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Warten auf Orientierung: Entwicklung an den Aktienmärkten hängt von China, Fed und Ukraine ab
Lombard Odier Private Bank
Kernpunkte
- Die im ersten Quartal in den USA und in Europa erzielten Unternehmensgewinne waren solide, boten den Märkten aber nicht die nötige Orientierung
- Die Aussichten auf Unternehmensebene werden eingetrübt durch die Unwägbarkeiten in Bezug auf die US-Inflation, den „finalen“ Leitzins der US-Notenbank, den Krieg in der Ukraine und die Covid-Lockdowns in China
- Noch gibt es keinerlei Anzeichen dafür, dass die Inflation in den USA ihren Höhepunkt erreicht hat, und Chinas Wirtschaft ist im April geschrumpft
- Wir konzentrieren uns auf Substanz- und Qualitätstitel und verfolgen weiterhin Put-Spread-Strategien, um von asymmetrischen Renditeprofilen in den Portfolios zu profitieren.
Wird sich das alte Börsensprichwort „Sell in May and go away“1 im Jahr 2022 bewahrheiten? Obwohl die Unternehmensgewinne im ersten Quartal die Erwartungen übertroffen haben, sind die US-amerikanischen und europäischen Aktienmärkte im bisherigen Jahresverlauf um rund ein Sechstel gefallen. Die Inflation, Chinas Lockdowns, der Ukraine-Krieg und steigende Zinsen trüben den Investment-Ausblick. Wir bleiben vorsichtig positioniert und bevorzugen Qualitäts- und Substanzwerte, um der Volatilität zu begegnen.
Vor Beginn der Berichtssaison wurden die Gewinnerwartungen für die ersten drei Monate des Jahres gesenkt, wodurch die Unternehmen in der Lage waren, die Analystenschätzungen zu übertreffen. Die im S&P 500 Index gelisteten Unternehmen verzeichneten gegenüber dem Vorjahr einen im Durchschnitt um 7% höheren Gewinn je Aktie (EPS) und mehr als drei Viertel von ihnen übertrafen die Konsenserwartungen zum Umsatz. In Europa liegt das EPS-Wachstum für den EuroStoxx 600 im Vergleich zum Vorjahr um 45% höher. Zugleich war das Umsatzwachstum stark und entsprach demjenigen des amerikanischen Marktes. Noch wichtiger ist, dass laut den Geschäftsleitungen die steigenden Preise die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen bislang nicht beeinträchtigt haben und die Unternehmen in der Lage waren, ihre höheren Kosten weiterzugeben.
Doch ohne ein klares Bild davon zu haben, wie es um die künftige Rentabilität der Unternehmen bestellt ist, spielt es kaum eine Rolle, dass in der jüngsten Berichtssaison die Erwartungen übertroffen wurden. Im bisherigen Jahresverlauf ist der S&P 500 um 16% und der EuroStoxx 600 um 12% gefallen, wobei der Euro gegenüber dem US-Dollar weitere 8% eingebüsst hat. Das positive durchschnittliche Gewinnwachstum auf allen Märkten verschleiert, dass der Energie- und der Rohstoffsektor die Gewinne des breiten Marktes angekurbelt haben. Die meisten anderen Sektoren verzeichneten indes Gewinnrückgänge. Ohne den Energiesektor betrug das EPS-Wachstum im Vergleich zum Vorjahresquartal durchschnittlich 3% in den USA und 12% in Europa. Auch der Finanzsektor litt unter der Vorsicht der Anleger und unter der allgemein fehlenden Prognosesicherheit für die Wirtschaft.
Technologiewerte waren bei den Rückgängen an den Märkten federführend. Der Nasdaq Composite Index, in dem Technologieunternehmen rund die Hälfte der Marktkapitalisierung ausmachen, ist 2022 bislang um 25% gefallen. Grund dafür ist, dass die Bewertungen von Technologieunternehmen durch die steigenden Zinserwartungen untergraben werden: Die Geschäftsmodelle dieser Unternehmen basieren auf dem künftigen Wachstum ihrer Plattformen. Sie sind daher stärker von zukünftigen als von gegenwärtigen Cashflows abhängig, die nun zu höheren Zinssätzen abgezinst werden. Ebenfalls in Mitleidenschaft gezogen wurden die Aktien anderer Unternehmen, die von pandemiebedingten Lockdowns profitierten, als die Verbraucher beim Arbeiten, Spielen und Einkaufen stärker auf Technologien angewiesen waren.
Normalerweise konzentrieren sich die Märkte auf die Prognosen der Unternehmen. Bis 2021 korrigierte die Mehrheit der Unternehmen in Erwartung des Booms nach der Pandemie die Gewinnerwartungen kontinuierlich nach oben. In den letzten Wochen ist die Zahl der Revisionen der Unternehmensausblicke indes deutlich unter den historischen Durchschnitt gesunken. Neue Prognosen hängen weitgehend von der Antwort auf die Frage ab, wie lange die Lieferketten unterbrochen bleiben und wie hoch die Zinsen in den USA steigen werden.
Krieg, Pandemie und Aktien
Die meisten Unternehmen werden sich schwertun, einen verbindlichen Ausblick auf das verbleibende Jahr zu geben, ohne weitere Anhaltspunkte in Bezug auf Chinas Lockdowns, das neue geopolitische Paradigma nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine und eine mittlerweile sehr restriktive US-Notenbank zu haben.
