Elektroautos und strategischer Wettbewerb – selektiv bleiben

    Guillaume de Noyelle - Equity Research Analyst, Global Consumer and Industrials
    Guillaume de Noyelle
    Equity Research Analyst, Global Consumer and Industrials

    Kernpunkte.

    • Wirtschaftliche und politische Herausforderungen sowie Bedenken bezüglich der Ladeinfrastruktur belasten aktuell den Übergang zu Elektrofahrzeugen. Die Einführung ist uneinheitlich; hohe Zinsen und weniger Förderung drücken die Verkaufszahlen
    • China ist das weltweit führende Herstellerland und profitiert von Kostenvorteilen und staatlicher Unterstützung
    • Die Konkurrenz aus China bedroht das Geschäftsmodell von Herstellern im Westen. Handelsspannungen und eine Abschottung der Grenzen sind die Folgen
    • Wir erwarten, dass der E-Autoabsatz 2025 dank solidem Wirtschaftswachstum und günstigeren Modellen anzieht. Bei europäischen Autoherstellern, die den Massenmarkt bedienen, bleiben wir skeptisch. Wir bevorzugen ausgewählte asiatische Unternehmen sowie Luxusmarken mit hohen Eintrittshürden und starker Nachfrage

    Der Übergang zu Elektrofahrzeugen hätte zügig erfolgen sollen, erweist sich aber als komplex. E-Autos sind ein Element bei der Klimawende, jedoch ist die Branche auch ein Spiegelbild geopolitischer Rivalitäten. Wirtschaftliche Belastungsfaktoren, geringere Subventionen, Bedenken bezüglich der Erschwinglichkeit und Fragen rund um die Ladenetze bremsen die Einführung. China ist zum führenden Produzenten geworden. Dagegen haben etablierte Autohersteller in Europa und Nordamerika Mühe, ihre Produktion anzupassen. Zudem müssen sie sich mit unklaren politischen Bedingungen auseinandersetzen.

    Die breite Einführung von Elektroautos sollte eine Rolle bei der Erfüllung internationaler Klimaschutzzusagen spielen. Der Individualverkehr ist verantwortlich für rund 7% der weltweiten Treibhausgasemissionen. E-Autos sind bis zu dreimal effizienter als herkömmliche Benzin- oder Dieselfahrzeuge. Durch die Innovationen von Tesla Inc. und die ambitionierte Produktion in China haben Elektroautos mittlerweile einen Anteil von beinahe 12% an den weltweiten Neuwagenverkäufen. Viele Länder haben das Ziel festgelegt, dass bis 2030 jedes zweite verkaufte Auto ein Elektrofahrzeug sein soll.

    Dennoch hat sich die Einführung von E-Autos jüngst verlangsamt. Einige Länder haben die Fördermittel für den Kauf von Elektrofahrzeugen gekürzt, und höhere Zinsen bedeuten höhere Monatsraten. Dies hat unmittelbare Auswirkungen. In den USA erfolgen 85% der Autokäufe auf Kredit, verglichen mit 60% in anderen Ländern. Ein weiteres Problem neben dem makroökonomischen Umfeld ist, dass sich potenzielle Käufer über die Reichweite und die Verfügbarkeit der Ladeinfrastruktur sorgen. Die Fortschritte bei der Einführung von Elektroautos sind daher bislang uneinheitlich. Auf China, wo 24% der Autos elektrifiziert sind, entfallen aktuell etwa 60% der weltweiten Verkäufe von E-Autos. Europa und die USA hinken mit Einführungsquoten für Elektrofahrzeuge von 12% bzw. 7,5% hinterher.

    Die Einführung von E-Autos hat sich jüngst verlangsamt

    Die Industrie muss sich möglicherweise auf einen neuen politischen Kurs und Zölle der zweiten Trump-Regierung einstellen. Die Unterstützung von Tesla-Chef Elon Musk für Donald Trump hat bewirkt, dass sich der ehemalige Präsident moderater zu Elektrofahrzeugen äussert. Niedrigere Ölpreise, die aus einer steigenden US-Ölförderung resultieren dürften, werden voraussichtlich keine bedeutenden Auswirkungen auf die Elektrofahrzeugindustrie haben. Trumps Ernennung des Leiters für die Umweltschutzbehörde EPA deutet auf die Rücknahme von Umweltschutzinitiativen hin. Dadurch sind die CO2-Emissionsziele und die steuerliche Förderung für Elektroautos in Gefahr. Sollten die USA die steuerlichen Anreize kippen, könnte die ohnehin bereits schleppende Einführung von E-Autos in den USA vor weiteren Hürden stehen. Doch während die Trump-Regierung beschliessen könnte, die Entwicklung von künstlicher Intelligenz und Technologien für autonomes Fahren als Priorität zu behandeln, dürften die USA im Rennen um Elektrofahrzeuge kaum zurückfallen wollen.

