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Chinas Reflation kommt an zweiter Stelle nach der nationalen Strategie
Kernpunkte
- Trotz neuer Massnahmen zur Ankurbelung der Bankkreditvergabe und der Aktienmärkte scheint es unwahrscheinlich, dass die chinesischen Behörden Impulse liefern, die für eine nachhaltige Aufhellung der Anlegerstimmung sorgen.
- Pekings Fokus auf die nationale Strategie deutet auf Deflationsrisiken hin, da das Land Kapazitäten als Reaktion auf die globale Entkopplung aufbaut und von echten reflationären Massnahmen absieht.
- Vereinzelte und weniger wirksame Versuche, das Wachstum zu stabilisieren, sind ein Merkmal und kein Fehler des konservativeren politischen Rahmens Chinas. Auf „Bazooka“-Massnahmen wartet man wohl vergeblich.
- Wir haben die strategischen Portfolioallokationen in chinesischen Vermögenswerten aufgehoben. Die Deflation in China hilft den Notenbanken der Industrieländer und bestärkt unsere Präferenz für Kernpositionen wie US-Aktien und erstklassige Anleihen.
Die chinesischen Behörden haben jüngst Massnahmen zur Stützung des Wachstums und der Märkte ergriffen – darunter erneute Senkungen der Mindestreserveanforderungen für Banken. Dennoch bleiben wir bei unserer vorsichtigen strategischen Haltung gegenüber chinesischen Vermögenswerten.
Der anhaltende Ausverkauf an den chinesischen Aktienmärkten in den letzten Jahren signalisiert, dass die Meinungen der globalen Anlegerinnen und Anleger über die langfristigen Herausforderungen Chinas gemacht sind. Trotz wiederholter Versuche der politischen Entscheidungsträger in Peking, die lokalen Märkte anzukurbeln, bleibt der Pessimismus der Anleger allgegenwärtig. Dies dürfte sich in absehbarer Zukunft kaum ändern, selbst wenn es durch gelegentliche „Marktrettungen“ zu kurzfristigen Erholungsphasen kommt. Die chinesischen Indizes haben trotz früherer Gegenmassnahmen, einschliesslich der wenig wirksamen Marktinterventionen von 2015, abwärts tendiert. Für eine nachhaltige Trendwende wären ein glaubwürdiges Reflationspaket und Strukturreformen nötig, welche die politischen Entscheidungsträger unseres Erachtens kaum umsetzen werden.
Ein anderes China
Chinas Wirtschaft sieht heute ganz anders aus als in der Zeit vor der Pandemie. Aufgrund der Entwicklung seit 2021 scheint sich der Ausblick des Privatsektors transformiert zu haben. Darauf lassen die Daten schliessen. So wurden zwar zahlreiche wachstumsfördernde Massnahmen ergriffen, darunter die Aufhebung der Pandemiebeschränkungen. Doch die vorsichtige Einschätzung der privaten Haushalte zu ihrer wirtschaftlichen Lage hat sich – anders als in der Zeit vor der Pandemie – kaum geändert. Wir stellen auch fest, dass die ausländischen Direktinvestitionen erstmals seit den 1990er-Jahren rückläufig sind.
Es gibt mehrere Erklärungen für diesen Pessimismus. Restriktionen aufgrund der Pandemie und ein hartes Durchgreifen in der Industrie könnten eine allgemeine Neubewertung der Konventionen ausgelöst haben, welche das Wirtschaftsleben seit den 1990er-Jahren geprägt haben. Hinzu kommen geostrategische Spannungen und Turbulenzen im Immobiliensektor.
Unserer Ansicht nach beschränken sich die Ursachen dieser Veränderung nicht auf die Bevölkerungsalterung. Wir glauben nicht, dass die Überalterung Chinas ein unüberwindbares Hindernis für die Entwicklung ist. Denn das Land könnte das Problem durch eine höhere Urbanisierungsrate oder eine effektivere Nutzung von Technologie entschärfen. Die eigentliche Herausforderung ist die sich abzeichnende Rückkopplung zwischen Geopolitik und makroökonomischer Politik, mit möglicherweise negativen Folgen für das langfristige Wachstum.
Rückkopplung zwischen Geopolitik und Makropolitik
Aufgrund der zunehmenden globalen Entkopplung ist China stärker unter Druck, in zahlreichen Branchen Eigenständigkeit zu erreichen; ursprünglich waren im Plan „Made in China 2025“ nur wenige strategische Branchen vorgesehen. China hat die nötigen Kapazitäten, um die Fertigung auszubauen. Die Automobilindustrie und der Bereich saubere Energie zeigen, wie schnell das Land dazu in der Lage ist. In anderen Sektoren ist es jedoch unter Umständen unmöglich oder extrem kostspielig, den gleichen Erfolg zu erzielen.
Die Konzentration der politischen Führung auf die nationale Sicherheit und die strategische Widerstandsfähigkeit bedeutet jedoch, dass das Streben nach industrieller Eigenständigkeit ohne Rücksicht auf Kosten und Effizienz weitergeht. Das Ergebnis ist ein sich verschärfender Handelskrieg. Diese Dynamik zeigt sich deutlich im Halbleitersektor, wo die strengeren, multilateralen Exportkontrollen der USA und ihrer Verbündeten ein Aufholen Chinas behindern. Ein weiteres Beispiel ist der Handelskonflikt mit der Europäischen Union im Automobilsektor.
