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    Die Natur bewahren – Biodiversitätsfonds versprechen ein Ende des massenhaften Artensterbens

    Vor 450 Millionen Jahren kam es auf der Erde zum ersten Massenaussterben. Eine intensive Vergletscherung führte zu einer schnellen globalen Abkühlung. 86% aller biologischen Arten verschwanden. Seitdem gab es noch vier weitere Male ein solches Massenaussterbeereignis. Zwei davon waren einer globalen Abkühlung und weitere zwei einer globalen Erwärmung geschuldet. Das letzte – am Ende der Kreidezeit vor 65 Millionen Jahren – besiegelte das Schicksal der Dinosaurier. 

    Viele Wissenschaftler glauben, dass wir uns jetzt bereits mitten in einem sechsten Massenaussterben befinden – dem einzigen, das nicht durch Naturphänomene, sondern durch den Menschen verursacht wurde. Eine Million Pflanzen- und Tierarten sind vom Aussterben bedroht – viele innerhalb weniger Jahrzehnte: Ihre Lebensräume werden geschädigt oder zerstört, und die menschengemachte globale Erwärmung macht viele ihrer natürlichen Umgebungen unbewohnbar. Mittlerweile verschwinden Arten hunderte oder sogar tausende Male schneller, als es der natürlichen Verlustrate entspricht.1

    Es entstehen neue „Biodiversitätsfonds“, die Anlegerinnen und Anlegern die Möglichkeit bieten, Renditen zu erzielen und gleichzeitig die Natur wiederherzustellen und unsere bedrohte Biodiversität zu schützen“

    Mehr als die Hälfte des weltweiten Bruttoinlandsprodukts (BIP) hängt von der Natur und ihren Ökosystemleistungen ab2. Damit ist der sich beschleunigende Verlust an Biodiversität eine wirtschaftliche Zeitbombe. Inzwischen hat dies auch die Aufmerksamkeit der Investmentbranche geweckt. Die Natur wird zunehmend als eigene Anlageklasse betrachtet. Es entstehen neue „Biodiversitätsfonds“, die Anlegerinnen und Anlegern die Möglichkeit bieten, Renditen zu erzielen und gleichzeitig die Natur wiederherzustellen und unsere bedrohte Biodiversität zu schützen.

     

    Naturzerstörung und Klimawandel – zwei eng miteinander verknüpfte Krisen

    Seit mehr als zwei Jahrzehnten – seit der Verabschiedung des Kyoto-Protokolls im Jahr 1997 – lag der Fokus der internationalen Bestrebungen bei der Bekämpfung des Klimawandels auf Kohlenstoff: CO2-Emissionen, CO2-Fussabdruck, CO2-Gutschriften. Aktuelle wissenschaftliche Studien belegen, dass ein entscheidendes Teil im Puzzle fehlt. Klimawandel und Naturzerstörung können nicht einzeln für sich angegangen werden – sie gehen Hand in Hand.

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    Um die Natur zu erhalten, ist Biodiversität oberstes Gebot. So absorbieren etwa die weltweiten Waldbestände jährlich 1,5-mal so viel Kohlenstoff, wie die gesamte US-Wirtschaft emittiert: Gesunde Wälder sind zentral für die Eindämmung des Klimawandels. Bäume existieren jedoch nicht isoliert. Die geradezu zahllosen Arten kleinerer Pflanzen und Tiere, die den Wald bevölkern, sind ebenso wichtig wie die Bäume selbst. Oberirdisch wirken Insekten, Vögel und Säugetiere als Bestäuber und verbreiten Samen für neues Wachstum. Unter der Erde lebt eine riesige Gemeinschaft aus Mikroorganismen und Pilzen, von denen viele der Wissenschaft noch unbekannt sind. Sie spielt eine zentrale Rolle bei der Wasserspeicherung und der Erhaltung eines gesunden Waldes.

    Ähnliches gilt für unsere Meeresumwelt, die 25% aller vom Menschen verursachten Treibhausgasemissionen absorbiert3: Gesunde, artenreiche Ökosysteme sind wesentlich für die Fähigkeit unserer Ozeane, Kohlenstoff langfristig zu binden.4

    Nach Angaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) werden die Ökosystemleistungen der Natur auf einen Wert von USD 140 Bio. geschätzt

    Biodiversität spielt in grossen Teilen der Weltwirtschaft auch eine konkretere Rolle. Von Insekten über Vögel und Fledermäuse bis hin zu Lemuren: Sie alle zählen zu den zahlreichen Bestäubern, die einen Wert von bis zu USD 577 Mrd. für unsere globalen Ernährungssysteme haben.5 Ohne sie wären Ernten bedroht, und es könnte zu Nahrungsmittelengpässen kommen. Viele unserer Medikamente haben ihren Ursprung in der unermesslichen Pflanzenvielfalt der Tropenwälder. Mangroven wiederum stützen sich auf ein komplexes Ökosystem aus einer Vielfalt von Arten im Meer und an Land. Es ist anzunehmen, dass sie Jahr für Jahr Sachschäden in Milliardenhöhe durch Überschwemmungen verhindern. Gleichzeitig fungieren sie als „Fischfabriken“, von denen über 4 Millionen Fischerinnen und Fischer weltweit leben.6 Nach Angaben der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) werden die Ökosystemleistungen der Natur auf einen Wert von USD 140 Bio. geschätzt.7

