rethink sustainability

    Wir haben nur einen Planeten – deshalb sollten wir uns alle entsprechend verhalten

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    Emmanuel Schafroth

    Freiberuflicher Finanzjournalist

    Der Kampf gegen den Klimawandel und die Luftverschmutzung wird von Tag zu Tag dringender. Gleichzeitig nimmt der Druck auf die Unternehmen aus den umweltschädlichsten Branchen zu – insbesondere vonseiten von Umweltverbänden, Staaten und Anlegern. Die Zeiten, in denen der Klimawandel geleugnet wurde, scheinen vorbei. Vielmehr erwacht weltweit das Bewusstsein für die prekäre Lage. Nun ist es an der Zivilgesellschaft, dem Unternehmenssektor und der Finanzbranche, ihr Verhalten an die ökologischen Herausforderungen anzupassen – ein nicht ganz einfaches Unterfangen.

    Jährlich berechnet und veröffentlicht die NGO Global Footprint Network den Earth Overshoot Day (auch Ökoschuldentag): den Tag des laufenden Jahres, an dem die Menschheit bereits alle natürlichen Ressourcen aufgebraucht hat, die sie in einem Jahr verbrauchen dürfte, wollte sie die Ressourcenerneuerung sicherstellen. Dieser Earth Overshoot Day wird jedes Jahr früher erreicht: 2018 war es bereits der 1. August. Anders ausgedrückt: Um unseren Bedarf zu decken, verbrauchen wir die Ressourcen von 1,7 Planeten – dabei haben wir nur einen!

    Dieses Datum von Global Footprint Network wird zwar manchmal in methodischer Hinsicht in Frage gestellt. Dank seiner hohen Medienwirksamkeit trägt es aber dazu bei, dass sich die Menschen bewusstwerden, wie problematisch unser aktuelles Wirtschaftsmodell ist. Die durch den Menschen verursachte Umweltbelastung hat ein erhebliches Ausmass erreicht und nimmt weiter kontinuierlich zu – im Gleichschritt mit einer anderen, beeindruckenden Zahl: Bis im Jahr 2050 wird die Weltbevölkerung durchschnittlich um rund 180’000 Einwohner pro Tag wachsen, was der Grösse einer Stadt wie Genf oder Saarbrücken entspricht. So viele zusätzliche Menschen, die eine Wohnung und Kleidung benötigen, sich fortbewegen ... oder ihren Durst stillen müssen. Eine von vielen Folgen dieser Realität: Die weltweite Produktion von Plastikgetränkeflaschen, die bereits im Jahr 2016 die astronomische Zahl von 480 Milliarden Stück erreichte, dürfte bis 2021 um mehr als 20% zunehmen, prognostiziert das Marktforschungsinstitut Euromonitor.

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    Ein Umweltrisiko kommt selten allein

    Wir brauchen dringend ein Wirtschaftsmodell, das weniger schädlich ist für die Umwelt – erst recht, da ein Umweltrisiko selten allein auftritt. Es ist gut nachvollziehbar, dass das Abschmelzen der polaren Eismassen eine Auswirkung auf den Wasserspiegel der Ozeane hat: Gemäss den Experten des Zwischenstaatlichen Ausschusses für Klimaänderungen (oft als Weltklimarat bezeichnet) könnte der Meeresspiegel bis Ende des Jahrhunderts um 0,55 bis 0,82 Meter steigen – was bereits genügen würde, um die Malediven und verschiedene polynesische Atolle zu überfluten. Andere Folgen sind dagegen weniger bekannt. So etwa das Problem mit dem Permafrost: Rund 24% der Landoberfläche auf der Nordhalbkugel sind dauerhaft gefroren (daher das Wort Permafrost), was sie undurchlässig macht. Nun haben Forscher errechnet, dass in Permafrostböden unvorstellbare Mengen an giftigen Substanzen lagern: über 1’600 Millionen Kilogramm Quecksilber, aber auch Methan oder Schwefelsäure in grossem Umfang. Wenn der Permafrost auftaut, könnten diese Schadstoffe unsere Ozeane stark verschmutzen.

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    Das Bewusstsein nimmt zu

    Bereits seit Langem appellieren diverse nicht staatliche Vereinigungen an die Unternehmen aus den umweltschädlichsten Branchen, etwas gegen solche Umweltrisiken zu unternehmen. Heute tun dies auch Staaten und supranationale Organisationen. Im Jahr 2015 ging denn auch ein Ruck durch die Staatengemeinschaft: Die Vereinten Nationen verabschiedeten eine Agenda mit 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung, während 196 Staaten das Pariser Abkommen zum Klimaschutz, auch COP21 genannt, unterzeichneten. Gleichzeitig verabschiedete Frankreich ein Energiewendegesetz. Immer mehr sind es jedoch auch die Konsumenten, die Druck auf die Unternehmen ausüben. Davon zeugt etwa das aktuelle Beispiel von Shelby O’Neil: Mit ihren 17 Jahren ist es diesem jungen Mädchen bereits gelungen, mehrere Unternehmen – allen voran die Fluggesellschaft Alaska Airlines – davon zu überzeugen, keine Einwegstrohhalme aus Plastik mehr zu verwenden, die bekannterweise eine grosse Gefahr für die Meeresfauna darstellen. Oder das Beispiel der Gruppe von Studenten der Columbia University, die mit ihrer im Jahr 2015 lancierten Aktion die berühmte Universität letztlich dazu brachten, im Februar 2017 auf Investitionen im Kohlesektor zu verzichten. Und die rund 800 Demonstrationen für den Klimaschutz, die am 8. September 2018 in knapp 100 Ländern, darunter auch Schwellenländer, stattfanden, sind Ausdruck einer weltweiten Bewegung. Diese scheint bereit, folgenden bekannten Spruch wieder zum Leben zu erwecken, der an der Demonstration in Marseille zu sehen war: „Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt.“ Diese Veränderung wird umso schneller vonstattengehen, als das Streben nach einem neuen Wirtschaftsmodell von einer breiten Basis getragen sein wird: von der Zivilgesellschaft, vom Staat, von den Konsumenten und natürlich den Anlegern.