    Sollten die USA die steuerlichen Anreize kippen, könnte die ohnehin bereits schleppende Einführung von E-Autos in den USA vor weiteren Hürden stehen

    Chinas strategische Führung

    Nachdem Deutschland die weltweite Automobilindustrie 70 Jahre lang beherrschte, hat es bei E-Autos seine führende Stellung an China verloren. China hat massiv in die Wertschöpfungskette für Elektrofahrzeuge investiert. Das Land hat sich darauf konzentriert, zugehörige Technologien zu beherrschen – darunter Software, bei der viele westliche Unternehmen den Anschluss verloren haben. Ein weiterer Schwerpunkt war der Ausbau der Produktion in einer Branche, in der Kapazitäten für die Massenproduktion das A und O sind. Besondere Aufmerksamkeit schenkt China Batteriezellen, die einen Anteil von rund 40% an den Rohstoffkosten eines Autos haben. Sie bieten in der Produktion Kostenvorteile von bis zu 30% gegenüber den meisten westlichen Marken. Das Innovationstempo, die staatlichen Förderungen und der rasante Ausbau im Elektrofahrzeugbereich haben zu einer deutlichen Zunahme der Automobilhersteller und der Kapazitäten geführt. Das liegt zum Teil daran, dass die Produktion von E-Autos einfacher ist als von Autos mit Verbrennungsmotor. Die Eintrittsbarrieren werden dadurch niedriger. Die Folge: Chinesische Unternehmen stellen wettbewerbsfähige Produkte her und sind bestrebt, Chancen im Ausland zu nutzen.

    Die Auslandsumsätze chinesischer Elektrofahrzeugunternehmen stiegen in den ersten zehn Monaten des Jahres 2024 um 15% gegenüber demselben Vorjahreszeitraum. Der führende chinesische Hersteller BYD Co. verfolgt das Ziel, seinen Anteil am europäischen E-Automarkt bis 2030 auf 10% zu steigern. Er plant zudem, die Hälfte seiner Produktion im Ausland zu verkaufen.

    Diese Ambitionen sind der Auslöser für Handelsspannungen, denn die etablierten Marken im Westen reagieren auf die Entwicklung. Der Sektor ist für den Westen von strategischer Bedeutung. In der Europäischen Union steuert die Automobilindustrie rund 7% zum Bruttoinlandsprodukt bei. Auf sie entfallen ferner 10% der Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe und mehr als 30% der Forschungs- und Entwicklungsausgaben. Angesichts dieser herausragenden Bedeutung für die EU-Wirtschaft sowie wegen Chinas Subventionen für heimische Hersteller erhebt die EU seit dem 30. Oktober 2024 Zölle auf Autos aus chinesischer Produktion. Diese betragen bis zu 35% – zusätzlich zum bisherigen Zoll von 10%.

    Durch Zölle sind die Lieferungen chinesischer Autos nach Europa seit einem Hoch von 11% der Importe vom Juni 2024 auf 8,2% gesunken

    Durch diese Zölle sind die Lieferungen chinesischer Autos nach Europa seit einem Hoch von 11% der Importe vom Juni 2024 laut Daten von Datashare auf 8,2% gesunken. Dies könnte chinesische Hersteller dazu bewegen, Produktionskapazitäten nach Europa zu verlagern. In Europa ist der Bau von zehn chinesischen Fabriken bereits in der Prüfphase. Der Volkswagen-Konzern, der nach Umsatz grösste Autohersteller Europas, droht unterdessen mit der Schliessung von drei Werken. Dies wären die ersten Schliessungen in der 87-jährigen Geschichte von VW. Stellantis NV, der viertgrösste Autohersteller der Welt, zu dem die Marken Fiat, Chrysler, Peugeot und Maserati gehören, könnte nachziehen. Sowohl Stellantis als auch Volkswagen verlieren seit 2019 in Europa Marktanteile.

