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    Rekordhohe Kakaopreise, unfaire Praktiken in der Schokoladen-Wertschöpfungskette: Firmen, die das ändern wollen

    Rekordhohe Kakaopreise, unfaire Praktiken in der Schokoladen-Wertschöpfungskette: Firmen, die das ändern wollen

    Die astronomischen Kakaopreise in diesem Jahr sind möglicherweise keine Ausnahme, sondern ein Vorgeschmack auf das, was noch kommen wird. Extreme Wetterbedingungen und Klimaveränderungen haben sich auf die Erträge in Ghana und der Elfenbeinküste ausgewirkt, die etwa 60% zur Weltproduktion beitragen. Auch Pflanzenkrankheiten und fehlende Anpflanzungen haben die Ernten beeinträchtigt. Die Versorgungsengpässe könnten daher 2023/24 viermal höher sein als im Vorjahr.1

    Die Kakaoindustrie ist in gewisser Weise selbst dafür verantwortlich. Durch den Anbau einer einzigen Nutzpflanzenart über mehrere Jahre – sogenannte Monokulturen – hat der Kakaoanbau die Entwaldung vorangetrieben,2 der Welt die natürlichen Kohlenstoffspeicher geraubt und den Klimawandel beschleunigt. Das hat Böden geschädigt und den Bedarf an Pestiziden erhöht. Die Folge sind weitere Schäden für die Natur und die Ernten durch den Tod von Insekten, die die Erträge verbessern können.3 Die daraus resultierende Gefahr für die Kakaoproduktion bedroht zugleich die Lebensgrundlagen von Millionen Menschen: Über 10% der Bevölkerung in Ghana4 und 20% in der Elfenbeinküste5 sind in dieser Branche tätig.

    Schokoladenhersteller, die sich der regenerativen Landwirtschaft zuwenden, wollen einen neuen Weg gehen. Zum einen produzieren sie ihre Bohnen nicht mehr in Monokulturen, sondern in organischen Agroforsten. Zum anderen verlagern sie die Kakaoverarbeitung in die Anbauländer und sorgen damit für einen wirtschaftlichen Aufschwung innerhalb der Gemeinschaften. Fertige Schokolade ist laut dem Unternehmen fairafric mit Sitz in Ghana fünfmal mehr wert als unverarbeitete Bohnen. Aber dieser Teil des Geschäfts findet seit jeher in den Industrieländern statt. Krakakoa aus Indonesien verfolgt einen ähnlichen Ansatz wie fairafric. Das Unternehmen schafft, wie fairafric, nicht nur gutbezahlte Arbeitsplätze, sondern produziert zudem preisgekrönte Schokolade.

    Wir sprachen mit dem CFO von fairafric, Jonas Schaller, und der Gründerin und CEO von Krakakoa, Sabrina Mustopo, über die Herangehensweise ihrer Unternehmen zur Neugestaltung der Schokoladen-Wertschöpfungskette.

     

    Wie gestalten fairafric und Krakakoa die Kakao- und Schokoladenproduktion nachhaltiger?

    Jonas Schaller, fairafric: Wir möchten die Erde in einem besseren Zustand hinterlassen, als wir sie vorgefunden haben. Das grösste Hindernis dabei sind Monokulturen, die den Boden innerhalb von 20 bis 30 Jahren auslaugen.6 Die Agroforstwirtschaft vereint verschiedene Pflanzen, die Synergien erzeugen: Die eine liefert Stickstoff, den andere brauchen; eine andere spendet den Schatten, den wieder andere Pflanzen benötigen. Sie imitiert den Regenwald und fördert die Biodiversität. Dies führt auch zu höheren Erträgen und besseren Früchten. Zugleich werden die Einkünfte der Bauern diversifiziert. Wir können langfristig bis zu viermal mehr Kohlenstoffemissionen aus unserer Lieferkette binden, wenn wir unseren Kakao aus dynamischer Agroforstwirtschaft beziehen.