Die ersten beiden Faktoren haben dazu beigetragen, dass die Inflation in den USA und in Europa auf ein Rekordniveau geklettert ist. Als Reaktion darauf erhöhen die Zentralbanken die Kreditkosten. Der Ukraine-Konflikt lässt einen langfristigen Paradigmenwechsel in den geopolitischen Beziehungen vermuten und die Wahrscheinlichkeit eines langwierigen Krieges nimmt zu. Daher passen die Unternehmen ihre Beschaffungs- und Vertriebsketten immer häufiger dauerhaft an, um den verschärften Sanktionen, der wirtschaftlichen Isolierung Russlands und der Verlagerung in der Energieversorgung Europas Rechnung zu tragen.
Die Anleger konzentrieren sich zudem stark auf den geldpolitischen Kurs der US-Notenbank und ihren „finalen“ Zinssatz in einem Jahr. Der Wechsel der US-Währungshüter von „quantitativer Lockerung“ zu „quantitativer Straffung“ zielt eher darauf ab, die aus der Covid-Ära stammenden Anreize zu beseitigen und die Inflation der Verbraucherpreise zu bekämpfen, als das sich verlangsamende Wachstum zu stimulieren. Darüber hinaus plant die US-Notenbank, die Zinsen in einem seit mehr als zwei Jahrzehnten nicht mehr verzeichneten Tempo zu erhöhen. Bevor sich die Marktstimmung nachhaltig verbessert, müssen die Anleger davon überzeugt sein, dass sich die Inflation abschwächt, selbst wenn sie auf einem höheren Niveau verbleibt als vor der Pandemie. Das würde es den Währungshütern in den USA erlauben, ihren aggressiven Zinserhöhungszyklus zu verlangsamen. So weit sind wir allerdings noch nicht, denn die US-Inflation erreichte im März annualisiert 8,5% und im April 8,3%. Wir gehen davon aus, dass die Fed an ihren Sitzungen im Juni und Juli die Zinsen um jeweils 50 Basispunkte anheben und der Leitzins im Jahr 2023 einen Stand von 3% erreichen wird.
Hemmschuh China
Der wichtigste Faktor für den globalen Ausblick und damit für die Prognosesicherheit bei den Unternehmensgewinnen ist die Abkühlung der chinesischen Wirtschaft. Die Null-Covid-Politik des Landes unterminiert nicht nur die eigene Wirtschaft, sondern unterbricht auch Lieferketten, da Fabriken ihre Produktion einstellen und Häfen ihre Waren nicht mehr weltweit verschiffen.
Chinas offizielles Wachstumsziel für das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2022 liegt bei 5,5%. Dies scheint durch die Null-Covid-Politik zunehmend infrage gestellt. Sowohl die Industrieproduktion als auch die Verbraucherausgaben gingen im April auf ein Niveau zurück, das seit Beginn der Pandemie nicht mehr verzeichnet wurde. Zugleich stieg die Arbeitslosigkeit. Für 2022 rechnen wir bestenfalls mit einem BIP-Wachstum von rund 4,3%. Wenn das Land seine derzeitige Strategie in puncto öffentliche Gesundheit nicht umkehrt oder das Infektionsgeschehen nicht schnell eindämmt, könnte das Wachstum auf Gesamtjahressicht sogar weniger als 4% betragen.
Zum jetzigen Zeitpunkt ist es schwer vorstellbar, dass die Covid-Politik vor dem Kongress der Kommunistischen Partei im späteren Jahresverlauf 2022 rückgängig gemacht wird. Am genannten Kongress soll die Amtszeit von Präsident Xi Jinping verlängert werden. In der Zwischenzeit hat die Regierung versucht, die Wirtschaft mit gezielten Anpassungen zu stützen, einschliesslich gelockerter Kreditkonditionen für Erstkäufer von Wohneigentum. Um die Liquidität zu erhöhen, hat die chinesische Zentralbank bereits den Anteil der Einlagen gesenkt, den die Geschäftsbanken als Reserve halten müssen.
Bewertungen und Portfolios
Die Unternehmensbewertungen scheinen mittlerweile attraktiver. Doch die Bewertungen sind für sich genommen noch kein Investitionsgrund und die steigenden Zinsen werden weitere Verbesserungen begrenzen.
Die Erstquartalsgewinne haben gezeigt, dass die Aktienmärkte ungeachtet der Unternehmensveröffentlichungen nicht vor negativer Stimmung und Mittelabflüssen gefeit sind. Drei Risiken stehen im Vordergrund. Wir gehen davon aus, dass die Aktienmärkte volatil bleiben, bis mehr Klarheit über die US-Inflation und den „finalen“ Zinssatz in den USA, den Krieg in der Ukraine und die Pandemiesituation in China besteht.
Wir haben neben einigen Beständen, die der Diversifizierung dienen, eine neutrale Positionierung der Portfolios in Bezug auf Aktien beibehalten. Des Weiteren bevorzugen wir Aktien, Sektoren und Regionen, die besser in der Lage sind, das höhere Zinsumfeld zu bewältigen, da die Unternehmen steigende Kosten weitergeben oder ein geringeres Wachstum verkraften können. Wir bevorzugen daher insbesondere die Märkte in den USA und im Vereinigten Königreich. Wir konzentrieren uns auf Substanz- und Qualitätsaktien sowie auf Gelegenheiten in den Sektoren Energie, Industrie und Roh-, Hilfs- und Betriebsstoffe sowie auf einige hochwertige Technologie- und Gesundheitstitel. Wichtig ist, dass Nachhaltigkeit für jede Anlageentscheidung zentral bleibt. Angesichts der Abwärtsrisiken an den Aktienmärkten haben wir für unsere Portfolios asymmetrische Renditeprofile erstellt. Dazu nutzen wir Put-Spread-Strategien auf US-amerikanische und europäische Indizes.
1 Wörtlich übersetzt: Im Mai verkaufen und weggehen.
Wichtige Hinweise.
Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende
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