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    Warum Leder aus Fischhaut und Pilzen zum neuen Trend wird

    Warum Leder aus Fischhaut und Pilzen zum neuen Trend wird

    Artikel veröffentlicht in Financial Times, 29. August 2024

    Aarav Chavda ist leidenschaftlicher Taucher. So erlebte er bei jedem Tauchgang das langsame Absterben des Korallenriffs nahe seinem Heimatort in Florida aus erster Hand mit. Im Laufe der Zeit verschwanden die kaleidoskopischen Farben des Riffs ebenso wie die Meeresbewohner, die es einst beherbergte. Als Ursachen sind weltweit steigende Temperaturen, wärmere Ozeane, Hitzestress und Umweltverschmutzung zu sehen. Schliesslich glich das ganze Riff einem gespenstischen Unterwassergrab. Ein Lebewesen jedoch entwickelte sich in dieser Umgebung prächtig: der Rotfeuerfisch.

    Rotfeuerfische wurden ursprünglich für die Haltung in Aquarien importiert. Sie sind eine invasive Art, die erhebliche Schäden an den Korallenriff-Ökosystemen in der Karibik, im Atlantik und im Golf von Mexiko verursacht. Die Rotfeuerfische haben dort keine natürlichen Fressfeinde, doch jeder von ihnen frisst während seiner Lebenszeit bis zu 70’000 einheimische Rifffische. Innerhalb von fünf Wochen nach ihrem Eindringen in einen Lebensraum töten sie 79% der jungen Meeresbewohner. Seit 1960 haben diese harmlos aussehenden gestreiften Fische allein in US-Gewässern Schäden in Höhe von USD 1,2 Bio. verursacht1. Ihre rapide Verbreitung gefährdet die Lebensgrundlage von Tausenden lokaler Fischer.

    2020 fanden Chavda und einige andere Taucher eine geniale Lösung für das Problem: Sie verarbeiteten die Haut der Rotfeuerfische zum ersten aus einer invasiven Art hergestellten Lederprodukt, das aktiv zur Wiederherstellung von Ökosystemen beiträgt. Das von Chavda mitbegründete Unternehmen INVERSA ist inzwischen eines der zahlreichen Start-ups, die innovative, rein natürliche Materialien für die Modebranche herstellen. Damit bieten sie verschiedenen Marken die Möglichkeit, ihre Umweltauswirkungen zu reduzieren.

    INVERSA beauftragt lokale Fischer mit dem Fang der Rotfeuerfische, die ansonsten keine Gewinne einbringen. Damit bietet das Unternehmen ihnen alternative Einkommensmöglichkeiten und reduziert einen Teil der Nachfrage nach überfischten Arten

    Wiederherstellung von Ökosystemen

    Bisher hat INVERSA Partnerschaften mit 40 Modemarken geschlossen. Diese verarbeiten die Haut des Rotfeuerfischs zu exotischen Lederhandtaschen und -schuhen, zu Gürteln und sogar zu Football-Bällen. INVERSA beauftragt lokale Fischer mit dem Fang der Rotfeuerfische, die ansonsten keine Gewinne einbringen. Damit bietet das Unternehmen ihnen alternative Einkommensmöglichkeiten und reduziert einen Teil der Nachfrage nach überfischten Arten. INVERSA ist inzwischen in sechs Ländern aktiv und hat sein innovatives Konzept auf zwei weitere invasive Arten ausgeweitet: Dunkle Tigerpythons aus den Everglades in Florida und Karpfen aus dem Mississippi. Sie verkaufen ihr Leder auf einem weltweiten Markt im Wert von USD 243 Milliarden, von denen 80 % von der Modebranche verschlungen werden. Bisher wurden etwa 50’000 invasive Tiere entfernt. „Unser Ziel sind 500’000, 5 Millionen, 50 Millionen“, sagt Chavda.