    Die Agroforstwirtschaft vereint verschiedene Pflanzen, die Synergien erzeugen. Dies führt zu höheren Erträgen und besseren Früchten. Zugleich werden die Einkünfte der Bauern diversifiziert

    Ausserhalb der Farm streben wir Abfallvermeidung an und arbeiten nahezu müllfrei. Alle unsere Betriebsmittel sind organisch. Wir nutzen unser gesamtes Wasser mehrfach, und unsere Verpackungen sind biologisch abbaubar. Zudem recyceln wir alle Kartons vor Ort – mit Ghanas erstem Recycling-Unternehmen. Und unsere Anlage ist die erste solarbetriebene Schokoladenfabrik weltweit.7


    Chocolate supply chain_ArticleLOcom-2.jpg©Courtesy of fairafric

    Sabrina Mustopo, Krakakoa: Wir sind hauptsächlich rund um Nationalparks tätig, wo viel abgeholzt wird. Die Landwirte roden den Wald nicht aus Spass – sondern weil sie Geld brauchen. Wir schulen die Landwirte, Kakao anders anzubauen, und zeigen ihnen, wie sie die Produktivität und die Qualität der Bohnen verbessern können. Seit jeher zahlen wir einen Aufschlag auf die Marktpreise und gewährleisten den Bauern stabile Einkünfte. Damit können sie in Baumschnitt, Hygiene und Krankheitsbekämpfung in ihren Betrieben investieren und die Qualität der Ernte langfristig verbessern.

     

    Wie sind Ihre Unternehmen entstanden?

    Sabrina Mustopo: Ich war früher als Beraterin für landwirtschaftliche Entwicklungen tätig. Dabei erkannte ich, dass die Art und Weise, wie einige Unternehmen aufgebaut waren, Probleme verursachte. Daher gründete ich Krakakoa – um zu sehen, ob die Wirtschaft Teil der Lösung sein könnte. Indonesien zählt zu den grössten Kakaoproduzenten weltweit. Die hier hergestellte Schokolade war aber immer schlecht, während hochwertige Produkte importiert wurden. Eine integrierte Wertschöpfungskette schien die beste Möglichkeit zu sein, das zu ändern: den Bauern mehr zu zahlen, die Kosten durch Wertschöpfung aus der Produktion im Anbauland zu decken und bessere Produkte herzustellen.

    Ich stellte meine Idee vor, doch niemand wollte sie umsetzen. Also tat ich es selbst. Das war vor elf Jahren. Der Sprung von der Beraterin zur Unternehmerin war eigentlich gar nicht so gross: Ich war es gewohnt, Probleme zu lösen, Ideen zu verwirklichen und mit Unbekanntem umzugehen. Die grosse Veränderung bestand darin, dass ich meinen Kopf dafür hinhielt.

    Wir kontrollieren die gesamte Wertschöpfungskette einschliesslich des hochwertigen Endprodukts und des Endpreises: So können wir die Bauern besser bezahlen

    Jonas Schaller: Unser Unternehmen entstand aus der Enttäuschung, dass trotz der Entwicklungshilfe und der Versprechen multinationaler Schokoladenunternehmen Kinderarbeit und Armut zunahmen. Bis zu 60% der Kakaobäuerinnen und -bauern in Ghana leben unterhalb der Armutsgrenze.8 Was fehlt, ist die Wertschöpfung und die Schaffung von Arbeitsplätzen: Fast alle in Ghana und der Elfenbeinküste produzierten Kakaobohnen werden zur Verarbeitung exportiert.9 Wenn Menschen in den Industrieländern Schokolade kaufen, fliesst nur ein Bruchteil ihres Werts in das Herkunftsland zurück.

    Unsere Fabrik hat 150 direkte Arbeitsplätze geschaffen. Zudem beschaffen wir anderen Unternehmen Aufträge, zum Beispiel dem erwähnten Recyclingunternehmen. Auch eine Verpackungsfabrik hat sich hier niedergelassen, um unsere Nachfrage zu bedienen; sie hat mittlerweile auch andere Kunden. Die Schaffung besser bezahlter Arbeitsplätze kurbelt auch die Nachfrage nach Waren an, sodass wiederum ein entsprechendes Angebot entsteht. Entwicklungshilfe schafft keine Nachfrage, daher ist sie keine langfristige Lösung. Wir hoffen, dass wir bei der Wertschöpfung aus Rohstoffen im jeweiligen Herkunftsland als gutes Beispiel vorangehen.

