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Wie lange wird die Stärke des US-Dollar anhalten?
Lombard Odier Private Bank
Kernpunkte
- Die Suche der Anleger nach einem sicheren Hafen in einem Umfeld sich verschlechternder globaler Wachstums- und Inflationsaussichten hat den US-Dollar auf den höchsten Stand seit 2002 getrieben
- Aus historischer Sicht wird der US-Dollar stärker, wenn die globale Liquidität schrumpft. Daran dürfte sich angesichts der restriktiveren Politik der Notenbanken nichts ändern
- Keine Alternativen stellen den Status des US-Dollar als Weltreservewährung infrage
- Wir nahmen einen Teil der Gewinne aus unseren US-Dollar-Engagements mit und reduzierten unsere Übergewichtung in den auf Schweizer Franken, Euro und Pfund Sterling lautenden Portfolios auf 3%.
Beinahe zwei Jahrzehnte sind vergangen, seit der US-Dollar letztmals so stark war. Eine Kombination aus hoher Inflation und geopolitischer Instabilität hat die Nachfrage nach der Weltreservewährung angetrieben. Kann der Dollar weiter steigen, wenn die US-Notenbank die Inflation bekämpft, oder werden der Angebotsschock nach der Pandemie und die geopolitischen Verwerfungen seinen Status untergraben?
Seit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine hat der US-Dollar gegenüber einem Währungskorb um beinahe 9% zugelegt. Der US-Dollar-Index (DXY) kletterte in der vergangenen Woche auf 104 und damit auf ein Niveau, das er zuletzt Ende 2002 erreicht hatte.
Die Notenbanken haben mit Blick auf die Steuerung der Geldpolitik einen steinigen Weg vor sich. So müssen sich die Notenbanken ‒ darunter die Bank of England, die Reserve Bank of Australia und die Reserve Bank of New Zealand ‒ mit sich verschlechternden Wirtschaftsaussichten und Inflation auseinandersetzen und haben den steigenden Verbraucherpreisen den Kampf angesagt, indem sie die Zinsen erhöhen. Damit wollen sie die Liquiditätsbedingungen straffen und die Nachfrage abbremsen. In einem Umfeld geringerer globaler Liquidität legt der US-Dollar in der Regel zu und dürfte sich erst wieder abschwächen, wenn sich die Aussichten für das weltweite Wachstum verbessern (siehe Abbildung 1).
Die US-Notenbank Fed betonte letzte Woche, dass sie sich auf die Bekämpfung der Inflation konzentriert, die so hoch ist wie seit vier Jahrzehnten nicht mehr. Innerhalb von sechs Monaten entwickelte sich die Inflation in den USA gemäss Fed von „vorübergehend“ zu „viel zu hoch“. Als die Verbraucherpreisinflation im Jahr 2022 zunahm und im März annualisiert 8,5% erreichte, ging die Fed zu einer restriktiveren Geldpolitik über und der US-Dollar gewann an Stärke. Die Fed erhöhte die Zinsen im März um 25 Basispunkte (Bp.) und am 4. Mai um 50 Bp. Wir erwarten eine weitere Anhebung um jeweils 50 Bp. im Juni, Juli und September, sodass der Leitzins in den ersten drei Monaten des Jahres 2023 einen Höchststand von rund 3% erreichen dürfte.
Fed-Chef Jerome Powell weist weiterhin auf die Notwendigkeit einer Normalisierung der Geldpolitik mit höheren Zinsen hin, um die Verbrauchernachfrage zu dämpfen und die konjunkturelle Entwicklung zu bremsen. Die Herausforderung besteht in der starken Wirtschaft der USA mit einer soliden Beschäftigungsquote und einem Wachstum von 3,4% im ersten Quartal 2022. Der Arbeitsmarkt befindet sich nahe der Vollbeschäftigung und die Arbeitslosenquote lag im April bei 3,6%, was die Löhne unter Druck setzt. Die Löhne stiegen in den letzten zwölf Monaten um 5,5%, während der Anteil der erwerbstätigen Bevölkerung (d. h. die Erwerbsquote) auf 62% und damit auf den niedrigsten Stand seit drei Monaten sank. Die Daten werden die Arbeit der Fed erschweren, zumal die am 11. Mai zur Veröffentlichung anstehende Gesamtinflationsrate für April annualisiert bei 8,1% liegen dürfte.
Das Instrumentarium der Fed zur Herbeiführung einer Konjunkturabschwächung bei gleichzeitiger Vermeidung einer Rezession ist begrenzt. Neben der Verringerung der Liquidität durch Zinserhöhungen kann die Notenbank lediglich ihre Bilanz bis 2024 von USD 9 Bio. auf USD 7 Bio. schmälern. Dieser Prozess wird im Juni mit einer monatlichen Kürzung um rund USD 47 Mrd. beginnen und ab September wird die monatliche Kürzung USD 95 Mrd. betragen.
„Powell-Schock“?
Als die US-Inflation letztmals so hoch war, leitete Paul Volcker die Fed. Paul Volcker, der zwei Amtszeiten von 1979 bis 1987 unter den Präsidenten Jimmy Carter und Ronald Reagan durchlief, wurde dafür gelobt, dass er die zweistellige Inflation in den USA dank seines später als „Volcker-Schock“ bezeichneten Programms eindämmte. Bei seinem Amtsantritt im Oktober 1979 hatte er gewarnt, „der amerikanische Lebensstandard müsse sinken“, bevor er die Zinsen kurzzeitig auf 20% erhöhte.