    Diese Veränderung wird umso schneller vonstattengehen, als das Streben nach einem neuen Wirtschaftsmodell von einer breiten Basis getragen sein wird: von der Zivilgesellschaft, vom Staat, von den Konsumenten und natürlich den Anlegern.

    Die Finanzbranche muss menschlichen Interessen dienen

    In seinem Vorwort zum jüngsten Werk von Bertrand Badré, ehemaliger Managing Director der Weltbank und Gründer von Blue Like An Orange Sustainable Capital, erinnert der französische Präsident Emmanuel Macron daran, dass „das Finanzwesen nur ein Mittel ist, um den menschlichen Interessen zu dienen. Das Finanzwesen muss uns dienen – nicht wir ihm.“ Der effizienteste Weg, um eine rasche Veränderung der Praktiken der Unternehmen zu bewirken, ist in der Tat jener über die Financiers. Denn diese sind in der Lage, den Zusammenhang zwischen ökologischem und wirtschaftlichem Risiko zu verstehen und einen Einfluss auf die Unternehmen auszuüben, an denen sie beteiligt sind.

    Artikel 173 des französischen Energiewendegesetzes bezieht übrigens die französischen Grossanleger wie Versicherer und Pensionskassen mit ein: Das Gesetz verpflichtet sie insbesondere, jedes Jahr offenzulegen, was sie tun oder unterlassen, um ihre Anlagen mit den Zielen für die Begrenzung der Erderwärmung in Einklang zu bringen. Das wiederum treibt diese Grossanleger an, ihrerseits Druck auf die Unternehmen auszuüben, in die sie investieren, und von ihnen immer mehr Fakten zu den Umweltauswirkungen ihrer Aktivitäten zu verlangen. Auch am norwegischen Staatsfonds können sich die Anleger ein Beispiel nehmen. Dieser verwaltet Gelder in Höhe von rund EUR 900 Mrd. nach genauen ethischen Kriterien, die den Fonds regelmässig veranlassen, Unternehmen aus seinem Anlageuniversum zu entfernen. Im Jahr 2017 etwa schloss er 11 Unternehmen aus, hauptsächlich wegen ihrer Aktivitäten in der Kohleproduktion. Grossunternehmen neigen eher dazu, auf derart mächtige Anleger zu hören.

    Allerdings beschränkt sich die Rolle der Anleger nicht auf die Steuerung der Risiken. Diese „Hüter“ eines globalen Sparkapitals, das noch nie so umfangreich war wie heute, müssen auch die Chancen sehen, die sich eröffnen…

    Allerdings beschränkt sich die Rolle der Anleger nicht auf die Steuerung der Risiken. Diese „Hüter“ eines globalen Sparkapitals, das noch nie so umfangreich war wie heute, müssen auch die Chancen sehen, die sich eröffnen: Investitionen in Unternehmen, die konkrete umweltfreundliche Lösungen hervorbringen, die in naher Zukunft gewinnbringend sein werden, und das Verständnis für die Bedürfnisse des Sparers von morgen – jener Generation Y, die genauso viel Wert auf eine sinnstiftende Tätigkeit legt wie auf die Finanzierung ihres Ruhestands. Was zeigen uns die aufgeführten Beispiele? Die ökologischen Herausforderungen gehen uns alle an. Unternehmen, Staaten, NGOs, Anleger, Privatpersonen ... niemandem kann die gemeinsame Herausforderung gleichgültig sein: dazu beizutragen, dass unsere schöne Erde für uns alle bewohnbar bleibt.

    Biografie

    Emmanuel Schafroth ist seit 18 Jahren als Finanzjournalist tätig. Er hat über zahlreiche Themen berichtet, darunter Technologie, erneuerbare Energien, Vermögensverwaltung und nachhaltige Geldanlagen. Emmanuel Schafroth arbeitet heute als freier Journalist und veröffentlicht seine Beiträge in verschiedenen Zeitungen, etwa in den Tageszeitungen „Le Monde" und „Les Echos".

    Bitte beachten Sie, dass diese Einschätzungen die Ansicht von Emmanuel Schafroth und nicht zwangsläufig jene der Lombard Odier Gruppe widerspiegeln.

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