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Batterien unter Druck: Bei Lithium drohen Lieferengpässe
Damit wir die Netto-Null-Ziele in den kommenden Jahrzehnten erreichen können, müssen wir unsere Transportsysteme verändern – leise summende Elektrofahrzeuge müssen die lauten benzin- oder dieselbetriebenen Automobile ersetzen. Der Absatz von Elektrofahrzeugen ist zwar bereits stark gestiegen, und 30 Staaten haben zugesagt, den Verkauf neuer Fahrzeuge mit Diesel- und Benzinmotoren bis 2040 oder früher einzustellen1. Die wachsende Nachfrage nach Lithium stellt jedoch ein grosses Problem dar.
Prognosen, dass sich das Angebot des „weissen Goldes“ bald verknappen dürfte, lösten Besorgnis aus, dass die Zielerreichung bei der Einführung von Elektrofahrzeugen gefährdet sein könnte. Denn Lithium ist für die Batterieherstellung von zentraler Bedeutung. Die Versorgung hängt von einigen wenigen Ländern ab, und die Protestaktionen wegen der Umweltbelastung durch die Lithiumgewinnung dauern an. Daher hat der Wettlauf begonnen, alternative Quellen dieser wertvollen Ressource oder sogar alternative Metalle zu finden.
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Warum Lithium?
Neben Nickel und Kobalt ist Lithium ein wesentlicher Bestandteil der Batterien, die bei den meisten modernen Elektrogeräten zum Einsatz kommen. Lithium wird zur Herstellung der Kathoden verwendet, die den Strom von den Batterien zu den von ihnen betriebenen Geräten übertragen. Bis vor Kurzem wurde der grösste Teil des weltweit gewonnenen Lithiums zur Herstellung von Batterien für Mobiltelefone und Laptops verwendet. Da ein Akku für ein einziges Elektroauto rund 50 kg Lithiumkarbonat enthält, liegen Elektrofahrzeuge bei der Abnahme nun jedoch an erster Stelle.
Die steigende Nachfrage nach Elektrofahrzeugen führte zu deutlichen Preiserhöhungen. So ist der Preis für Lithiumkarbonat in Batteriequalität in den letzten zwei Jahren um das Zehnfache gestiegen. Im Jahr 2021 reichte das gewonnene Lithium für die Herstellung von rund 11 Millionen Batterien. Insgesamt benötigen wir rund um den Globus jedoch schätzungsweise 2 Milliarden Batteriepacks für Elektro- und Hybridfahrzeuge, um die Netto-Null-Ziele bis 20502 erreichen zu können. Schätzungen zufolge reichen die weltweiten Reserven zwar für die Herstellung von 2,5 Milliarden Batterien und damit theoretisch zur Deckung dieses Bedarfs. Lithium wird aber auch für Batterien in Flugzeugen, Zügen, E-Bikes und Konsumgütern benötigt.
Die Nachfrage nach Lithium wird sich laut Schätzungen im Fünfjahreszeitraum von 2020 bis 2025 verdreifachen3. Die Internationale Energieagentur (IEA) warnt vor möglichen Engpässen in gerade einmal zwei Jahren4. Daher könnten viele potenzielle Käufer von Elektrofahrzeugen das Nachsehen haben, auch wenn sie einen Beitrag zur Erreichung der Netto-Null-Ziele leisten wollen.
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Eine Frage des Angebots – und der ökologischen Auswirkungen
Wenngleich die Lithiumlagerstätten geografisch weit verbreitet sind, findet der Abbau vor allem in Australien, China, Argentinien und Chile statt. Chile verfügt dabei über die grössten bekannten Vorkommen. Trotz der Entdeckung neuer Lagerstätten, zum Beispiel in den USA, Portugal, Deutschland und Mexiko, konzentriert sich der Lithiumabbau weiterhin auf die zuvor genannten vier Hauptländer.
Australien liegt in puncto Abbau an erster Stelle; dort wird mehr Lithium gewonnen als in allen anderen Ländern zusammen. Mit einem Anteil von 60% an der weltweiten Verarbeitung und Veredelung von Lithium dominiert China jedoch die Lieferkette. Im Rahmen dieses Prozesses wird der Rohstoff Lithium zu dem Material verarbeitet, das in Batterien zum Einsatz kommt. In den letzten zehn Jahren haben chinesische Unternehmen zudem Lithium-Aktiva im Wert von etwa USD 5,6 Mrd. ausserhalb von China erworben.5 Angebotsengpässe werden auch dadurch verstärkt, dass nur fünf Unternehmen über 75% der weltweiten Produktionskapazität verfügen.
In vielen Gebieten wird der Lithiumabbau aufgrund der damit verbundenen Umweltbelastung erschwert6.In Lateinamerika, wo Lithium meist aus Solen durch Verdunstung in Teichen gewonnen wird, ist der Prozess sehr wasserintensiv: Die Gewinnung von nur einer Tonne Lithium erfordert 2,2 Millionen Liter Wasser7. In Chile und Argentinien wird Lithium in einigen der trockensten Regionen der Erde aus unterirdischen Salzseen gewonnen8. Das Bergwerk San Cristóbal in Bolivien soll hingegen jeden Tag 50’000 Liter Wasser verbrauchen9. In Argentinien gibt es Bestrebungen, ehrgeizige Abbaupläne einzuschränken10, denn es bestehen Bedenken hinsichtlich der Rechte der indigenen Bevölkerung und der Ökosysteme, die ihre Lebensgrundlage bilden. In Australien wird Lithium durch konventionellen Bergbau gewonnen, da es in hartem Gestein vorkommt. Diese Art der Lithiumgewinnung ist dreimal so kohlenstoffintensiv wie das durch Verdampfung gewonnene Lithium.
