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Städtische Dekarbonisierung: Kohlenstoffarme Baumaterialien senken Bauemissionen drastisch
Weltweit werden jede Woche neue städtische Areale gebaut, die insgesamt der Grösse von Paris entsprechen.1 Das Bevölkerungswachstum und die Land-Stadt-Migration haben dazu geführt, dass die Anzahl der Menschen, die in Städten leben, seit 1960 um 450% gestiegen ist – sechsmal so schnell wie die Anzahl der Menschen auf dem Land.2
Ein Grossteil dieser Urbanisierung findet in Schwellenländern statt. Dort ist das Bevölkerungswachstum am höchsten, und der Übergang von ländlicher zu städtischer Wirtschaft schreitet immer schneller voran. Dem United Nations Environment Programme zufolge dürften allein in Asien zwischen 2020 und 2050 mindestens 200 neue Städte gebaut werden.3
Angesichts des Klimawandels stellt dies eine grosse Herausforderung dar. Die Gebäudeflächen rund um die Welt stossen jährlich rund 18 Milliarden Tonnen CO2e aus – ein Drittel aller vom Menschen verursachten Treibhausgase.4 20% dieser Emissionen stammen aus dem Bauwesen. Dabei entfallen auf Baumaterialien wie Beton und Stahl grosse Mengen von „gebundenem Kohlenstoff“. Die Weltbevölkerung wächst, und die Städte werden immer grösser. Deshalb ist es sehr wichtig, kohlenstoffarme Baumaterialien zu finden, aus denen wir die urbane Welt von morgen bauen können.
Sehen Sie sich unser Video in Zusammenarbeit mit der FT an und entdecken Sie die kohlenstoffarmen Materialien, die die Emissionen im Bausektor drastisch senken könnten:
Städte werden zu Kohlenstoffspeichern
2025 erfolgt in Stockholm der Spatenstich für die „Stockholm Wood City“.5 Für „die grösste Holzstadt der Welt“ mit 250'000 Quadratmetern an Wohn-, Büro- und Ladenflächen soll mehr Brettschichtholz (BSH) zum Einsatz kommen als in jedem Bauprojekt zuvor.
BSH besteht aus Holzschichten, die feuchtebeständig miteinander verleimt sind. Es ist leicht, stabil und zeichnet sich durch gute Feuerbeständigkeit aus. Mit seiner hohen Stabilität im Verhältnis zum Gewicht eignet es sich ideal für den Bau niedriger bis mittelhoher Gebäude, die für das urbane Wachstum in Schwellenländern eine zentrale Rolle spielen.
Vor allem aber lässt sich BSH aus erneuerbaren Quellen herstellen und kann sogar CO2-negativ sein. Gemäss Building Materials and the Climate: Constructing a New Future, einem Bericht des UN Environment Programme (UNEP), kann BSH bis zu doppelt so viel CO2 binden, wie beim Produktionsprozess ausgestossen wird, und es viele Jahrzehnte lang speichern. Der Bericht warnt allerdings auch, dass bis zu 30% des weltweit gehandelten Holzes aus illegaler Abholzung und schlecht bewirtschafteten Wäldern stammen. Eine CO2-Negativität von BSH lässt sich nur erreichen, wenn für die gefällten Bäume neue gepflanzt werden und die Wälder im Einklang mit den ökologischen Gegebenheiten vor Ort bewirtschaftet werden.
Der Bericht hebt zudem das Potenzial von Gebäuden aus Bambus hervor: Bambus hat „annähernd die Zugfestigkeit von Stahl und eine doppelt so hohe Druckfestigkeit wie Beton“. Bambus wächst schnell – geschnittener Bambus ist innerhalb von nur fünf Jahren wieder erntereif – und kann mindestens 50% mehr CO2 pro Hektar speichern als Wälder. Aus dem Bericht geht aber auch hervor, dass Bambus-„Holz“ zwar wie BSH ein CO2-Langzeitspeicher ist, das aktuelle chemische Verfahren zur Aufbereitung von Bambus als Baumaterial aber hohe Treibhausgasemissionen verursacht.
Wiederverwendbare Gebäude
Bei Bau-, Sanierungs- und Abrissmassnahmen entstehen jährlich mindestens 13 Milliarden Tonnen Abfälle.6 35% davon – das entspricht der Menge von über 12'000 Empire State Buildings7 – landen auf Deponien8.
