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Industry Day stellt Städte und Energie in den Mittelpunkt des re-NATURE Hub bei COP28
Die Umstellung auf kohlenstofffreie Energie steht bei COP28 ganz oben auf der Tagesordnung. Bereits wenige Tage nach Beginn der Konferenz haben über 100 Länder zugesagt, die weltweiten Kapazitäten an erneuerbaren Energien bis 2030 zu verdreifachen. Die EU hat Investitionen in die Infrastruktur für erneuerbare Energien in Höhe von EUR 2,3 Mrd. angekündigt. Und die USA haben zugesichert, alle ihre Kohlekraftwerke bis 2035 zu schliessen.
Die Anstrengungen für einen kohlenstofffreien Übergang nehmen Fahrt auf: Im Rahmen des von uns bei COP28 veranstalteten re-NATURE Hub fand der Industry Day statt. Hier kamen Fachleute aus aller Welt zusammen – aus Finanzwesen, Industrie und Politik. Sie untersuchten die Möglichkeiten, die sich durch die Abkehr von fossilen Brennstoffen ergeben. Zudem erörterten sie die Frage, was die bebaute Umwelt als weltweit grösste Anlageklasse vom Energiesektor lernen kann, um im Wettlauf um Netto Null Schritt zu halten.
Kettenreaktion beim Übergang
Die Veranstaltung wurde von Hubert Keller, unserem Seniorpartner und geschäftsführenden Teilhaber eröffnet. Er erläuterte den Delegierten, dass der Umstieg von fossilen Brennstoffen auf kohlenstofffreie erneuerbare Energien „einen vollständigen Umbau unserer Wirtschaft“ darstellt. „Aus der Anlageperspektive halten wir dies für die umfassendste und tiefgreifendste wirtschaftliche Transformation aller Zeiten“, erklärte er.
Nach seiner Ansicht wird die Geschwindigkeit des Wandels unterschätzt. Wo Märkte mit einem linearen Wachstum gerechnet hatten, ist nun ein exponentielles Wachstum zu beobachten. Zudem sind wir „auf dem Weg, USD 3–3,5 Bio. in die Elektrifizierung der Energiesysteme zu investieren. Dies entspricht etwa der Summe, die wir im letzten Jahrzehnt in die IT-Revolution investiert haben. Wir sind Zeugen des Zusammenwirkens von Technologien, die beim Übergang eine Kettenreaktion auslösen.”
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„Bei der Transformation des Energiesystems geht es jedoch nicht nur um Energie“, so Hubert Keller. Sie betrifft alle Bereiche unserer Wirtschaft, die auf Energie angewiesen sind – wie etwa die Mobilität. Diese tiefgreifenden Veränderungen der Wirtschaft werden auch enorme Auswirkungen auf die bebaute Umwelt haben. Aufgrund der hohen Investitionen in diesem Bereich bieten sich hier äusserst attraktive Anlagemöglichkeiten. Wir stehen am Anfang eines grossen Investitionszyklus.“
Netto-Null erreichen – Mission possible
Lord Adair Turner, der Vorsitzende der Energy Transitions Commission, griff das von Hubert Keller erörterte Thema auf. Das exponentielle Wachstum von sauberer Energie ist nach seiner Ansicht am besten bei Solarmodulen zu beobachten. „Im Jahr 1970 kostete ein Solarmodul USD 100 pro Watt Leistungsabgabe. Heute betragen die Kosten nur noch USD 0.12 pro Watt. Und der Preis wird weiter sinken. Die Weiterentwicklung von Solaranlagen schreitet weit schneller voran, als wir es jemals erwartet haben.“
Entscheidend ist, dass „die Energiedichte [von Batterien] jährlich um 10% steigt.“ Dank dieses Fortschritts werden eines Tages Langstreckenflüge mit batteriebetriebenen Flugzeugen möglich sein, so Lord Turner. Auch der Aufstieg von Elektrofahrzeugen sei deshalb nicht mehr aufzuhalten. „Bis Mitte der 2030er Jahre werden 90% der verkauften Autos Elektrofahrzeuge sein“, erklärte er. „Das wird auch für Lkw gelten. Volvo wird 2040 keine Lkw mit Diesel- oder Benzinmotor mehr verkaufen. Der Verbrennungsmotor ist tot, wir haben ihn nur noch nicht endgültig beerdigt.“
Die Elektrifizierung verändere auch andere Sektoren, mit unaufhaltsamen Technologien, die bereits Wendepunkte überschritten hätten. Der sogenannte Wasserstoffstahl, der mit Wasserstoff aus sauberer Energie erzeugt wird, „hat sich bereits bewährt und wird bis 2027 voll in Produktion gehen. Bis 2032 wird Swedish Steel alle koksbefeuerten [Stahl]Werke schliessen.“
Auch in der Baubranche seien die kohlenstofffreien Lösungen, die wir brauchen, bereits vorhanden, sagte Lord Turner. Bei Zement, der für 8% aller vom Menschen verursachten CO2-Emissionen verantwortlich ist1, werden eines Tages Technologien zur Kohlenstoffabscheidung und -speicherung eingesetzt werden. Er warnte jedoch, dass dies nicht durch Innovation alleine geschehen wird. Um dies zu erreichen, „brauchen wir CO2-Bepreisung und -Regulierung – Verpflichtungen, die unseren Blick auf die Lösungen lenken, die technologisch bereits verfügbar sind“.