Der Übergang der Fed im Jahr 2022 von der quantitativen Lockerung (QE) zur sogenannten quantitativen Straffung (QT) – der Reduktion der Bilanz bei gleichzeitiger Erhöhung der Kreditkosten – erfolgte abrupt, innerhalb von rund drei Monaten. Die Anleger befürchten, dass die QT zu spät kommt und der Fed keine andere Wahl bleibt, als die Zinsen sehr rasch anzuheben. Somit bliebe nicht genügend Zeit, die wirtschaftlichen Auswirkungen jeder Anhebung zu beobachten, und es besteht das Risiko, dass die Wirtschaft in eine Rezession fällt.
Der US-Notenbank gelang es bisher noch nie, die US-Wirtschaftsentwicklung im Umfang von vier Prozentpunkten zu drosseln, ohne eine Rezession auszulösen. Sie steht nun vor der Wahl, entweder eine Rezession zu riskieren oder die Inflation bis weit in das Jahr 2023 hinein oberhalb ihrer Ziele zu belassen. Wir gehen davon aus, dass sich die Fed für die Bekämpfung der Inflation entscheiden wird.
Kurz- und langfristige Perspektiven
Wenn die Liquidität und das Wirtschaftswachstum weltweit überdurchschnittlich hoch sind, sinkt die Nachfrage nach dem US-Dollar. Auf kurze Sicht scheint dieser indessen Unterstützung zu erhalten durch die sich verschlechternden Aussichten für die europäischen Volkswirtschaften und das nachlassende globale Wachstum im Zuge von Chinas Covid-Lockdowns, die neue Angebotsschocks auslösen.
Unsere Erwartungen für die US-amerikanische Währung zu Beginn des Krieges basierten auf einem lange anhaltenden Konflikt in der Ukraine, durch den die Energielieferungen eingeschränkt, die Öl- und Gasströme jedoch nicht unterbrochen würden. Angesichts der Verschärfung des Krieges, der Unterbrechung der Gaslieferungen durch Russland und des geplanten EU-Embargos für den Import von russischem Öl hat das Risiko einer Konjunkturabschwächung in Europa zugenommen.
Die Kombination dieser Faktoren kurbelt die Dollar-Nachfrage an. Sollte der Krieg weiter eskalieren, erwarten wir, dass der EURUSD-Kurs unter die Parität fällt (siehe Abbildungen 2 und 3).
Vor dem Hintergrund des aggressiven Zinserhöhungszyklus der Fed, des sich verlangsamenden globalen Wachstums und der zunehmenden Risikoaversion bleiben wir für den US-Dollar positiv gestimmt. Angesichts des Anstiegs des Dollar-Index um 5% im April entschlossen wir uns jedoch unlängst, einen Teil der Gewinne mitzunehmen, und reduzierten unsere Übergewichtung der US-Währung in den auf Schweizer Franken, Euro und Pfund Sterling lautenden Portfolios auf rund 3%. In der Vergangenheit folgte auf einen derart raschen Anstieg des Dollar gegenüber anderen wichtigen Währungen häufig eine Periode mit einer flacheren Performance.
Längerfristig, vielleicht im Jahr 2023, wenn eine Erholung des globalen Wachstums einsetzt und die Fed ihren aggressiven Zinserhöhungszyklus mässigen kann, könnte eine Abschwächung des US-Dollar gegenüber den hohen Niveaus möglich sein.
Reservewährung
Der US-Dollar ist nach wie vor die weltweit vorherrschende Währung für die Abwicklung von Handelsgeschäften, für Finanztransaktionen und als Reservewährung. Im Jahr 2021 erfolgten über 40% der internationalen Zahlungen in Dollar, 37% in Euro und 6% in Pfund Sterling. Im Vergleich dazu: Der chinesische Renminbi wurde gemäss SWIFT-Daten in rund 3% der weltweiten Transaktionen verwendet.
Im Zuge des Krieges in der Ukraine stellen einige Anleger die langfristige Zukunft des US-Dollar als Weltreservewährung infrage. Die von den USA und ihren Verbündeten gegen Russland verhängten Sanktionen, zu denen die Sperrung des Zugangs der russischen Notenbank zu ihren Währungsreserven gehört, haben eine Diskussion über Alternativen zum US-Dollar ausgelöst. So könnten etwa China, Indien oder Brasilien für ihre Handelsströme nach Alternativen suchen.
Das Problem dabei ist, dass es nur wenige Kandidaten gibt. Seit 2009 sank beispielsweise der Anteil des US-Dollar an den weltweiten Reserven von 65% auf 58%. Gleiches gilt jedoch für den Euro, der einst als glaubwürdige Bedrohung für die Vorherrschaft des Dollar galt. Der Anteil der Gemeinschaftswährung ging im genannten Zeitraum von 28% auf 20% zurück.
Derweil verdoppelte sich der Anteil der chinesischen Währung an den zugewiesenen Reserven seit 2017. Er blieb jedoch gemäss Daten des Internationalen Währungsfonds im letzten Quartal 2021 mit 2,8% niedrig. Während der Renminbi eine ernst zu nehmende Konkurrenz für den US-Dollar darstellen könnte, sind die Kapitalmärkte Chinas nach wie vor weitgehend geschlossen und es stehen nur wenige auf Renminbi lautende Vermögenswerte für internationale Anleger zum Kauf.
Vorläufig ist es schwer vorstellbar, dass der US-Dollar seine Vormachtstellung verliert, selbst wenn das Zerwürfnis zwischen dem Westen und Russland dauerhaft und die Welt zunehmend multipolar wird.
Wichtige Hinweise.
Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig ist, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende
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