FT Rethink

    Der rasche Aufstieg naturbasierter Anlagelösungen

    Im Jahr 2020 erreichten die weltweiten nachhaltigen Anlagen einen Gesamtwert von USD 35,3 Bio. Nach einem Zuwachs von 15% in nur zwei Jahren machen nachhaltige Anlagen nun mehr als ein Drittel des gesamten weltweit verwalteten Vermögens aus.1

    Dieser Zuwachs wurde teilweise auch durch Vorschriften vorangetrieben, die Unternehmen zur Senkung ihrer Emissionen anhalten. Beispielsweise erhebt das Emissionshandelssystem der EU von Unternehmen für jede von ihnen ausgestossene Tonne CO2 eine Gebühr. Diese Gebühren sollen steigen, sodass Unternehmen, die nicht dekarbonisieren, letztlich über den Preis aus dem Markt gedrängt werden. Die Unternehmen, die sich am schnellsten anpassen, haben einen Wettbewerbsvorteil.

    Nachhaltige Anlagen konzentrieren sich häufig auf solche Vorreiterunternehmen – die so genannten Klassenbesten, die als erste die Emissionen senken. Ein weiterer Schwerpunkt sind die „Lösungsanbieter“. Sie entwickeln innovative neuartige Technologien – etwa Hochleistungsbatterien –, die Unternehmen in den unterschiedlichsten Sektoren bei der Dekarbonisierung unterstützen. Andere nachhaltige Fonds wiederum gehen nach dem Ausschlussverfahren vor und vermeiden kohlenstoffintensive Sektoren grundsätzlich.

    Allen Ansätzen gemeinsam ist der Fokus auf Emissionen und Klima. Bis vor Kurzem wurde der Natur als Anlagelösung nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt – dies ändert sich jedoch jetzt.

    Nun werden verstärkt Anstrengungen unternommen, um CO2 aus der Atmosphäre zu beseitigen

    Die Badewanne leeren

    Der Ausstoss von CO2 in unsere Atmosphäre wird häufig mit einer Badewanne verglichen, die sich mit Wasser füllt. Strömt das Wasser aus dem Wasserhahn schneller in die Wanne, als es abfliesst, läuft sie über. Ähnlich verhält es sich mit den CO2-Emissionen. Obwohl CO2 „abfliesst“, indem es von der natürlichen Umwelt absorbiert wird, kann unsere Atmosphäre nur einen begrenzten Zufluss verkraften. Sowohl der „Wasserhahn“ als auch der „Abfluss“ spielen eine wichtige Rolle.

    Seit dem Kyoto-Protokoll von 1997 fokussieren sich die internationalen Massnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und zunehmend auch nachhaltige Investitionen auf die Reduktion der CO2-Emissionen. Wir haben also vor allem den Wasserhahn im Blick. Laut dem UN Global Stocktake – der jüngsten weltweiten Bestandsaufnahme der Vereinten Nationen – senken wir den CO2-Zufluss jedoch nicht schnell genug.2

    Nun werden verstärkt Anstrengungen unternommen, um CO2 aus der Atmosphäre zu beseitigen. So könnten wir Zeit gewinnen, um unsere Wirtschaft zu dekarbonisieren und einige der bereits spürbaren Folgen des CO2-Überschusses zu mildern. An dieser Stelle kommt die Natur ins Spiel.

    Jährlich absorbieren die Ozeane 25% der vom Menschen verursachten Treibhausgase.3 Unsere Wälder absorbieren eine ähnliche Menge, die dem 1,5-Fachen der gesamten Emissionen der US-Wirtschaft entspricht.4 Andere natürliche Ökosysteme sind ebenso wichtig – Torfmoore etwa speichern 16 mal so viel CO2, wie die gesamte Weltwirtschaft in einem Jahr ausstösst.5 Mangroven wiederum können bis zu viermal mehr CO2 pro Hektar speichern als Tropenwälder.6 Wenn wir die Badewanne leeren wollen, brauchen wir die Natur.

    Lesen Sie auch: Feigenbäume, Wölfe und Seesterne: die regenerative Kraft von Arten, die als Grundpfeiler für Ökosystem und Wirtschaft wirken

     

    Über das Klima hinausblicken

    Angesichts dieser Fakten unterzeichneten die Delegierten an der UN-Biodiversitätskonferenz COP15 in Montreal ein wegweisendes Abkommen zum Schutz der Biodiversität. Danach sollen bis 2030 30% aller Land- und Meeresgebiete geschützt werden. Kürzlich lancierte die Taskforce on Nature-related Financial Disclosures auf der Building-Bridges-Konferenz in Genf eine Reihe neuer Richtlinien. Sie werden Unternehmen dazu anhalten, über die Auswirkungen zu berichten, die ihre Geschäftsmodelle auf die Natur haben.

