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US-Arbeitsmarkt signalisiert Fortschritt im Kampf der Fed gegen die Inflation
Lombard Odier Private Bank
Kernpunkte
- Die US-Arbeitslosigkeit hat im August leicht auf 3,7% zugenommen – der erste Anstieg seit sechs Monaten und ein erstes Anzeichen dafür, dass die geldpolitische Straffung der Fed den Arbeitsmarkt erreicht
- Die Beschäftigungsquote hat sich verbessert, und das Arbeitskräfteangebot ist grösser geworden, während eine Verlangsamung des Lohnwachstums eingesetzt hat
- Es herrscht jedoch weiterhin fast Vollbeschäftigung, und der Arbeitsmarkt bleibt eine Schlüsselvariable im geldpolitischen Ausblick der Fed
- Unser Basisszenario ist nach wie vor eine leichte US-Rezession im Jahr 2023. Dieser Ausblick würde Risikoanlagen eine gewisse Unterstützung bieten.
Die Zahl der Amerikaner, die Arbeit suchen, liegt nach wie vor fast auf einem Fünfzig-Jahres- bzw. Vor-Pandemie-Tiefstand. Bisher haben die Rekordinflation und das nachlassende Wachstum die Arbeitslosigkeit kaum ansteigen lassen. Letzte Woche gab es nun erste Anzeichen für eine mögliche Entspannung am Arbeitsmarkt – eine Voraussetzung dafür, dass die Federal Reserve (Fed) das Tempo der Zinserhöhungen drosseln und eine schwere Rezession vermeiden kann.
Der US-Arbeitsmarkt kommt in Bewegung, aber nur langsam. Letzte Woche meldeten die USA für August einen Zuwachs von 315’000 Stellen gegenüber Juli und eine erstmals seit sechs Monaten wieder höhere Arbeitslosenquote. Letztere stieg von 3,5% im Vormonat auf 3,7%, was insgesamt 6 Millionen Personen entspricht. Als die Auswirkungen der Covid-Pandemie auf die Wirtschaft nachliessen und die Unternehmen wieder öffneten, verringerte sich das Arbeitskräfteangebot, während die Verbrauchernachfrage nach Gütern und Dienstleistungen zunahm. Entsprechend versuchten die Unternehmen, das vorhandene Personal zu halten oder die in geringerer Zahl zur Verfügung stehenden Arbeitskräfte mit höheren Löhnen zu gewinnen. Die daraus resultierende Inflation ist für die Fed eine Herausforderung, die sie zu bewältigen versucht, ohne eine schwere Rezession auszulösen. Zwar kann die Notenbank die Zahl der Arbeitskräfte nicht erhöhen, doch dürften höhere Zinsen letztlich die Nachfrage nach Arbeitskräften dämpfen.
Die Preisstabilität bzw. die Eindämmung der Inflation bleibt das oberste Ziel der Fed. Doch solange die Arbeitnehmenden nicht das Gefühl haben, dass weniger Arbeitsplätze zur Verfügung stehen, werden sie möglicherweise höhere Löhne verlangen und damit die Erwartung steigender Preise „verankern“. Das macht die Inflation hartnäckiger. Zwar wirkt sich die Geldpolitik mit einer gewissen Verzögerung auf den Arbeitsmarkt aus. Doch je länger der Arbeitsmarkt nicht auf höhere Zinsen zu reagieren scheint, desto straffer muss die Geldpolitik werden. Damit steigt das Risiko, dass die US-Wirtschaft von einem leichten Abschwung in eine stärkere Rezession kippt.
Der Arbeitsmarkt „ist eindeutig aus dem Gleichgewicht geraten“, sagte der Fed-Vorsitzende Jerome Powell in einer Rede am Notenbankertreffen in Jackson Hole, Wyoming, am 26. August. „Wie die Geschichte zeigt, dürften die Kosten der Inflationsbekämpfung für die Beschäftigung verzögert steigen, da sich die hohe Inflation in der Lohn- und Preisbildung immer mehr verfestigt.“ Powell unterstrich in seiner Rede die Entschlossenheit der Fed, die geldpolitischen Zügel weiter anzuziehen. Damit scheinen die Chancen auf eine Umkehr des Zinserhöhungszyklus im Jahr 2023 zu schwinden. Die Inflation zeigt erste Anzeichen einer Abschwächung, und die Stundenlöhne haben sich im August verringert. Doch das Lohnwachstum dürfte annualisiert 5% betragen, was nicht mit dem durchschnittlichen Inflationsziel der Fed von 2% vereinbar ist.