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    Sie zahlen mehr als die Marktpreise und den Mindestlohn. Wie bleiben Sie profitabel?

    Jonas Schaller: Der Mindestlohn in Ghana liegt im Wesentlichen unter der Armutsgrenze. All unsere Mitarbeitenden erhalten das Vierfache, dazu kostenlose Gesundheitsversorgung für ihre Familie sowie Pensionen. Unsere Produktionskosten sind trotzdem deutlich niedriger als in Fabriken in der EU. Rüstzeiten und Fachkräftemangel treiben die Produktionskosten in Europa in die Höhe. Wir hingegen schaffen sozialen Impact und haben wettbewerbsfähige Margen.


    Chocolate supply chain_ArticleLOcom-1.jpg©Courtesy of fairafric

    Sabrina Mustopo: Wir kontrollieren die gesamte Wertschöpfungskette einschliesslich des hochwertigen Endprodukts und des Endpreises: So können wir die Bauern besser bezahlen. Wir haben eine Fabrik in Süd-Sumatra und sind daher nicht von Drittanbietern abhängig. Das bedeutet, dass wir die Kontrolle über unsere Margen haben.

    Sie bieten auch Schulungen und Karrieremöglichkeiten für Ihre Mitarbeitenden an. Erzählen Sie mehr darüber.

    Sabrina Mustopo: Wir konzentrieren uns auf gute Landwirtschaftspraktiken – Bodenaufbereitung, die Pflege der Kakaobaumstrukturen, Schädlings- und Krankheitsmanagement. Die meisten Bäuerinnen und Bauern sind kaum geschult. Wir führen eine Bedarfsanalyse durch, um herauszufinden, welche Themen für die einzelnen Landwirte am wichtigsten sind. Am Anfang mussten wir viel Überzeugungsarbeit leisten. Sobald sie aber die Ergebnisse bei ihren Ernten sehen, spricht es sich herum.

    Viele grosse Unternehmen erkennen, dass sie sich schnell an die geänderten Vorschriften zum Schutz vor Entwaldung anpassen müssen. Das weckt Interesse an Marken wie der unseren

    Jonas Schaller: Wir ermutigen all unsere Mitarbeitenden, sich bei uns weiterzubilden und Karriere zu machen. Wir haben die erste Chocolatier-Schule in Ghana eröffnet: Sie bietet Ausbildungsprogramme für die Arbeit in dieser Branche. Die Absolventen können dann ihre eigene Schule oder ein eigenes Schokoladengeschäft eröffnen – oder bei fairafric bleiben. Unser Managementteam vor Ort besteht ausschliesslich aus Ghanaerinnen und Ghanaern. Landwirtschaft ist oftmals eng mit Armut verbunden – die Arbeit im verarbeitenden Gewerbe hingegen nicht.

     

    Ab Ende 2024 sind in der EU Importe von Produkten verboten, die Entwaldung und Waldschädigung verursachen. Wie verändert das die Schokoladenindustrie und wie weisen Sie nach, dass Ihre Produkte entwaldungsfrei sind?

    Sabrina Mustopo: Viele grosse Unternehmen erkennen, dass sie sich schnell an die geänderten Vorschriften anpassen müssen. Das weckt Interesse an Marken wie der unseren. Bei anderen, bereits geltenden Anforderungen wie der EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung und den Vorschriften des Science Based Targets Network heben wir uns indes wirklich von anderen Unternehmen ab: Denn wir können unsere ökologischen und sozialen Qualitäten – Emissionen, Bodenqualität und Biodiversität, Ausbildung und gute Löhne – nachweisen.