Der „selektive Rückbau“, bei dem Gebäude nicht abgerissen, sondern wieder demontiert werden, ermöglicht es, mehr Baumaterialien wiederzuverwenden. Dadurch könnte ein Grossteil dieser Abfälle vermieden werden. Laut UNEP-Bericht ergaben Studien in Peru und Kanada, dass der selektive Rückbau von Gebäuden und die Wiederverwendung der Baumaterialien die Treibhausgasemissionen im Lebenszyklus von Wohngebäuden reduzieren. Auf diese Weise konnten Emissionsminderungen zwischen 63% bis 70% erreicht werden – mehr als beim Recycling. Nach Angaben des Berichts könnten modulare Gebäude, die leicht zu demontieren sind, in den wachsenden Städten einen wesentlichen Beitrag zur Senkung von Emissionen leisten.
Bei Baumaterialien, die sich nicht wiederverwenden lassen, besteht ein stark wachsendes Interesse daran, neue Recyclingmöglichkeiten zu finden. So haben Forschende der Universität Cambridge erstmals gezeigt, dass gebrauchter Zement in elektrisch betriebenen Lichtbogenöfen als Nebenprodukt des Stahlrecyclingprozesses recycelt werden kann.9 Beim Betrieb mit erneuerbaren Energien könnte diese Methode in grossem Massstab wettbewerbsfähigen emissionsfreien Zement produzieren.
Darüber hinaus plädiert der Bericht dafür, Recycling nur als letztes Mittel zu verwenden und zunächst auf Wiederverwertung zu setzen. Er fordert zudem Regierungen und die Industrie auf, alternde Gebäude nicht als zu beseitigende Hindernisse zu sehen, sondern als primäre Quelle für Materialien. „In einer Kreislaufwirtschaft werden Gebäude zu Materialbanken für künftige Bauten“, heisst es am Ende des Berichts.
Dekarbonisierung von Beton und Stahl
Trotz dieser Innovationen bedeutet die schnelle Urbanisierung, dass der Bedarf an neuen Materialien noch viele Jahre lang hoch bleiben wird. Die Industrie steht unter dem Druck, ihre Emissionen senken zu müssen. Forschende und Unternehmer sehen darin eine Chance zur Dekarbonisierung von Beton, dem nach Wasser am häufigsten verwendeten Material der Welt.
Im Jahr 2022 gewann das britische Start-up Seratech für seine Arbeit den renommierten Architekturpreis Obel Award. Zur Herstellung von Zement – einem wesentlichen Bestandteil von Beton – nutzt das Unternehmen CO2 aus Abgasen.10 Seratech fängt die CO₂-Emissionen direkt aus Schornsteinen auf; das Unternehmen verspricht auf diese Weise die Herstellung von „kohlenstoffneutralem Beton im grossen Massstab“ ohne Änderungen am Herstellungsprozess. Forschende am Massachusetts Institute of Technology haben unterdessen herausgefunden, dass sich Beton ganz einfach mit 15% weniger CO2-Emissionen herstellen lässt – durch die Zugabe von Natron zu Beginn der Zementproduktion.11
Ähnliche Versuche laufen mit Stahl, der ebenso wie Beton für immerhin 8% aller vom Menschen verursachten CO2-Emissionen verantwortlich ist.12 Für die Stahlproduktion sind Temperaturen von bis zu 1'700 Grad Celsius erforderlich. Diese lassen sich ohne die Verbrennung fossiler Brennstoffe kaum erreichen. Emissionsfreier grüner Wasserstoff, der mithilfe von erneuerbarer Energie hergestellt wird, ersetzt nun zunehmend fossile Brennstoffe. Damit rückt die Herstellung von emissionsfreiem Stahl in greifbare Nähe.
Ein grosses Hindernis sind die hohen und häufig schwankenden Kosten von grünem Wasserstoff. In Schweden hat HYBRIT – eine Kooperation zwischen einem Stahlproduzenten, einer Bergbaugesellschaft und einem Energieversorger – den weltweit ersten industriellen Wasserstoffspeicher in einem unterirdischen Hohlraum in Betrieb genommen.13 Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass die Speicherung in dieser Grössenordnung die variablen Kosten von grünem Wasserstoff um bis zu 40% reduzieren kann. CO2-freier Stahl wird damit wettbewerbsfähiger.