Der nächste Inflationsbericht wird am 13. September veröffentlicht. Er wird für die Fed ein wichtiger Anhaltspunkt für die Entscheidung über eine Zinserhöhung um 50 oder 75 Basispunkte sein. Wir erwarten, dass der US-Leitzins Anfang 2023 einen Höchststand von 3,75% erreicht – hoch genug, um eine leichte Rezession auszulösen.
Derzeit deuten die Wirtschaftsdaten nicht auf eine Kontraktion in der ersten Jahreshälfte 2022 hin. Viele der anderen Voraussetzungen für eine Verbesserung der Inflationsaussichten sind bereits gegeben. Der Konjunkturzyklus ist in vollem Gange, die US-Wirtschaft verlangsamt sich, da die Kosten für Kredite und Hypotheken steigen, und die Rohstoffpreise sowie die Nachfrage gehen zurück. Zudem verbessern sich die Lieferketten und Transportpreise, sodass die Unternehmen ihre Lagerbestände wieder auffüllen können.
In der ersten Hälfte des Jahres 2022 stützten solide Unternehmensgewinne die Nachfrage nach Arbeitskräften. Nun verlagert sich der Fokus der Anlegerinnen und Anleger auf niedrigere Bewertungen, da sich die Unternehmen auf eine nachlassende Nachfrage und Margendruck vorbereiten. Dies könnte dazu beitragen, dass die Neueinstellungen zurückgehen.
Nicht im Einsatz
Das nach wie vor hohe Beschäftigungsniveau ist zumindest teilweise eine Folge des Ausscheidens von etwa 3 Millionen Personen aus dem Arbeitsmarkt. Die US-Wirtschaft verfügt noch immer über weniger Arbeitskräfte als vor Covid, obwohl deren Zahl im August zugenommen hat. Die Arbeitslosenquote hat sich auf den Vor-Pandemie-Tiefststand erholt. Demgegenüber lag die Beschäftigungsquote im August bei 62,4% und damit leicht höher als im Juli, aber immer noch einen ganzen Prozentpunkt unter dem Vor-Pandemie-Niveau. Diese Differenz könnte die Veränderung der letzten zweieinhalb Jahren überzeichnen. Denn schätzungsweise zwei Drittel der fehlenden Arbeitskräfte dürften die natürliche Folge einer alternden Bevölkerung und des Umstands sein, dass Leute in den vorzeitigen Ruhestand getreten sind. Hinzu kommt, dass die Einwanderung gegenüber dem letzten Höchststand im Jahr 2017 aufgrund der Pandemie um zwei Drittel zurückgegangen ist (siehe Grafik 1). Zu erwähnen sind auch die noch wenig bekannten Auswirkungen der „Long Covid“-Symptome, unter denen laut der Behörde Centers for Disease Control and Prevention möglicherweise ein Fünftel der vormals an Covid Erkrankten leidet. Allerdings fehlen im Vergleich zur Vor-Pandemie-Zeit immer noch Arbeitskräfte im Haupterwerbsalter – d.h. 25- und 54-Jährige –, wobei sich auch diese Lücke allmählich schliesst (siehe Grafik 2).
Wir sehen zwei Szenarien: In unserem Basisszenario gelingt es der Fed mit ihrem Zinserhöhungszyklus, die Inflation einzudämmen und eine leichte Rezession im Jahr 2023 auszulösen. Dieses Szenario steht im Einklang mit einem Höchststand des Leitzinses bei 3,75%. Wenn die Märkte dieses Szenario allmählich voll einpreisen, dürften Risikoanlagen unterstützt werden. Bleibt die Inflation jedoch hoch, könnte die Fed zu noch restriktiveren geldpolitischen Massnahmen greifen, um die Konjunktur abzukühlen. Dann könnte die US-Wirtschaft in eine schwere Rezession stürzen, was den Ausblick für Risikoanlagen weiter schwächen würde.
Wichtige Hinweise.
Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende
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