    „Invasive Arten sind heute für etwa 60% des Artensterbens auf der ganzen Welt verantwortlich“, fährt er fort. „Bisher bestand die grösste Herausforderung darin, dass es für dieses Problem keine Lösung in einer ausreichenden Grössenordnung gab. Doch jetzt erleben wir, wie sich die Biodiversität auf spektakuläre Weise erholt: Wenn ein Korallenriff aktiv bewirtschaftet wird, kann sich die Biomasse zu 50% bis 70% regenerieren.“

    „Es ist einfach grossartig, dass Verbraucherinnen und Verbraucher Modeprodukte kaufen können, die dem Planeten aktiv nutzen“, sagt Chavda. „Uns geht es nicht nur darum, schädliche Auswirkungen zu reduzieren oder unter dem Strich umweltneutral zu arbeiten: Wir leisten einen spürbaren Beitrag zur Regeneration und erbringen einen Nutzen für das Ökosystem.“

    Lesen Sie auch (Artikel in Englisch): How luxury brands make sustainable packaging

     

    Naturverträgliche Mode – gut für Mensch und Umwelt

    INVERSA ist ein kleiner Teil einer Lösung für eine grössere weltweite Herausforderung – es gilt, die Ökobilanz der gesamten Modebranche zu verbessern.

    Die Produktions- und Vertriebsstufen der Textilindustrie verursachen etwa 7% der weltweiten CO22 -Emissionen und damit mehr als die Luft- und Schifffahrt zusammengenommen. Die Modebranche ist außerdem für 13% der Wasserverschmutzung in den G20-Staaten3 und für 4% der jährlichen Süßwasserentnahme verantwortlich4. Die Branche übt somit einen erheblichen Druck auf unsere planetaren Grenzen aus - Klimawandel, Wasserverschmutzung, Verlust der biologischen Vielfalt und Süßwasserverbrauch -, die für die ökologische Nachhaltigkeit von entscheidender Bedeutung sind.

    Diese Emissionen entstehen vor allem durch die Verwendung von synthetischen Materialien wie Polyester, das mehr als die Hälfte der jährlichen Faserproduktion ausmacht und jedes Jahr Millionen Barrel Rohöl benötigt; sowie von Rohstoffen wie Baumwolle, die sehr wasserintensiv und emissionsintensiv sind. Und vergessen wir nicht den Abfall. Die zig Millionen Tonnen an Artikeln, die auf Mülldeponien entsorgt werden, die giftigen Chemikalien, Schwermetalle und Mikroplastik, die in den Ozeanen landen, oder auch die Naturräume, die von der Landwirtschaft in Beschlag genommen werden.

    Dank ihrer Grösse und des ihr eigenen Erfindungsreichtums ist die Modebranche aber auch in der Lage, Veränderungen voranzutreiben

    Dank ihrer Grösse und des ihr eigenen Erfindungsreichtums ist die Modebranche aber auch in der Lage, Veränderungen voranzutreiben. So wetteifern Tausende von Start-ups und Forschenden darum, ein Stück vom Kuchen der alternativen Materialien abzubekommen. Mittlerweile gibt es Fasern aus Seetang, Ananasschalen, Kakteen und Pilzen, im Labor hergestelltes zellbasiertes Leder und Textilien aus Landwirtschaftsabfällen.

    „Ursprünglich ging es uns darum, die Umweltauswirkungen zu reduzieren; doch inzwischen sind wir bereits einen grossen Schritt weiter. Nun stellen wir uns die Frage, wie Materialien positive Auswirkungen auf Mensch und Umwelt haben können“, sagt Marenzi. „Wir befinden uns in einer entscheidenden Übergangsphase: Statt Schadstoffe in der Lieferkette zu beseitigen, versuchen wir herauszufinden, wie wir es von Anfang an besser machen können. Abfälle reduzieren? Beim Anbau CO2-Emissionen absorbieren?“

    Essbare Kleidung

    Uyen Tran wuchs in Vietnam auf. Damals waren die Marktstände in ihrem Heimatland voll von Second-Hand-Kleidung aus dem Westen – Artikel von Nike, Ralph Lauren und The North Face. Später zog sie nach Amerika, um ihre Träume als Designerin zu verwirklichen. Hier lernte sie die Kehrseite der Medaille kennen: die hohen Kosten für die Reparatur von Kleidungsstücken und deren begrenzte Tragbarkeit.

