rethink sustainability
Mit Wohlstand zur Nachhaltigkeit
Mit seinem unersättlichen Ressourcenverbrauch hat der Mensch eine langsam aber stetig voranschreitende Katastrophe in Gang gesetzt. Wenn wir diese Entwicklung noch aufhalten wollen, gilt es, rasch zu handeln. Es zeigt sich aber, dass die Frage der nachhaltigen Ressourcennutzung Ausdruck zweier noch tiefer wurzelnder Probleme ist. Für diese Probleme gibt es durchaus wirksame – und oft überraschende – Lösungen. Doch zu deren rechtzeitiger Umsetzung müssen auch die Anleger ihr Scherflein beitragen. Anleger, welche dieser Aufforderung nachkommen, helfen nicht nur, eine bessere Welt zu schaffen, sondern ergreifen gleichzeitig eine ausserordentliche Anlagechance.
Irgendwo im brasilianischen Regenwald. Ein etwa 50 Jahre alter Mann schultert seine Axt und macht sich auf, einen Baum zu fällen1.
Er ist aber nicht Mitglied eines Rodungstrupps. Tatsächlich dürfte er der letzte Überlebende eines Eingeborenenstammes sein, dessen Lebensraum in den 1990er-Jahren von den Rodungstrupps zerstört worden war und der anschliessend von der Bildfläche verschwand. Im Zuge der Waldrodungen „entdeckte“ man im Amazonas-Gebiet indigene Völker, mit denen es bisher noch nie Kontakt gegeben hatte. Man geht von rund 113 solcher Gemeinschaften aus. Seit 19902 wurden weltweit bereits Waldgebiete von der Grösse Südafrikas zerstört.
Derweil sehen Chantel Comardelle und die weiteren Mitglieder vom Biloxi-Chitimacha-Choctaw-Stamm der nahenden Hurrikan-Saison mit bangen Gefühlen entgegen. Sie leben auf der Isle de Jean Charles (Louisiana), einer Insel, die seit 1955 rund 98% ihrer Oberfläche im Golf von Mexiko versinken sah.
„Wenn unsere Insel nicht mehr existiert, hört auch das Herz unseres Stammes auf zu schlagen“, berichtet Chantel. „Dann werden wir unsere Kultur verloren haben – nichts weniger.“ Der steigende Wasserpegel zwingt Chantel und die 59 verbleibenden Stammesangehörigen, sich denjenigen anzuschliessen, welche die Insel bereits verlassen haben – als erste Klimaflüchtlinge auf US-amerikanischem Boden. Und weltweit droht 200 Millionen Menschen bis 20503 das gleiche Schicksal.
Die grössten Probleme
Diese Geschichten zeugen auf tragische Weise davon, mit welchen zwei unterschiedlichen Problemfeldern – die sich jedoch teilweise überlappen – wir es heute mit Blick auf die nachhaltige Ressourcenbewirtschaftung zu tun haben.
Das erste Problem betrifft die Ressourcenknappheit. Viele der Ressourcen, auf die wir angewiesen sind, werden eines Tages erschöpft sein und/oder deren Gewinnung ist mit einer unakzeptablen ökologischen Belastung verbunden.
Das zweite Problem ist jenes der Umweltverschmutzung: Denn der Ressourcenverbrauch setzt Schadstoffe frei, welche die Ökosysteme und das Klima belasten.
Wohl hat unsere Fähigkeit zur Nutzung der Ressourcen den menschlichen Fortschritt beschleunigt und Millionen von Menschen Wohlstand gebracht. Doch geschah dies in einem Tempo, das letztlich die Grenze der Nachhaltigkeit nicht nur erreichte, sondern überschritt.
Wohl hat unsere Fähigkeit zur Nutzung der Ressourcen den menschlichen Fortschritt beschleunigt und Millionen von Menschen Wohlstand gebracht. Doch geschah dies in einem Tempo, das letztlich die Grenze der Nachhaltigkeit nicht nur erreichte, sondern überschritt.
Um die sich anbahnende Katastrophe abzuwenden, ist es vielen Kritikern zufolge unerlässlich, den Fortschritt zu bremsen oder gar rückgängig zu machen. Eine unrealistische Forderung. Um den entfesselten Geist des Fortschritts wieder in die Flasche zu zwängen, müsste sich unsere Gesellschaft einer Tyrannei unterwerfen. Damit würden wir weitaus mehr verlieren, als wir jemals gewinnen könnten.