    Nachhaltige Anlagen mit Fokus auf dem Klima haben sich bereits von Nischenprodukten zu gängigen Anlagelösungen entwickelt. Mit naturbasierten Anlagelösungen wird es sich genauso verhalten

    Politik und Wirtschaft richten ihre Aufmerksamkeit auf die Natur, und auch nachhaltige Anlagefonds beginnen, ihren Blick auf Ziele jenseits des Klimas zu richten. Biodiversität und Natur entwickeln sich zunehmend zu eigenständigen Anlageklassen. Laut dem Datenanbieter Morning Star investieren heute Anlagefonds mit einem Gesamtwert von USD 1,6 Mrd. in Unternehmen, die entweder geringe Auswirkungen auf die Biodiversität haben oder aktiv ihren Erhalt unterstützen. Zwar ist das Volumen von Investitionen in Biodiversität verglichen mit dem breiten Universum nachhaltiger Anlagen heute noch ein „kleiner Fisch“. Der Bericht betont jedoch, dass „Vermögensverwalter bereits begonnen haben, ihre ... Stimmrechtsrichtlinien in Bezug auf den Erhalt der Biodiversität zu überarbeiten. [Sie] wollen die wesentlichen Auswirkungen von Unternehmen auf die Biodiversität besser verstehen.“7

    Wir bei Lombard Odier sind der Ansicht, dass wir am Beginn der möglicherweise umfassendsten wirtschaftlichen Neubewertung des Jahrhunderts stehen. Nachhaltige Anlagen mit Fokus auf dem Klima haben sich bereits von Nischenprodukten zu gängigen Anlagelösungen entwickelt. Mit naturbasierten Anlagelösungen wird es sich genauso verhalten.

    Lesen Sie auch: Hoffnung aus der Asche: Die Suche nach alten Werten in unseren Wäldern

     

    Es lohnt sich, in die Natur zu investieren

    Am offensichtlichsten ist dies bei den Ernährungssystemen, die die Hauptverantwortung für Entwaldung und Biodiversitätsverlust tragen.8 Die Ernährungssysteme geraten unter Druck, ihre Auswirkungen auf die Natur zu verringern. Deshalb wollen einige der weltweit grössten Lebensmittelproduzenten künftig sicherstellen, dass ihre Lieferketten entwaldungsfrei sind. Zudem verpflichten sie sich, ihre Erzeugnisse von regenerativen Betrieben anstatt von chemikalienintensiven industriellen Monokulturen zu beschaffen.

    Landwirten kann dieser Umstieg auf regenerative Landwirtschaft zahlreiche Vorteile bringen. In Grossbritannien beispielsweise leitet Stephen Briggs das landesweit grösste Agroforstsystem. Hier wird Getreide zwischen Obstbäumen angebaut, die eigens zu diesem Zweck gepflanzt wurden.9 Die Bäume verhindern Bodenerosion und schaffen einen Lebensraum für Bestäuber. Zudem dient ihr zusätzlicher Ernteertrag gleich nach der Getreideernte als Sicherheit für Jahre, in denen die Getreideernte schlecht ausfällt. Stephen Briggs vermeidet Chemikalien und verlässt sich stattdessen auf natürliche Bestäuber und Fressfeinde der Schädlinge. Dadurch kann er seine Erzeugnisse mit einem Aufschlag verkaufen und so die Rentabilität seines Betriebs steigern.

    Die Grundstückswerte und die Rentabilität werden steigen, wenn Böden und Ökosysteme dank regenerativer Landwirtschaft gesunden

    Aus Brasilien kommen ähnliche Berichte: Hier zeigen Pilotstudien, dass sich Kaffeebauern an die steigenden Temperaturen anpassen können, indem sie Gummibäume pflanzen und die Kaffee-Monokulturen so in Agroforstbetriebe umwandeln. Die Vorteile sind gesündere Böden, die mehr CO2 speichern, der Schutz der Kaffeebäume vor extremen Temperaturen und zusätzliche Einnahmen aus dem gesammelten Harz der Gummibäume.10

    Für Anlegerinnen und Anleger werden degradierte industrielle Ackerflächen und entwaldete Landschaften zu Sachwerten. Die Grundstückswerte und die Rentabilität werden steigen, wenn Böden und Ökosysteme dank regenerativer Landwirtschaft gesunden. Dies erhöht die Widerstandsfähigkeit gegenüber den weltweit steigenden Temperaturen. Landwirte können ihre Erzeugnisse zudem mit einem Aufschlag an Kunden verkaufen, die ihre Auswirkungen auf die Natur minimieren wollen.