    Tran versuchte, das Abfallproblem der Modebranche anzugehen. Dazu experimentierte sie mit Chitin, einem aus den Schalen von Garnelen gewonnenen Biopolymer, und einer in Pilzen enthaltenen Form von Cellulose. Sie arbeitet mit einem Lieferanten in Vietnam zusammen, der Garnelen-, Krabben- und Hummerschalen sammelt und daraus Chitin gewinnt.

    Ihr Unternehmen TômTex stellt in Zusammenarbeit mit Luxusmarken wie Dauphinette und Peter Do vollständig biologisch abbaubare Bekleidungskollektionen her. „Unser Grundsatz lautet: keine Kunststoffe, keine Petrochemikalien, keine giftigen Chemikalien“, erklärt sie. Um die Natürlichkeit ihrer Materialien zu veranschaulichen, zeigen Tran und ihr Team im Labor, dass man sie sogar essen kann.

    „Mit diesem wunderbaren Material können wir viele verschiedene Dinge nachbilden: etwa Leder, Silikon oder Vinyl. Doch wir wollten noch einen Schritt weitergehen. Nachhaltige Materialien gelten nicht unbedingt als sexy: Wir wollten etwas schaffen, was es bisher noch nicht gab.“ Aktuell arbeiten Tran und ihr Team an der Herstellung durchsichtiger, lichtdurchlässiger Materialien, die auf die Körpertemperatur reagieren und abhängig davon ihre Farbe ändern. TômTex setzt auf schnelles Wachstum: Noch vor ein paar Jahren hatte das Labor eine Kapazität von knapp 3’000 m2 pro Jahr, heute sind es schon fast 10’000 m2. Pilotprojekte gehen in die Produktion über. Vier der neuesten Markenpartner werden ihre Designs im September an der New York Fashion Week lancieren.

    Lesen Sie auch: Textilbranche reduziert Umweltauswirkung

     

    Natürlicher Kunststoff

    Natural Fiber Welding (NFW), ein weiteres in der Herstellung alternativer Materialien tätiges Start-up, verzeichnet ähnliche Erfolge. Gründer und CEO Luke Haverhals ist überzeugt, einen vollkommen natürlichen Ersatz für herkömmliche Kunststoffe gefunden zu haben, die für Mode und in der gesamten Textilindustrie verwendet werden. Die Partnerschaften, die sein Unternehmen bisher geschlossen hat, deuten darauf hin, dass er Recht haben könnte.

    Der einstige Chemieprofessor hatte eines Tages im Labor eine „Offenbarung“. „Warum verwenden wir Menschen giftige Kunststoffe, wenn natürliche Grundstoffe reichlich vorhanden und viel leistungsfähiger sind und die Natur sie durch Kohlenstoffbindung produziert? Ganz einfach: weil Kunststoffe sich beliebig formen lassen. Was wäre, wenn wir genau dasselbe mit natürlichen Materialien tun könnten?“

    Er stellte fest, dass natürliche Rohstoffe weniger kosten als Petrochemikalien. Ausserdem erkannte er, dass man das Rad nicht neu erfinden muss, wenn man bestehende Form- und Gussverfahren nutzt. „Mit anderen Worten: Ich kann mit einem Schuhhersteller zusammenarbeiten, ohne dass er das Verfahren ändern muss, mit dem er seinen Schuh produziert“, erklärt Haverhals. „Ich kann das richtige Material zum richtigen Preis anbieten. Dabei nutze ich die bestehende Infrastruktur, um rein natürliche Materialien herzustellen.“

    Bisher hat NFW Autositze für BMW und Turnschuhe für VivoBarefoot – die zerkleinert und wieder dem Boden zugeführt werden können – hergestellt. Weitere Produkte sind Handtaschen für Stella McCartney, High Heels mit Strasssteinen für H&M und Polohemden aus recycelter Baumwolle für Ralph Lauren. Letztere wurden unter anderem von der US-Olympiamannschaft in Paris getragen. Das Unternehmen hat bereits Kapital in Höhe von USD 185 Mio. aufgebracht. Aktuell bemüht es sich, im Rahmen einer Serie-C-Runde Mittel zu beschaffen, um seine Profitabilität zu sichern.