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    Internationale Dynamik

    Die Staats- und Regierungschefs der Welt erkennen die wichtige Rolle der Natur sowohl für unsere Wirtschaft als auch für die Bekämpfung des Klimawandels zunehmend an. Der COP15-Gipfel 2022 in Montreal war in diesem Zusammenhang ein entscheidender Moment. Das Pariser Abkommen hatte ein messbares Ziel für die Begrenzung des Klimawandels gesetzt. Die COP15 legte nun mit dem Global Biodiversity Framework (GBF) klare Ziele für den Erhalt von Naturlandschaften und Biodiversität fest. Insbesondere verpflichteten sich 196 Staaten, bis 2030 mindestens 30% der gesamten Land- und Meeresfläche der Erde zu schützen.

    Von den Unternehmen werden zunehmend neue Geschäftspraktiken verlangt, um ihre Auswirkungen auf die Biodiversität zu verringern

    Für Anleger entscheidend: Das GBF fordert auch neue Rechtsvorschriften. Sie verpflichten Unternehmen dazu, die Risiken offenzulegen, denen sie durch den Biodiversitätsverlust ausgesetzt sind, ebenso wie die Auswirkungen ihrer Geschäftsmodelle auf die natürliche Umwelt. Darauf aufbauend gab die Taskforce for Nature-related Financial Disclosures im September 2023 einen bahnbrechenden neuen Leitfaden heraus. Er legt dar, wie Unternehmen dieses Risiko analysieren und darüber berichten sollten.

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    Die Marschrichtung ist klar. Die politischen Entscheidungsträger nehmen die Naturzerstörung inzwischen genauso ernst wie die Klimakrise. Von den Unternehmen werden zunehmend neue Geschäftspraktiken verlangt, um ihre Auswirkungen auf die Biodiversität zu verringern.

     

    Biodiversitätsfonds

    Biodiversitätsfonds versuchen, von dieser Dynamik zu profitieren: Sie investieren in Unternehmen, die Lösungen für die Biodiversitätskrise anbieten. Dazu zählen Anbieter von biologischem Pflanzenschutz als Ersatz für Pestizide, die den Rückgang der Bestäuberzahlen verursachen8, oder Hersteller von Technologien für die Präzisionslandwirtschaft. Diese können die Ernteerträge steigern und gleichzeitig den Einsatz landwirtschaftlicher Betriebsmittel minimieren. Dadurch wird auch der Verschlechterung der Bodenqualität Einhalt geboten. Einige Fonds investieren auch in sogenannte „Best-in-Class“-Firmen – Unternehmen mit dem kleinsten „Biodiversitätsfussabdruck“ in ihrem Sektor.

    Diese Konzentration auf naturverträgliche Geschäftspraktiken wird durch staatliche Zuschüsse gefördert. Der OECD zufolge fliessen weltweit USD 500 Mrd. in Fördermassnahmen (wie etwa Agrarsubventionen), die potenziell schädlich für die Biodiversität sind.9 Die Umschichtung dieser schädlichen Subventionen setzt neue Finanzierungsmittel frei. In der EU lenken beispielsweise der „Green Deal“ und eine reformierte gemeinsame Agrarpolitik die Agrarsubventionen auf landwirtschaftliche Betriebe um, die Monokulturen durch eine Kulturpflanzenvielfalt ersetzen10.

    Für Anleger eröffnen sich hier neue Gelegenheiten, direkt in die Natur zu investieren – auch wenn Biodiversitätsfonds mit Vermögenswerten im Gesamtwert von USD 1,6 Mrd. im Vergleich zu USD 350 Mrd. in etablierteren „Klimafonds“ noch in den Kinderschuhen stecken. Mit zunehmender Präsenz im Anlagealltag werden ihre Auswirkungen vor Ort jedoch immer stärker unter die Lupe genommen.

    Messen der Auswirkungen

    Die Messung der von fossilen Brennstoffen emittierten Kohlenstoffe ist vom Konzept her einfach. Die Messung von Biodiversität und der allgemeinen Gesundheit eines natürlichen Umfelds ist dagegen komplexer. Allerdings stehen und fallen Investitionen in Biodiversität mit ihrer Messbarkeit.

