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Aufbau der Wirtschaft von morgen: Saubere Energie sorgt für exponentielles Wachstum
In den letzten beiden Jahrzehnten hat sich unser Verständnis des Klimawandels grundlegend verändert. Einst konzentrierten sich die Debatten auf das Erreichen eines „sicheren“ Niveaus der Treibhausgasemissionen. Heute wissen wir, dass wir Emissionen aus unserer Atmosphäre vollständig eliminieren müssen: Das einzig sichere Niveau lautet Null-Emissionen. Früher stand bei Investitionen „ESG 1.0“ im Fokus, und es wurde untersucht, wie ein Unternehmen arbeitet. Inzwischen weiss die Finanzbranche um die Notwendigkeit einer tiefergehenden Analyse: Bewertet wird nun, was Investitionen dazu beitragen, um den Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft zu beschleunigen.
Beim jüngsten Sustainable Finance Leadership Course von Lombard Odier in Zusammenarbeit mit der Universität Oxford trafen sich Vordenker aus Wissenschaft und Finanzen. Gemeinsam untersuchten sie sowohl die wissenschaftlichen als auch die wirtschaftlichen Aspekte des ökologischen Wandels.
Geologisches Netto-Null / Bilanzierung von Netto-Null / Erreichen von Netto-Null
Bei der Eröffnung der Konferenz erklärte Professor Myles Allen, Leiter der Oxford Net Zero Initiative und Professor für Geosystemwissenschaften an der Universität Oxford, dass das Konzept von Netto-Null zwar unkompliziert sei: Die gesamten CO2-Emissionen müssen gleich oder geringer sein als der aus der Atmosphäre entfernte Kohlenstoff. Die komplizierte Bilanzierung trübe jedoch das Bild. Naturbasierte Lösungen, so warnte er, spielen zwar eine wichtige Rolle bei der Kohlenstoffspeicherung. Sie laufen aber Gefahr, überbewertet zu werden. „Bewirtschaftete Flächen“, also für die Natur erhaltene Flächen, führen allzu häufig zu übertriebenen Forderungen nach Kohlenstoffbindung.
Um dieses Problem zu lösen, dürfen wir nicht einfach ein Netto-Null-Ziel anstreben, sondern müssen ein „geologisches“ Netto-Null-Ziel vor Augen haben, erläuterte Professor Allen. Dabei wird der von uns abgebaute oder aus dem Untergrund gepumpte Kohlenstoff – in Form fossiler Brennstoffe – durch Kohlenstoffabscheidung und -speicherung (CCS) zurückgeführt.
Heute werden gerade einmal 0,1% der CO2-Emissionen auf diese Weise gespeichert. Das Problem mag riesig erscheinen, aber es ist lösbar. „Die Ölindustrie wird den umgekehrten Weg gehen müssen: CO2 aus der Atmosphäre eliminieren und in der Geosphäre einlagern. Die Differenz zwischen dem aktuellen Gaspreis und den Lieferkosten reicht aus, um jedes durch Gas erzeugte Molekül CO2 abzuscheiden und in die Nordsee zurückzupumpen“, schloss er.
Das Nachhaltigkeitsparadoxon
Unabhängig davon, ob der grösste Teil der Kohlenstoffbindung durch naturbasierte Lösungen oder CCS erfolgt: Entscheidend für das Erreichen von Netto-Null ist die Reduzierung der Emissionen. Daraus ergebe sich jedoch ein Paradoxon, erläuterte Dr. Caitlin McElroy von der Smith School of Enterprise and the Environment. Der Aufbau einer nachhaltigen Netto-Null-Zukunft ist an sich schon sehr ressourcenintensiv. Denn für den Ausbau der regenerativen Stromerzeugung sind grosse Mengen an Batterien erforderlich. Und allein in der EU werden für die Herstellung dieser Batterien 60-mal mehr Lithium und 15-mal mehr Kobalt benötigt, als derzeit in den weltweit bekannten Lagerstätten vorhanden sind.
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Vor allem bei Batterien gibt es bereits Innovationen bei alternativen Materialien, um Engpässe bei der Versorgung zu vermeiden. Zur Maximierung der Ressourcen müssen wir jedoch unser gesamtes Materialsystem grundlegend umgestalten. Ein kreislauffähiges Produktdesign (circular-by-design) sei dabei entscheidend, so Dr. McElroy. Produkte sind so zu gestalten, dass wir sie vor dem Recycling gemeinsam nutzen, umfunktionieren und mehrfach wiederverwenden können. Kritische Materialien sind in der letzten Phase leicht trennbar.
Die gleiche Sichtweise wie Dr. McElroy vertritt auch Professor Sir Charles Godfray, Direktor der Oxford Martin School. Nach seiner Auffassung ist unser Lebensmittelsystem mit einem eigenen Paradoxon konfrontiert. Die Weltbevölkerung wächst. Damit steigt die Nachfrage nach Lebensmitteln voraussichtlich um bis zu 60%. Am schnellsten nimmt dabei die Nachfrage nach landintensiven Fleisch- und Milchprodukten zu. Gleichzeitig müssen wir jedoch eine Milliarde Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche an die Natur zurückgeben. Nur so können wir die biologische Vielfalt wieder herstellen, und natürliche Landschaften können ihren Teil zur Kohlenstoffbindung beitragen.
