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    Chinas Aktienrally steht im Widerspruch zu den Fundamentaldaten

    Chinas Aktienrally steht im Widerspruch zu den Fundamentaldaten
    John Woods - CIO Asia

    John Woods

    CIO Asia

    Kernpunkte

    • Die Aktienmärkte Chinas und Hongkongs haben eine Rally verzeichnet. Dies spiegelt entweder die Erwartung einer anziehenden chinesischen Wirtschaft oder die Sorge über eine Währungsabwertung wider.
    • Die Unternehmensgewinne werden für die Fortsetzung der Rally entscheidend sein. Die chinesische Wirtschaft leidet jedoch nach wie vor unter Deflation, was Erwartungen einer Lockerung der Geldpolitik schürt.
    • Eine nachhaltigere Aktienrally scheint ohne Lockerung der Yuan-Politik unwahrscheinlich. Die chinesische Notenbank kann den Yuan im Kampf gegen die Deflation nicht abwerten. Dies würde die Kapitalabflüsse in die Höhe treiben und die Binnennachfrage schwächen.
    • Wir rechnen mit einer weiteren Yuan-Schwäche und halten an unserer Präferenz für den US-Dollar fest.

    Hongkongs Hang Seng Index (HSI) hat letzten Monat 17% zugelegt. Bedeutet dies, dass die chinesischen Aktien das Schlimmste überstanden haben? Wir analysieren die treibenden Faktoren hinter dieser Erholung des Aktienmarkts sowie Massnahmen, die zu ihrer Unterstützung ergriffen werden. Zudem fragen wir, ob eine Abwertung des chinesischen Yuan zwecks Ankurbelung der angeschlagenen Binnenwirtschaft zu erwarten ist.

    Bis vor Kurzem war der HSI einer der Aktienmärkte mit der weltweit schlechtesten Performance. Doch seit Jahresbeginn übertrifft er nun den amerikanischen S&P 500. Der Optimismus der Anlegerinnen und Anleger lässt sich zum Teil durch die Dominanz der Technologieaktien Festlandchinas im Hang Seng China Enterprise Index (HSCEI) erklären. Der HSCEI ist ein Teilbereich des HSI und umfasst die an der Börse in Hongkong notierten Unternehmen aus Festlandchina. Dieser Markt hat nach einem Tiefstand am 22. Januar 34% bzw. im bisherigen Jahresverlauf mehr als 16% zugelegt. Haben die Vorsicht und die negative Stimmung, die jüngst die China-bezogenen Risiken geprägt haben, angesichts besserer Wirtschafts- und Finanzmarktaussichten nachgelassen?

    Der Aktienrally könnten mehrere Faktoren zugrunde liegen: die Angst, etwas zu verpassen, die Hoffnung auf eine Konjunkturerholung in China, eine wachstumsfreundliche Politik Pekings, eine Umschichtung aus US- und japanischen Aktien durch ausländische Anleger sowie attraktive Bewertungen, insbesondere bei technologiebezogenen Titeln. Auch die Stabilität und Konsistenz der Bindung des Hongkong-Dollar an den US-Dollar erhöht die Zuversicht ausländischer Anleger. Zudem wollen die chinesischen Behörden die Rally mit politischen Massnahmen unterstützen. Der jüngste Plan sieht vor, Privatanleger auf dem Festland von einer 20%igen Dividendensteuer auf in Hongkong notierten Aktien zu befreien.

    Die Rally scheint demnach auf Erwartungen und Liquidität zu beruhen. Ob sie fortdauern kann, hängt weitgehend von den Gewinnaussichten chinesischer Unternehmen ab. Die Gewinne der grossen chinesischen Tech-Firmen im ersten Quartal werden Hinweise dazu liefern, ob die positive Kursdynamik anhalten kann.

    Eine pessimistischere Erklärung für die Rally wäre, dass sich die chinesische Wirtschaft so weit abschwächt, dass Onshore-Anleger eine Abwertung des Yuan für unvermeidlich halten; dies veranlasst sie, ihre Lokalwährung in Hongkong-Dollar und/oder Gold zu tauschen. Das Wachstum des chinesischen Bruttoinlandsprodukts in den ersten drei Monaten 2024 übertraf die Schätzungen, aber die seit März veröffentlichten Wirtschaftsdaten enttäuschen, etwa das rückläufige Wachstum der Einzelhandelsätze und die Produktion.

    Eine pessimistischere Erklärung für die Rally wäre, dass sich die chinesische Wirtschaft so weit abschwächt, dass Onshore-Anleger eine Abwertung des Yuan für unvermeidlich halten

    Kann Chinas Notenbank den Yuan abwerten?

    Der chinesische Immobiliensektor zeigt kaum Lebenszeichen, und in den grossen Städten gehen die Preise und Verkaufsvolumen weiter zurück. Auch die Kreditvergabe ist ins Stocken geraten. Im April sank die Gesamtsumme der Neufinanzierungen auf CNY 12,7 Bio. (USD 1,7 Bio.) und blieb damit hinter den Erwartungen zurück; es handelte sich um den ersten Rückgang seit 2005. Die Geschäftsbanken haben versucht, den Markt mit Krediten zu versorgen. Doch die Kreditnachfrage von Unternehmen und Haushalten scheint angesichts des allgemeinen Abbaus von Fremdkapital gering. Eine Lockerung der Geldpolitik wäre mit Chinas Bemühungen zur Bekämpfung der Deflation besser vereinbar; die Verbraucherpreise verharren seit März 2023 hartnäckig unter 1%, und die Aussichten für die Produzentenpreise bleiben düster.