Aufgrund des herrschenden Misstrauens verlangsamt sich die Verbreitung globaler Technologien und bewährter Praktiken in Chinas Privatsektor. Wirtschaftliche Ressourcen werden ineffizient umverteilt. Wegen Chinas geschlossener Kapitalbilanz geht das Streben nach Eigenständigkeit mit dem Risiko einher, dass Sparüberschüsse und Überinvestitionen fortbestehen. Der lange versprochene Übergang zu einem offeneren Finanzsystem, das die marktgetriebene Kapitalallokation erleichtert, wird aufgeschoben. Das bisherige System könnte als zweckmässiger angesehen werden als die Öffnung der Märkte, die zu Abflüssen und einer schwierigeren Finanzierung für staatliche Unternehmen führen könnte.
Deflationsgefahr
Die unmittelbare Folge dieser Spirale könnte eine anhaltende Deflationsgefahr in China sein, da mithilfe der Ersparnisse der privaten Haushalte noch mehr Kapazitäten aufgebaut werden. Unserer Ansicht nach verfügt Peking über die politischen Instrumente zur Stabilisierung der inländischen Inflation, aber andere Erwägungen verhindern deren Einsatz. Ob China aus dieser selbst auferlegten Zurückhaltung ausbricht, ist für die mittelfristigen Wirtschafts- und Marktaussichten des Landes von Bedeutung. Rettungsversuche der „Nationalmannschaft“ haben in der Vergangenheit nicht besonders gut funktioniert. Wir sehen auch keine Anzeichen dafür, dass es dieses Mal anders sein könnte.
Das liegt daran, dass das stückweise Vorgehen, das die Anleger in der Vergangenheit frustriert hat, ein Merkmal und kein Fehler des politischen Rahmens Chinas ist. Dieser Rahmen wird von der nationalen Strategie bestimmt. Eine wirtschaftlich bedeutungslose Wechselkursuntergrenze von 7,2 Yuan gegenüber dem US-Dollar wird verteidigt – dies wegen der Sorge um Kapitalabflüsse und des Aufbaus einer Alternative zur amerikanischen Währung für Finanzierungen. Die Behörden haben sich für die Stabilität des Yuan und für Kapitalverkehrsbeschränkungen entschieden und verzichten weiterhin auf aggressive Zinssenkungen. Diese werden mit Blick auf die Unterstützung der Geschäftsbanken für staatliche Investitionen in strategische Branchen als schädlich angesehen.
In der Fiskal- und Kreditpolitik werden „Bazooka“-Massnahmen aufgeschoben, weil sie Exzesse auf dem Immobilienmarkt anheizen könnten. Diese wiederum untergraben die Wohlstandskampagne der Regierung und führen zum Abzug von Kapital aus strategisch wichtigen Sektoren. China hat das Gegenteil erreicht: Es hat Bankkredite erfolgreich in die Industrie umgelenkt. Während die Schwierigkeiten bei den Immobilieninvestitionen zu einer neuen, gezielten Unterstützung des Sektors geführt haben, vollzieht die Regierung vorsichtige Schritte mit Blick auf Finanzierungsbeschränkungen („three red lines“) für Bauunternehmen. Die Behörden scheinen nur auf eine stabile Konsolidierung des Sektors statt auf einen starken Aufschwung zu hoffen. Die Debatte über die Reflation ist in China noch nicht abgeschlossen.
Es überrascht nicht, dass Peking mit Reformen des Rentenalters, der Grundsteuer, der Stadtplanung und der Liberalisierung der Finanzmärkte zögert. Alles, was das bestehende soziale Gefüge destabilisieren könnte, wird zugunsten dringenderer strategischer Prioritäten zurückgestellt. Wir haben es mit einem neuen, fundamental risikoscheueren China zu tun.
China: Ein Schwellenland unter vielen
Ein anderes China spricht für einen anderen Blick auf die Vermögenswerte des Landes. Wir haben vor Kurzem chinesische Schuldtitel und Aktien aus unserer strategischen Vermögensallokation – dem Rahmen, der unseren Portfolios zugrunde liegt – entfernt. Damit tragen wir unserer Neubeurteilung der langfristigen Herausforderungen des Landes Rechnung. Auch aus einer kurzfristigen, taktischen Perspektive halten wir es für verfrüht, chinesische Vermögenswerte – Aktien, Anleihen oder den Yuan – positiv einzuschätzen. China ist einer von vielen Märkten in unserer Allokation in Schwellenländeraktien und entsprechenden Hartwährungsanleihen.
Chinas Deflation ist zwar ein inländisches Problem und bremst die globalen Wachstumsaussichten. Doch sie trägt auch zur Disinflation in den grossen Industrieländern und zu deren Erholung von Inflationsschocks bei. Dies untermauert unsere Ansicht, dass die Notenbanken der Industrieländer in den kommenden Monaten die Zinsen senken können, was wiederum das Binnenwachstum unterstützen dürfte. Insgesamt bestärken diese Einschätzungen – zusammen mit grösseren geopolitischen Risiken in einer zunehmend fragmentierten Welt mit Blöcken unter Führung der USA und Chinas – unsere Präferenz für Kernpositionen im Portfolio; wir konzentrieren uns auf US-Aktien und erstklassige Anleihen.
Wichtige Hinweise.
Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende
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