    Lesen Sie auch: Die CLIC® Chronik: AWP – Nachhaltigkeit sorgt für Schlagzeilen bei führender Schweizer Nachrichtenagentur

     

    Verankerung der Natur in unserer Wirtschaft

    Den Wert der Natur können wir messen. Forschungen zufolge tragen Bestäuber jährlich schätzungsweise bis zu USD 577 Mrd. zu den weltweiten Ernährungssystemen bei, indem sie die Ernteerträge steigern.11 In China errechneten Wissenschaftler, dass jeder einzelne Marienkäfer für Baumwollproduzenten einen Wert von USD 0,01 hat, da die Insekten die Blattlauspopulation in Schach halten können.12

    Laut der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) haben die kostenlosen Ökosystemleistungen der Natur einen Gesamtwert von schätzungsweise USD 140 Bio. jährlich. Das entspricht etwa dem 1,5-Fachen des weltweiten BIP. Zu diesen Leistungen gehören beispielsweise die Bestäubung von Nutzpflanzen, die Reinigung von Wasser, der Schutz vor Überschwemmungen und die Kohlenstoffbindung.13 Genauso können wir auch die Kosten für den Verlust solcher Leistungen berechnen. Die OECD schätzt, dass wir jährlich Ökosystemleistungen im Wert von bis zu USD 31 Bio. verlieren. Grund dafür sind Bodendegradation und veränderte Landnutzung, wenn wir natürliche Landschaften in chemikalienintensive industrielle Agrarflächen, Bergbaugebiete oder Städte umwandeln.14

    Nun wenden wir unsere Aufmerksamkeit der Natur zu, denn sie ist das am stärksten unterbewertete, aber dennoch wertvollste Gut unserer Wirtschaft

    Weltweit rückt die Natur immer stärker in den Fokus. Daher dürften Unternehmen wegen der Schäden, die sie an Biodiversität und Ökosystemen anrichten, immer gründlicher unter die Lupe genommen werden. Die Unternehmen mit den grössten Auswirkungen auf die Natur könnten durch die negative Verbraucherstimmung und immer strengere regulatorische Vorschriften für die CO2-Emissionen unter Druck geraten. Wie bei der Dekarbonisierung werden die Nachzügler die Verlierer sein. Diejenigen, die sich am schnellsten anpassen und naturverträgliche Geschäftspraktiken einführen, werden einen Wettbewerbsvorteil haben.

    Bei Lombard Odier ist die Natur eine Anlageüberzeugung. Deshalb sind wir vorausgegangen und haben als erste Bank einen Chief Nature Officer ernannt. Diese Funktion wird beim Übergang zu einer naturverträglichen Netto-Null-Wirtschaft in allen Sektoren von grosser Bedeutung sein.15 Die Welt konzentriert sich seit über 20 Jahren auf CO2, um den Klimawandel zu bekämpfen. Nun wenden wir unsere Aufmerksamkeit der Natur zu, denn sie ist das am stärksten unterbewertete, aber dennoch wertvollste Gut unserer Wirtschaft.


     

    GSIR-20201.pdf (gsi-alliance.org)
    Window to reach climate goals ‘rapidly closing’, UN report warns | UN News
    The ocean – the world’s greatest ally against climate change | Vereinte Nationen
    Environment: How much carbon do forests absorb? | Weltwirtschaftsforum (weforum.org)
    Peatlands and climate change – resource | IUCN; CO2 emissions – Our World in Data
    Mangroves among the most carbon-rich forests in the tropics; Coastal trees key to lowering greenhouse gases | ScienceDaily
    COP15: A Turning Point for Investor Approaches to Biodiversity (contentstack.io)
    Our global food system is the primary driver of biodiversity loss (unep.org)
    Fallstudie:Landwirt Stephen Briggs – Woodland Trust
    10 Carbon sequestration in an agroforestry system of coffee with rubber trees compared to open-grown coffee in southern Brazil | SpringerLink; ScientiaAgricola-2023-CoffeeCropsAdaptationAgroforestrySystems.pdf (embrapa.br)
    11 Overview of Bee Pollination and Its Economic Value for Crop Production – PMC (nih.gov)
    12 Uncovering the economic value of natural enemies and true costs of chemical insecticides to cotton farmers in China – IOPscience
    13 Executive-Summary-and-Synthesis-Biodiversity-Finance-and-the-Economic-and-Business-Case-for-Action.pdf (oecd.org)
    14 Idem
    15 Ist die Zeit reif für einen Chief Nature Officer? (forbes.com)

    Wichtige Hinweise.

    Die vorliegende Marketingmitteilung wurde von der Bank Lombard Odier & Co AG oder einer Geschäftseinheit der Gruppe (nachstehend “Lombard Odier”) herausgegeben. Sie ist weder für die Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung in Rechtsordnungen bestimmt, in denen eine solche Abgabe, Veröffentlichung oder Verwendung rechtswidrig wäre, noch richtet sie sich an Personen oder Rechtsstrukturen, an die eine entsprechende Abgabe rechtswidrig wäre.

    Entdecken Sie mehr.

    Sprechen wir.
    teilen.
    Newsletter.