Die Branche hat zudem mit praktischen Schwierigkeiten zu kämpfen. Für Lithium-Bergbaugesellschaften und -Verarbeitungsbetriebe ist die Eintrittsschwelle hoch. Nur wenige Unternehmen verfügen über die erforderlichen Mittel und das nötige Know-how. Zudem ist ungewiss, wie lange es dauert, bis neue Marktteilnehmer den Betrieb aufnehmen können. Da der weltweit grösste Lithiumproduzent Albemarle keinen geeigneten Standort finden konnte, hat er seine Pläne für den Lithiumabbau in Europa11 auf Eis gelegt. Die Umweltbedenken und Abbauschwierigkeiten sind so gravierend, dass selbst die Entdeckung neuer Vorkommen keine Garantie für eine kurzfristige Produktionssteigerung ist.
Ausserdem stellen Naturkatastrophen oder geopolitische Konflikte makroökonomische Risiken dar. Angesichts der mangelnden Widerstandsfähigkeit der Lieferkette könnten selbst kleinere Störungen der geopolitischen Ordnung den wichtigen Lithiumexport gefährden.
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Suche nach Alternativen
Skaleneffekte und technologische Innovationen haben zu einem drastischen Rückgang der Produktionskosten von Batterien geführt. Von 2010 bis 2020 sank der Preis für Lithium-Ionen-Batterien um 88%. Aufgrund der aktuellen Preisentwicklung und mangelnden Zugänglichkeit von Lithium besteht nun die Gefahr einer Trendumkehr. Daher hofft man jetzt darauf, dass Innovationen dazu beitragen, die Bedenken hinsichtlich der Versorgung auszuräumen.
So geben neue Technologien Anlass zur Hoffnung. Die direkte Lithiumextraktion (Direct Lithium Extraction, DLE)12, bei der Lithium ohne Wasserverdunstung aus der Sole gewonnen wird, verringert die Wasserintensität. Dadurch wird die Tragfähigkeit neuer Aktivitäten verbessert. Ausserdem wird die Produktion eines Bergwerks durch die Optimierung der Rückgewinnung von Metallen aus Bergbauabfällen oder minderwertigen Erzen maximiert.
In den kommenden Jahren läuft zudem erstmals die Lebensdauer vieler Batterien von Elektrofahrzeugen ab. Dank Innovationen im Bereich des Recyclings können bis zu 80% des in einer Altbatterie enthaltenen Lithiums zurückgewonnen werden. Daher besteht die Hoffnung, dass recycelte Materialien bis 2040 bis zu 10% des Lithiumbedarfs decken13.
Innerhalb der Branche stellt man sich zudem die Frage, ob Lithium ersetzbar ist. Als Alternativen für Lithium oder als Zusätze, durch die sich die benötigte Lithiummenge reduzieren lässt, werden Salz, Meerwasser, Silizium, Magnesium, Eisen und sogar Hanf untersucht. Lithium bleibt zwar einstweilen die erste Wahl für Batteriehersteller. Aktuell entwickelt sich aber ein schnell wachsender Marktbereich für Alternativen, denn die Elektrifizierung der Wirtschaft schafft grosse Chancen für nachhaltigere Formen der Stromspeicherung. So werden Natrium-Ionen-Batterien derzeit von mehreren chinesischen Automobilherstellern getestet, und weltweit werden mehr als 20 Produktionsanlagen errichtet.
Der Vorteil von Elektrofahrzeugen ist nicht eindeutig. Einerseits sind sie für den weltweiten Übergang zu Netto-Null-Emissionen unerlässlich. Andererseits bringt die Herstellung eine Reihe von Umweltproblemen mit sich. Europa und die USA bemühen sich ernsthaft um Unabhängigkeit in Bezug auf Lithium. Durch politische Massnahmen wollen sie die regulatorischen Hürden für die Eröffnung neuer Lithiumminen senken und Anreize für den Kauf von Lithium aus inländischen Quellen schaffen. Trotz dieser Bemühungen wird in den kommenden Jahren vielerorts mit Lieferengpässen für das „weisse Gold“ gerechnet. Prognosen zufolge soll der Bedarf an Lithium bis 2030 auf 550’000 Tonnen pro Jahr steigen.
1 6 Automakers and 30 Countries Say They’ll Phase Out Gasoline Car Sales – The New York Times (nytimes.com)
2 Net Zero by 2050 – A Roadmap for the Global Energy Sector (windows.net)
3 Lithium Market – Bacanora Lithium
4 Electric cars fend off supply challenges to more than double global sales – Analysis – IEA
5 This chart shows more than 25 years of lithium production by country | World Economic Forum (weforum.org)
6 Revealed: how US transition to electric cars threatens environmental havoc | US news | The Guardian
7 Lithium batteries' big unanswered question – BBC Future
8 The Lithium Triangle: Where Chile, Argentina, and Bolivia Meet (harvard.edu)
9 Lithium and Latin America are key to the energy transition | World Economic Forum (weforum.org)
10 Environmental defenders join forces across Argentina to stop mining boom – Waging Nonviolence | Waging Nonviolence
11 Subscribe to read | Financial Times (ft.com)
12 Direct Lithium Extraction • CleanTech Lithium
13 Executive summary – The Role of Critical Minerals in Clean Energy Transitions – Analysis – IEA
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