Zudem geht dieser Ansatz – fälschlicherweise – davon aus, dass die Ressourcenknappheit behoben ist. Tatsächlich sind wir indes von Materie und Energie mit unbegrenztem Anwendungspotenzial umgeben, von dem wir heute nur einen Bruchteil nutzen. Dieses Potenzial liesse sich zudem nachhaltig nutzen, sofern wir die Fähigkeit – und den Willen – aufbringen, herauszufinden, wie wir das bewerkstelligen können. Ein einfaches Beispiel: Die Verbrennung eines Kohlebriketts erzeugt nur eine geringe Menge von Energie, dafür eine grosse Menge an CO2. Wären wir in der Lage, diese Kohle ohne Energieverlust zu verbrennen, könnten wir damit eine Glühbirne für 29 Millionen Jahre leuchten lassen4.
Der Ursprung des Problems
Wie bereits erwähnt lassen sich die Ressourcenerschöpfung und die Umweltbelastung aus zwei tiefer liegenden Problemen ableiten.
Erstens benötigen wir mehr relevantes Wissen, um die für einen ökologisch nachhaltigen Lebensstil notwendigen Materialien und Energieträger zu erschliessen.
Zweitens müssen wir die richtigen Wertvorstellungen verbreiten, damit jeder dieses Wissen anstrebt und zu nutzen versucht.
Im Grunde genommen ergibt sich das Nachhaltigkeitsproblem im Ressourcenverbrauch daraus, dass die Erlangung des Wissens und der Werte, die Fundament einer nachhaltigen Lebensweise sind, hinter dem technischen Fortschritt zurückbleibt. Der Schlüssel zur nachhaltigen Ressourcenbewirtschaftung liegt demnach in der Förderung dieses Wissens und dieser Werte – eine Aufgabe, zu deren Erfüllung wir auch auf die Hilfe der Anleger angewiesen sind.
Im Grunde genommen ergibt sich das Nachhaltigkeitsproblem im Ressourcenverbrauch daraus, dass die Erlangung des Wissens und der Werte, die Fundament einer nachhaltigen Lebensweise sind, hinter dem technischen Fortschritt zurückbleibt.
Die Saat der ökologischen Veränderung
Die von den Anlegern geschaffenen Anreize bestimmen den Kurs, den die Unternehmen einschlagen, und sind gleichsam der Hebel, an dem wir ansetzen müssen.
Wir wissen, dass die ökologische Bewegung vor allem auf liberale Werte wie Toleranz, Gleichheit und Meinungsfreiheit gründet und dass diese Werte dem Fortschritt entspringen. Denn dank Wohlstand und Bildung vermag der Mensch seine Grundbedürfnisse zu stillen, sodass er sich schliesslich solchen „höheren“ Wertvorstellungen widmen kann5. Damit tun Anleger, die in eine Steigerung des Wohlstands investieren, nicht einfach nur das Richtige. Indem sie diese Werte verbreiten, werden sie zu Vorreitern des positiven Wandels.
Ausserdem wissen wir, dass fehlende Nachhaltigkeit in der Ressourcennutzung nicht unisono vom Fortschrittstempo abhängt – was auch ein Beweis dafür ist, dass wir uns das notwendige Wissen bereits aneignen. Ein Beispiel: Die Bevölkerung der USA hat seit 1970 um 40% zugenommen und wächst heute jährlich mit der doppelten Geschwindigkeit. Dagegen ist die Emissionsmenge von fünf schweren Luftschadstoffen in derselben Periode um zwei Drittel gesunken. Auch der CO2-Ausstoss und der Energieverbrauch sind abgeflacht6. Und die Entwaldung hat sich in den vergangenen 25 Jahren um mehr als 50% verringert7. Der Environmental Performance Index, der 180 Länder im Hinblick auf die in einer Periode von zehn Jahren gesamthaft getroffenen Umweltschutzmassnahmen bewertet, bezeugt für deren 178 eine Verbesserung8. Die Anleger haben es in der Hand, diese Trends zu beschleunigen, indem sie in Unternehmen investieren, die dazu beitragen, dass wir unser Wissen über diese Zusammenhänge erweitern und nutzen. Denn nur so können wir das Wechselspiel zwischen Fortschritt und Nachhaltigkeit mittels Einsatz modernster Technologie positiv steuern.