    Zur Messung der Biodiversität ziehen einige Anlagefonds einen als „Mean Species Abundance“ (durchschnittliche Artenvielfalt) bekannten Indikator heran. Hierfür werden die Populationen von Arten in gestörten und ungestörten Ökosystemen verglichen. Für sich allein reicht dieser Messwert wahrscheinlich nicht aus: Er bevorzugt Investitionen in Sektoren mit von Natur aus geringeren Auswirkungen auf die natürliche Umwelt, wie etwa die Digitaltechnologie. Wir bei Lombard Odier glauben, dass ein Wandel nicht dadurch herbeigeführt werden kann, dass man die schwer zu dekarbonisierenden Sektoren meidet. Stattdessen sollten Anleger sowohl auf Renditen als auch auf positive Auswirkungen setzen. Deshalb sollten sie in Unternehmen investieren, die in ihrem Bereich führend sind, wenn es darum geht, nachhaltigere Arbeitsweisen zu schaffen. Dazu zählen etwa Nahrungsmittelproduzenten, die auf regenerative Landwirtschaft setzen.

    Forschungen der Weltbank zufolge könnte der Verlust an Biodiversität und Lebensräumen die Welt USD 2,7 Bio. kosten

    Die Bodengesundheit hängt eng mit der Biodiversität zusammen. Regierungen und Industrie erkennen langsam den „organischen Kohlenstoff im Boden“ (Anteil natürlich absorbierter Kohlenstoffe im Boden) als Möglichkeit, die Bodenerholung in degradierten Landschaften zu messen. holistiQ ist die von Lombard Odier Investment Managers gemeinsam mit Systemiq, den Experten für Systemveränderungen, lancierte Plattform für nachhaltige Anlagen. Sie setzt diese Theorie bereits in die Praxis um. Dazu sammelt sie Datenpunkte zum organischen Kohlenstoff im Boden für eine Reihe grosser Nahrungsmittel- und Agrarunternehmen. Bei Lombard Odier sind wir der Auffassung, dass diese Kennzahl branchenübergreifend immer wichtiger wird, denn Biodiversitätsfonds reifen immer weiter aus.

     

    Schaffen einer naturverträglichen Welt

    Forschungen der Weltbank zufolge könnte der Verlust an Biodiversität und Lebensräumen die Welt USD 2,7 Bio.11 kosten. Zu diesem wirtschaftlichen Verlust kommt noch die unmittelbare und direkte Bedrohung der menschlichen Gesundheit hinzu. Mit der Zerstörung von Landschaften steigt außerdem die Gefahr einer Nahrungsmittel- und Wasserknappheit. Zudem wird vermutet, dass der Verlust der Biodiversität die Wahrscheinlichkeit von Pandemien erhöht.12

    Vor diesem Hintergrund können Anlegerinnen und Anleger eine wichtige Rolle bei der Förderung eines Übergangs zu naturverträglichen Geschäftsmodellen spielen. In der Landwirtschaft bedeutet dies eine Abkehr von industriellen Monokulturen hin zu einer regenerativen Landwirtschaft, die Lebensräume für Vögel und Insekten wiederherstellt und die Böden wieder anreichert. Eine Bio-Kreislaufwirtschaft bietet Innovationen im Bereich der regenerativen Biomaterialien. Sie können die biologisch nicht abbaubaren, ressourcenintensiven Materialien ersetzen, die wir im modernen Leben so häufig verwenden. Auch unsere Energiesysteme bewegen sich nach wie vor in schnellem Tempo weg von fossilen Brennstoffen hin zu Strom aus erneuerbaren Energien.

    Lesen Sie auch: Die Schweizer Landwirtschaft - Pionier in der nachhaltigen Landwirtschaft

    Wir bei Lombard Odier halten die Natur für die am stärksten unterbewertete Anlageklasse der Welt. Wenn natur- und biodiversitätsbasierte Anlagen ausgereift sind, wird es zur umfassendsten Neubewertung des nächsten Jahrhunderts kommen. Für Anleger ergibt sich daraus die Möglichkeit, langfristige Renditen zu erzielen und das vom Menschen verursachte Artensterben aufzuhalten. Gleichzeitig haben sie die Chance, die – wie es im „Global Biodiversity Framework“ heisst – „gemeinsame Vision eines Lebens im Einklang mit der Natur“ zu verwirklichen.


     

    UNEP and Biodiversity | UNEP - UN Environment Programme
    PwC: 55% of global GDP at risk from nature loss - edie
    Revised estimates of ocean-atmosphere CO2 flux are consistent with ocean carbon inventory - PubMed (nih.gov)
    Frontiers | Protecting ocean carbon through biodiversity and climate governance (frontiersin.org)
    Overview of Bee Pollination and Its Economic Value for Crop Production - PMC (nih.gov)
    Fishers who rely on mangroves: Modelling and mapping the global intensity of mangrove-associated fisheries - ScienceDirect; My Mangroves, My Livelihood | IUCN
    Executive-Summary-and-Synthesis-Biodiversity-Finance-and-the-Economic-and-Business-Case-for-Action.pdf (oecd.org)
    Direct pesticide exposure of insects in nature conservation areas in Germany | Scientific Reports
    A Comprehensive Overview of Global Biodiversity Finance (oecd.org)
    10 Ökologisierung (europa.eu)
    11 Protecting Nature Could Avert Global Economy Losses of $2.7 Trillion Per Year (worldbank.org)
    12 Pandemics to increase in frequency and severity unless biodiversity loss is addressed | UNESCO

    Wichtige Hinweise.

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