    Der ehemalige Präsident der Europäischen Zentralbank Mario Draghi schlägt in seinem Bericht zur Zukunft der Wettbewerbsfähigkeit der EU eine Lösung vor. Ausländische Unternehmen, die in Europa produzieren wollen, sollten verpflichtet sein, Joint Ventures mit Unternehmen aus der Region zu gründen. In der Vergangenheit war dies eine der Anforderungen, die China an ausländische Unternehmen auf dem chinesischen Markt stellte. Wegen der mangelnden politischen Führung in Europa könnte sich die Umsetzung dieser Massnahme jedoch als schwierig erweisen.

    Gleichwohl sehen wir Gründe dafür, die Nachfrage nach Elektroautos im Jahr 2025 optimistischer zu beurteilen. Das robuste Wirtschaftswachstum und sinkende Zinsen dürften dem Absatz zugutekommen. Für Unterstützung sorgen sollte auch die wachsende Zahl von erschwinglicheren Fahrzeugen, darunter eine grössere Auswahl an Autos mit einem Preis um EUR 30’000. Die EU führt eine strengere Richtlinie zu den CO2-Emissionen ein, die für Autohersteller ein Anreiz sein sollte, ihren Anteil an Elektrofahrzeugen zu erhöhen, um Strafen zu vermeiden. Trotz Forderungen, die Anwendung dieser Richtlinie zu verschieben, dürfte die Einführungsquote für E-Autos in Europa in den nächsten Jahren laut Schätzungen rund 20% erreichen – gegenüber 12% heute.

    Selektiv bleiben

    Zahlreiche etablierte Autohersteller werden schon bald neuere, günstigere und effizientere E-Modelle mit grösserer Reichweite lancieren. Dies dürfte bei Mercedes, BMW und Hyundai 2025 der Fall sein, Stellantis und Toyota dürften 2026 folgen. Dadurch könnten sich die Absatzverhältnisse zwischen neuen und etablierten Akteuren allmählich verschieben. Wir erwarten, dass der Absatz von E-Autos im Jahr 2025 um 20% steigen wird, gegenüber knapp 15% in diesem Jahr. Der Markt für nicht elektrische Fahrzeuge dürfte nächstes Jahr weitgehend stagnieren. Eine Beschleunigung bezüglich Ladekapazitäten wäre eine willkommene Entwicklung, die zu einer positiveren Dynamik des E-Autoabsatzes beitragen könnte.

    Wir erwarten, dass der Absatz von E-Autos im Jahr 2025 um 20% steigen wird, gegenüber knapp 15% in diesem Jahr

    In diesem unsicheren Umfeld haben europäische Automobilhersteller im Jahr 2024 schwächer abgeschnitten als der breite europäische Aktienmarkt. Dies gilt vor allem für die Zeit seit Mai, als die Gewinne unter Druck gerieten und die Spannungen zwischen der EU und China zunahmen. Mehrere Mitte September veröffentlichte Gewinnwarnungen verstärkten die Bedenken, woraufhin die Bewertungen sanken. Wir bleiben bei unserer vorsichtigen Haltung gegenüber europäischen Autoherstellern im Massenmarktsegment, weil der Wettbewerbsdruck unseres Erachtens steigen wird. Die Bewertungen und Dividendenrenditen scheinen zwar attraktiv. Doch die deutschen Autohersteller werden ihre Produktionskapazitäten aufgrund ihrer Abhängigkeit von Verkäufen in China neu bewerten. Autohersteller, die den Massenmarkt bedienen, werden unter den weltweiten Ambitionen von Tesla und dem Markteintritt chinesischer Konkurrenten in Europa leiden. Wir bleiben sehr selektiv. Unsere Favoriten sind einige asiatische Autohersteller und seit Langem etablierte Luxusmarken, die weiterhin eine starke Nachfrage verzeichnen und von hohen Eintrittsbarrieren profitieren.

    CIO Office Viewpoint

    Elektroautos und strategischer Wettbewerb – selektiv bleiben

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    Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende.

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