Lesen Sie auch: Grüner Wasserstoff: der Schlüssel zur Dekarbonisierung der Schwerindustrie
Regulierungsmassnahmen schaffen neue Anlagechancen
Der Druck zur Dekarbonisierung des Bauwesens entsteht zum Teil durch neue Regulierungsmassnahmen. Ende 2023 kündigte New Yorks Gouverneurin Kathy Hochul neue „Buy Clean Concrete“-Bestimmungen an. Damit wurden Emissionsgrenzwerte für Beton in staatlich finanzierten Bauprojekten in New York festgelegt.14 Ein ähnliches Gesetz wurde auch in New Jersey verabschiedet.15 In der EU müssen mindestens 70% der Bauabfälle wiederverwendet oder recycelt werden. Gleichzeitig verpflichtet die jüngste Aktualisierung der Bauprodukteverordnung Hersteller dazu, die Nachhaltigkeitsleistung ihrer Produkte auszuweisen, damit die Umweltauswirkungen von Bauprojekten berechnet werden können.16
Die Regulierungsmassnahmen geben eine klare Marschrichtung vor. Biobasierte, erneuerbare und sonstige kohlenstoffarme Baumaterialien werden zunehmend bevorzugt, während die Beliebtheit von Baumaterialien mit hohen Emissionen abnimmt. Für Anlegerinnen und Anleger ist dies in einer riesigen Branche mit einer jährlichen Wertschöpfung von fast 10 Billionen US-Dollar Risiko und Chance zugleich.17 Die Chancen ergeben sich nicht nur aus den Baumaterialien selbst, sondern auch aus digitalen Lösungen. So helfen beispielsweise digitale Produktpässe den Bauplanern dabei, die Umweltauswirkung ihrer Projekte im Blick zu behalten.
Nach Schätzungen der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UN werden bis 2050 70% der Weltbevölkerung in Städten leben.18 Heute sind es 56%.19 Angesichts der zunehmenden Urbanisierung kommt Baumaterialien, die sich für eine nachhaltige, kohlenstoffarme Zukunft eignen, eine zentrale Bedeutung zu.
1 Building Paris every week: Urgent need to cut emissions in construction sector | UN News
2 Urbanization – Our World in Data
3 Cities of the future: the ultimate design challenge (unep.org)
4 Buildings are the foundation of our energy-efficient future | Weltwirtschaftsforum (weforum.org); Global GHG emissions 1970-2022 | Statista
5 Stockholm Wood City to be the largest wooden city in the world | Weltwirtschaftsforum (weforum.org)
6 Evaluation of mechanical properties and carbonation of mortars produced with construction and demolition waste - ScienceDirect
7 Microsoft Word - ESB Fact Sheet 4 9 14 (esbnyc.com)
8 Circular Economy of Construction and Demolition Waste: A Literature Review on Lessons, Challenges, and Benefits - PMC (nih.gov)
9 Electric recycling of Portland cement at scale | Nature; Cement recycling method could help solve one of the world’s biggest climate challenges (cam.ac.uk)
10 Seratech carbon-neutral concrete wins Obel Award 2022 (dezeen.com)
11 New additives could turn concrete into an effective carbon sink | MIT News | Massachusetts Institute of Technology
12 What is green steel and how can it help us reach net zero? | Weltwirtschaftsforum (weforum.org)
13 4 breakthrough actions to decarbonize steelmaking | Weltwirtschaftsforum (weforum.org); Hybrit (hybritdevelopment.se); World’s first storage facility for fossil-free hydrogen gas up and running - IO (innovationorigins.com)
14 Governor Hochul Announces Adoption of First-in-the-nation ‘buy Clean Concrete’ Mandate for State Agencies | Governor Kathy Hochul (ny.gov)
15 New Jersey Adopts First-of-a-Kind Low Carbon Concrete Law (nrdc.org)
16 The Commission welcomes provisional agreement on the revised Construction Products Regulation, which strengthens the Single Market and supports the green transition - Europäische Kommission (europa.eu); Press Release – New Regulation on Construction Products adopted: first EU-level rules for green public procurement of building materials - Bellona.org
17 https://www.oxfordeconomics.com/wp-content/uploads/2023/10/Global-Construction-Chartbook-Q3-2023.pdf
18 Microsoft Word - Synthesis_Report.doc (fao.org)
19 Urban Development Overview (worldbank.org)
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