    „Wir können etwas bewirken – in Branchen, die viele Billionen US-Dollar wert sind“, sagt Haverhals. „Wir wollen unseren Beitrag dazu leisten, dass Marken auf Öl verzichten können. Viele Marken wollen eine bessere Welt schaffen, wussten aber bisher nicht wie. Ihnen fehlte die Zeit, ihre Lieferkette neu zu erfinden. Also mischen wir unsere Zutaten zusammen und bringen sie zu Unternehmen, die bereits Produkte aus Kunststoff formen. Nun können sie dafür natürliche Materialmischungen verwenden. Das Gute daran ist, dass Verbraucherinnen und Verbraucher nicht das Zehnfache bezahlen müssen, nur weil BMW das Richtige tun will.“

    „Selbst wenn nur 10% der Artikel, die Zara verkauft, mit Materialien von NFW hergestellt würden, wäre das bereits ein Milliardengeschäft. Wir sind ein Samenkorn, das aufgegangen ist. Schon jetzt ist erkennbar, dass daraus eine Eiche wird. Ein Eichenwald sind wir aber noch nicht.“

    Ein stärker kreislauforientiertes Materialsystem setzt auf die zunehmende Verwendung von naturbasierten Alternativen zu vielen heute verwendeten Kunststoffen

    Die Materialrevolution – ein schlafender Riese

    Wir bei Lombard Odier sind davon überzeugt, dass die Weltwirtschaft zu einem nachhaltigen Modell übergeht. Daraus ergeben sich neue Anlagechancen in den Bereichen Kreislaufmaterialien (Circular), Verbrauchereffizienz (Lean), integrative Gesundheit (Inclusive) und saubere Energie (Clean). Wir bezeichnen das als CLIC®-Wirtschaft.

    Ein stärker kreislauforientiertes Materialsystem setzt auf die zunehmende Verwendung von naturbasierten Alternativen zu vielen heute verwendeten Kunststoffen. Unsere Grundstoffe werden dabei nicht durch künstliche Verfahren, sondern aus sinnvoll bewirtschafteten Naturlandschaften gewonnen. So könnte erneuerbares Holz in Gebäuden Stahl und Beton ersetzen, und Cellulose auf Holzbasis könnte in Fasern für Bekleidung und in Autokarosserien Verwendung finden.

    Nina Marenzi bezeichnet die Umstellung auf nachhaltige Grundstoffe in der Modebranche als „schlafenden Riesen“. Unsere Aufgabe als Anlegerinnen und Anleger besteht darin, diesen Riesen zu wecken. „Die Finanzbranche und das Impact Investing sind sich der potenziellen Grösse dieses Marktes überhaupt nicht bewusst“, meint sie. „Sie haben sich vor allem auf umweltfreundliche Energie konzentriert. Niemand hat sich wirklich mit Materialien und Lieferketten befasst. Die Zukunft ist bereits da; sie wartet nur auf das Startzeichen. Meiner Meinung nach ist ein Sinneswandel notwendig. Die Finanzbranche muss erkennen, dass aktuell eine Materialrevolution im Gange ist. Mit verstärkten Investitionen könnte sich diese Entwicklung deutlich beschleunigen.“


     

    Invasive Lionfish Management, Quintana Roo, Mexico - INVERSA Leathers - ORRAA (oceanriskalliance.org)
    Production et déchets textiles : les impacts sur l’environnement (infographies) | Thèmes | Parlement européen (europa.eu)
    The Textile Industry and Sustainable Development: A Holt–Winters Forecasting Investigation for the Eastern European Area (repec.org)
    World Water Day 2022: Fashion’s Water Consumption and Pollution - Global Fashion Agenda

    Wichtige Hinweise.

    Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG oder einer Geschäftseinheit der Gruppe (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig wäre, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende Abgabe rechtswidrig wäre.

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