    Warum hält sich die People’s Bank of China (PBoC) mit Zinssenkungen zurück? Seit Beginn des Lockerungszyklus im Dezember 2021 ist der Referenzzins für Kredite mit fünfjähriger Laufzeit – die Loan Prime Rate – um 70 Basispunkte (Bp.) gesunken, während der Verbraucherpreisindex um 120 Bp. gefallen ist. Die Entscheidung, die Zinsen zu reduzieren, scheint auf der Hand zu liegen. Doch das Problem ist der Yuan bzw. die Notwendigkeit, den Wert der Währung zu schützen und so Erwartungen einer Abwertung entgegenzuwirken. Die Onshore-Kleinanleger sind so davon überzeugt, dass der Yuan abwerten wird, dass die spekulative Nachfrage nach physischem Gold, das in US-Dollar denominiert ist, den Goldpreis auf Rekordhöhen treibt. Das durchschnittliche tägliche Handelsvolumen von Goldprodukten stieg im März und April um 79% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.

    Die Entscheidung, die Zinsen zu reduzieren, scheint auf der Hand zu liegen. Doch das Problem ist der Yuan bzw. die Notwendigkeit, den Wert der Währung zu schützen

    Ist eine Abwertung sinnvoll? Die meisten Hauptwährungen notieren gegenüber dem US-Dollar schwach. Solange die US-Notenbank Fed die Zinsen nicht senkt, wird das so bleiben. Zugleich erholen sich die Exporte Chinas. Bis April 2024 hat das Land Exporte im Wert von über USD 1 Bio. getätigt. Eine weitere Währungsabschwächung würde die Handelsspannungen mit globalen Partnern verschärfen. Eine Abwertung der Währung würde die Importkosten erhöhen und den Binnenkonsum belasten.

    Der Yuan bleibt jedoch durch Abflüsse aus den Aktienmärkten, „Reshoring“ von Anlegern, chinesische Auslandsreisen und Kapitalflucht unter Druck. Seit dem zweiten Quartal 2023 haben sich die Kapitalzuflüsse aus dem Ausland auf null verringert, den niedrigsten Wert seit der Yuan-Abwertung im Jahr 2015.

    Seit dem zweiten Quartal 2023 haben sich die Kapitalzuflüsse aus dem Ausland auf null verringert, den niedrigsten Wert seit der Yuan-Abwertung im Jahr 2015

    Wenn die Geldpolitik gelockert wird, könnte der Druck auf die Währung zunehmen. Wir erwarten zwar einen stabilen Wechselkurs von etwa 7,3 Yuan zum US-Dollar. Aber die jüngsten Erfahrungen mit dem japanischen Yen zeigen die möglichen störenden und unbeabsichtigten Folgen einer Yuan-Abschwächung auf.

     

    Der Yen und der Yuan

    Seit seinem Hoch im Jahr 2021 ist der japanische Yen gegenüber dem US-Dollar um 34% gefallen. Dies ist sowohl dem starken Dollar als auch der unorthodoxen Geldpolitik Japans geschuldet. Doch die Yen-Schwäche belastet den Handel, die Wettbewerbsfähigkeit und das Preisgleichgewicht zwischen Japan und China. Seit 2021 haben der Singapur-Dollar, der chinesische Yuan und der koreanische Won gegenüber dem Yen aufgewertet, mit Folgen für die Konkurrenzfähigkeit und das Wirtschaftswachstum der drei entsprechenden Länder.

    Die Yen-Schwäche belastet den Handel, die Wettbewerbsfähigkeit und das Preisgleichgewicht zwischen Japan und China

    Sowohl Japan als auch China intervenieren, um ihre Währung zu stützen. Der Zinsunterschied zu den USA bedeutet jedoch, dass ihre Währungen so lange unter Druck bleiben, bis die Fed die Zinsen zu senken beginnt. Wir erwarten, dass Japans Notenbank die Zinsen anheben und die Anleihenkäufe reduzieren wird, um den Yen zusätzlich zu stützen.

    China dürfte unseres Erachtens seine Währung in den kommenden Monaten stabil halten, bis wichtige geldpolitische Entscheidungen in anderen Ländern getroffen werden. Dazu gehören insbesondere weitere Zinserhöhungen durch die Bank of Japan und eine erste Zinssenkung durch die Fed. Wir schliessen eine Abwertung der chinesischen Währung nach den US-Präsidentschaftswahlen im November nicht aus. Denn eine Rückkehr von Donald Trump könnte die Einführung pauschaler Zölle in Höhe von 60% auf chinesische Exporte in die USA nach sich ziehen. Wir bleiben gegenüber chinesischen Aktien neutral und erwarten, dass sich der Aufschlag, den in Festlandchina notierte Aktien gegenüber in Hongkong notierten Werten aufweisen, aufgrund von weiteren Kapitalabflüssen verringert. Ohne Lockerung der Yuan-Politik scheint eine nachhaltigere Rally chinesischer Aktien daher unwahrscheinlich. Wir halten an der Präferenz für den US-Dollar in den Portfolios fest und rechnen mit anhaltender Volatilität des japanischen Yen.

    Wichtige Hinweise.

    Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende

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