    Jonas Schaller, fairafric: Unser grösster Markt ist Deutschland. Wir vertreiben unsere Produkte aber auch in Frankreich, der Schweiz, dem Vereinigten Königreich und in anderen Regionen Europas und haben uns bereits an die neuen EU-Vorschriften angepasst. Das können wir nachweisen: Wir arbeiten mit einer Genossenschaft zusammen, sind vor Ort und haben ein Farm-to-Factory-Konzept. Bei uns gibt es keine 20 Zwischenhändler, wie es normalerweise bei Schokolade der Fall ist. Alle Prozessschritte befinden sich physisch vor Ort.


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    Wie gross ist das Interesse bekannter Marken an Ihren Produkten?

    Jonas Schaller: Aufgrund der Entwaldungsverordnung ändern Einzelhändler ihre Einstellung. Sie merken auch, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher sich nachhaltige Premium-Produkte etwas kosten lassen. Wir erleben ein starkes B2B-Wachstum; so zeigen beispielsweise Kekshersteller und Getreideproduzenten Interesse, weil wir die Lieferkette kontrollieren. Wir haben mehr Nachfrage, als wir bewältigen können: In unserer Fabrik sind wir bei einer Kapazitätsauslastung von 15% rentabel; wir erhöhen die Kapazitäten Monat für Monat. Auch das Interesse von Anlegerinnen und Anlegern wächst. Aktuell erfolgt eine Kapitalerhöhung um USD 4 Millionen.

    Wir erleben ein starkes B2B-Wachstum; so zeigen beispielsweise Kekshersteller und Getreideproduzenten Interesse, weil wir die Lieferkette kontrollieren

    Sabrina Mustopo: Unser Vertrieb und Marketing haben sich bisher auf Indonesien konzentriert. Der nächste grosse Schritt sind aber europäische B2B-Kunden. Vor Kurzem sind wir mit Slow Forest Coffee fusioniert und haben damit unsere Reichweite in Europa vergrössert. Für die Verbraucherinnen und Verbraucher war Fairtrade vor 20 Jahren ein Novum. Heute wird es erwartet. Und die Erwartungen steigen: Die Menschen möchten transparentere Angaben dazu, woher ein Produkt kommt, nicht nur ein Zertifikat. Wir kennen unsere Landwirte persönlich und können deren Geschichten weitergeben.

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    Wie stark bedroht der Klimawandel den Kakaosektor?

    Sabrina Mustopo: Wir könnten die Preise in der Vergangenheit betrachten. Aber aufgrund des Klimawandels befinden wir uns auf einem historischen Hoch. Ich vermute, dass die Preise sinken werden, aber nicht auf das frühere Niveau.

    Jonas Schaller: Die Menschen wachen auf, weil die Preise steigen. Die Nachfrage nach Kakaobohnen nimmt zu, deren Verfügbarkeit geht jedoch zurück. Ich glaube, dass das gegenwärtige System kurz vor dem Kollaps steht. Einige Studien zeigen, dass es in Ghana keine Kakaoproduktion mehr geben wird, falls die Temperaturen um 2,5 °C steigen. Unser Ansatz ist kohlenstoffnegativ und kann Teil der Lösung sein. Aber die Menschen betreiben diese Art von Landwirtschaft nur, wenn sie sich auch lohnt. Die gute Nachricht ist, dass geschäftliches Potenzial erkennbar ist. Es kann die Armut beenden und zur Bekämpfung des Klimawandels beitragen.

     

    Chocolate price hikes: A bittersweet reason to care about climate change | UNCTAD
    Cocoa and Deforestation - International Wildlife Conservation, National Wildlife Federation (nwf.org)
    Pestizide im Kakaoanbau | Make Chocolate Fair!
    Kuapa Kokoo, Ghana - Fairtrade
    Dokument der Weltbank
    Improving soil health and closing the yield gap of cocoa production in Ghana – A review - ScienceDirect
    Fairafric: Schokoladenfabrik mit Impact – Munich Startup (munich-startup.de)
    Frontiers | A Living Income for Cocoa Producers in Côte d'Ivoire and Ghana? (frontiersin.org)
    Kakao-Statistik – Kakaoplattform

    Wichtige Hinweise.

    Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG oder einer Geschäftseinheit der Gruppe (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig wäre, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende Abgabe rechtswidrig wäre.

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