Dazu sind laut Professor Godfray vier Schritte erforderlich. Erstens müssen wir unsere Ernährung umstellen und einen Teil unseres Fleisch- und Grundnahrungsmittelkonsums durch Hülsenfrüchte, Obst und Gemüse ersetzen. Zweitens müssen wir die Nahrungsmittelproduktion nachhaltig steigern. Dazu dienen Technologien der Präzisionslandwirtschaft, die den Verbrauch von Wasser, Treibstoff und anderen Betriebsmitteln verringern. Ebenso müssen wir herkömmliche Agrochemikalien durch saubere Alternativen ersetzen. Drittens müssen wir Abfall reduzieren – durch Innovationen bei Vertrieb und Lagerung und durch höhere Recyclingraten. Und schliesslich müssen wir die Nahrungsmittelunabhängigkeit steigern, damit importabhängige Länder weniger von Marktstörungen bedroht sind.
Elektrifizierung der Wirtschaft
Flankiert werden diese tiefgreifenden Systemtransformationen von einer Energiewende: Sie könnte nach Ansicht von Professor Cameron Hepburn, Direktor der Smith School of Enterprise and the Environment an der Universität Oxford, „die grösste Chance in der Geschichte des Kapitalismus“ darstellen.
Die Infrastruktur für saubere Energie wächst exponentiell. Seit 2010 haben die jährliche Wind- und Solarenergieerzeugung sowie der Verkauf von Batterien und Elektrofahrzeugen exponentiell zugenommen. Derzeit können wir zwar gerade einmal 3% unseres Energiebedarfs durch Wind- und Solarenergie decken; bis 2030 könnten es aber bis zu 20% sein.
Die Notwendigkeit, die Emissionen zu senken, ist nicht mehr die einzige Triebfeder für den Übergang, so Professor Hepburn. Zwischen 2011 und 2021 sanken die Kosten für die Stromerzeugung aus Wind und Sonne um 61% bzw. 89%. Die Kosten für Batteriespeicher fielen um 83%. Und diese Kosten sind weiter rückläufig. Damit wird den politischen Entscheidungsträgern klar, dass wir durch einen schnelleren Umstieg auf erneuerbare Energien weltweit bis zu USD 12 Bio. einsparen könnten. „Die Energiewende wird wahrscheinlich schneller kommen als erwartet“, so die Schlussworte von Professor Hepburn, „und die Mobilität wird schnell folgen.“
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Positionierung von Portfolios für Green Alpha
Für Anlegerinnen und Anleger ergeben sich damit unzählige Möglichkeiten, Green Alpha – Überschussrenditen aus nachhaltigen Anlagen – zu erzielen, erläuterte Michael Urban, Chief Sustainability Strategist bei Lombard Odier. Bei zahlreichen Technologien stehen wir seiner Ansicht nach entweder bereits an einem Wendepunkt des Wachstums oder befinden uns kurz davor. Viele Nachhaltigkeitslösungen nähern sich einer Marktdurchdringung von „5% bis 12%“. Das ist der Punkt, an dem sich der Umsatz häufig beschleunigt, da Investitionen und Skaleneffekte zunehmen.
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Dr. Thomas Höhne-Sparborth, Head of Sustainability bei Lombard Odier, griff das Thema Green Alpha auf. Im Automobilsektor, so erläuterte er, bieten sich völlig neue Gewinnpools: Dies gilt für Hersteller mit starker Positionierung im Hinblick auf den Übergang zu elektrischer Energie und den damit verbundenen Einkommensströmen. Dazu zählen die Ladeinfrastruktur im Mietmodell (Charging-as-a-Service, CaaS) und auf Abonnements basierende, herunterladbare Fahrerassistenzsoftware.
Im Gebäude- und Bausektor werden immer häufiger Wärmepumpen installiert, die bereits 10% des weltweiten Raumwärmebedarfs decken1. Wärmepumpen arbeiten am effizientesten in gut isolierten Gebäuden. Ein vermehrter Einsatz von Wärmepumpen verspricht daher auch der Sanierungsbranche enormes Wachstum. Einige Unternehmen der Branche erzielen mittlerweile 50% ihres Umsatzes mit Nachrüstungen zur Steigerung der Energieeffizienz.
Die Stromnachfrage steigt, wenn wir sowohl private Heizungsanlagen als auch den Verkehr zunehmend elektrisch betreiben. Damit ergeben sich auch Möglichkeiten für die Modernisierung der Infrastruktur. „Wir überlasten derzeit unser Stromsystem“, so Dr. Höhne-Sparborth. „Wir dürfen die Verkabelung, die Spannung und die Leitungen nicht vergessen – die Installation der elektrischen Revolution.“
Wir bei Lombard Odier sind davon überzeugt, dass der Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft eine einmalige Anlagemöglichkeit darstellt. Es handelt sich um einen Umbruch in der Grössenordnung der industriellen Revolution, der sich indes in der Geschwindigkeit der digitalen Revolution vollzieht. Wir glauben, dass nachhaltige Anlagen für unsere Kundinnen und Kunden inzwischen unerlässlich sind, wenn es darum geht, langfristiges Wachstum zu erzielen.
1 Executive Summary – The Future of Heat Pumps – Analysis – IEA
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