – weisen alle auf dieselbe Lösung hin: die weitere Erhöhung der Investitionen in neue Energiesysteme. Die Transformation der Wertschöpfungsketten in Richtung regenerativerer Alternativen wird zu mehr Investitionen in neue Technologien, Geschäftsmodelle und naturbasierte Lösungen führen. KI wird alle diese Transformationen beschleunigen und Lösungen ermöglichen, die die bisherigen Möglichkeiten bezüglich Effizienz, Umweltauswirkungen und finanzieller Erträge deutlich übertreffen. Der Wandel ist im Gange und die Anlegerinnen und Anleger in Davos scheinen mit an Bord zu sein. 

    Wichtige Hinweise.

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