Dies sind ermutigende Anzeichen, die man nicht unterschätzen sollte, denn sie zeigen, dass wir unsere Zukunft zum Besseren ändern können. Andererseits dürfen wir uns auch nicht zu stark auf sie verlassen. Wenn wir Tempo und Richtung, die wir eingeschlagen haben, beibehalten wollen, müssen wir weiterhin Vollgas geben. Nehmen wir den Fuss vom Gaspedal, könnte es ungemütlich werden.
Die Anleger haben es in der Hand, diese Trends zu beschleunigen, indem sie in Unternehmen investieren, die dazu beitragen, dass wir unser Wissen über diese Zusammenhänge erweitern und nutzen. Denn nur so können wir das Wechselspiel zwischen Fortschritt und Nachhaltigkeit mittels Einsatz modernster Technologie positiv steuern.
In den Wandel investieren
Sprechen wir über den Klimawandel. Es wurden spürbare Fortschritte erzielt: Der CO2-Ausstoss hat sich bei ungefähr 36 Milliarden Tonnen pro Jahr eingependelt. Was im Übrigen immer noch extrem belastend ist. Wollen wir eine fatale Erderwärmung verhindern, müssen die Schadstoffemissionen deutlich sinken. Doch nach einem solchen Rückgang sieht es momentan nicht aus9. Ein natürlicher Reflex kann die Anleger dazu bewegen, in umweltschonende Initiativen in Ländern mit hohem CO2-Ausstoss zu investieren. Gleichzeitig sollte man dabei bedenken, dass die CO2-Emissionen in Ländern, die ein bestimmtes Wohlstandsniveau erreicht haben, in der Regel abnehmen10. Deshalb tragen Anlagen in grüne und wohlstandsfördernde Initiativen in Entwicklungsländern dazu bei, dass sie ihre Emissionsspitze nicht nur früher erreichen, sondern diese auch wesentlich niedriger ausfällt.
Dank eines leistungsfähigen Feedback Loop werden Investitionen in eine nachhaltige Ressourcenbewirtschaftung in Zukunft an Dynamik gewinnen: Weil mit steigendem Wohlstand auch idealistische Werte in den Mittelpunkt rücken, werden sich Investitionen in wohlstandsfördernde Unternehmen nicht nur mit Blick auf die Aneignung und Anwendung von Wissen, sondern auch finanziell lohnen. Dieses Wissen wiederum wirkt sich positiv auf Gesundheit und Sicherheit unserer Gesellschaft aus, was letztlich ebenfalls den Wohlstand fördert.
Weil mit steigendem Wohlstand auch idealistische Werte in den Mittelpunkt rücken, werden sich Investitionen in wohlstandsfördernde Unternehmen nicht nur mit Blick auf die Aneignung und Anwendung von Wissen, sondern auch finanziell lohnen. Dieses Wissen wiederum wirkt sich positiv auf Gesundheit und Sicherheit unserer Gesellschaft aus, was letztlich ebenfalls den Wohlstand fördert.
Fazit: Anleger die früh handeln, tun nicht nur das Richtige, sie profitieren auch von der möglicherweise grössten Anlagechance unserer Generation.
Biografie
Jonathon Mulholland ist ein britischer Autor mit einem akademischen Hintergrund in Philosophie und Psychologie. Zu seinen Interessen zählen Wissenschaft, Technologie, Geschichte, Religion, säkulare Spiritualität und bewusstes Leben. Seinen Blog finden Sie unter thedeliberative.com.
Bitte beachten Sie, dass diese Einschätzungen die Ansicht von Jonathon Mulholland und nicht zwangsläufig jene der Lombard Odier Gruppe widerspiegeln.
1 The Guardian
2 Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen
3 National Geographic
4 PBS
5 Pinker, 2018
6 US-Umweltbehörde (US Environmental Protection Agency), 2016
7 Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen
8 Environmental Performance Index
9 Pinker, 2018
10 Ein Datenbild unserer Welt
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