Der Immobiliensektor holt auf
Wie wichtig Regulierung ist, bekräftigte auch ein Diskussionsforum zur bebauten Umwelt. Hier untersuchten Branchenfachleute, warum der Sektor – die weltweit grösste Anlageklasse – bei der Reduzierung von Emissionen hinter anderen Sektoren zurückbleibt.
Moderatorin Katherine Stodulka, Partner bei Systemiq, merkte an, dass jede Transformation der Weltwirtschaft unvollständig bleibt, wenn sich nicht auch der Immobiliensektor grundlegend verändert. Er hat mit einem Wert von USD 380 Bio. (das Vierfache des globalen BIP) und ist für 40% der weltweiten energiebezogenen Emissionen verantwortlich. Zudem warnte sie, dass die Gesamtbodenfläche aller Gebäude bis 2030 um 15% steigen wird. Der Grossteil des Zuwachses wird dabei auf die Schwellenländer entfallen. Auch wenn der Sektor wächst, „muss die Energieintensität fünfmal schneller sinken“, so Katherine Stodulka. „Wir erleben ein enormes Wachstum, dass von der Energieintensität abgekoppelt werden muss.“
Wie Alan Organschi, Partner bei Gray Organschi Architecture, erläuterte, verfügen wir bereits über die Mittel, um nicht nur klimaneutral, sondern sogar klimapositiv zu bauen. Durch die Verwendung von Rohstoffen aus nachhaltig bewirtschafteten Wäldern „können wir Emissionen vermeiden und Städte dicht bebauen. Wir können Beton dekarbonisieren. Und durch die Verwendung anderer Materialien können wir Kohlenstoff binden und ihn in grossem Umfang im System speichern.“
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Mikkel Bülow-Lehnsby, Mitgründer von Urban Partners, stimmte dem zu, unterstrich jedoch Lord Turners Forderung nach Regulierung. „Es gibt keinen physischen Grund, warum Gebäude nicht als Kohlenstoffsenken dienen und zudem die Biodiversität steigern sollten“, erklärte er. „Wir können sämtliche Gebäude morgen nach Netto-Null-Vorgaben bauen, aber wir brauchen eine Systemveränderung, eine veränderte Regulierung.“
Angriff auf einen Riesen
Brune Poirson ist Chief Sustainability Officer bei Accor, Europas grösstem Unternehmen im Hotel- und Gastgewerbe. Sie hob die tiefgreifenden Umwälzungen hervor, die der Übergang für den Hotel- und Reisesektor mit sich bringen wird. Eine Lösung wäre ihr zufolge „die Abkehr von Volumen und Quantität zugunsten von Qualität“. Für einige Unternehmen würde dies eine fundamentale Veränderung ihrer Geschäftsmodelle bedeuten.
Für grosse Gastgewerbeunternehmen ist der Umstieg auf CO2-Neutralität nahezu unmöglich, erklärte sie. Stattdessen könnte die Hotelbranche die enormen Emissionen der bebauten Umwelt durch „Maximierung der Raumnutzung“ angehen. „Deshalb verwandeln wir unsere Hotellobbys in richtige Markthallen. Vielleicht könnten wir darin sogar Kindergärten unterbringen“, schlug sie vor.
Weitere Herausforderungen werden sich durch die weiter wachsende Nachfrage im Tourismus ergeben, die stark auf gewisse Destinationen konzentriert ist. „95% der Reisenden besuchen 5% der Orte auf der Welt. Reisen und Tourismus werden eindeutig zunehmen“, sagte sie. „Wir brauchen also Druck seitens der Regulierungsbehörden, und wir müssen früh in den Entscheidungsprozess eingebunden werden.“
Entdecken Sie unser Video mit Brune Poirson, Chief Sustainability Officer bei Accor:
Joy Gai, Programmes Head für die Region Asien-Pazifik im World Green Building Council, stimmte zu, dass der Riese nicht über Nacht besiegt werden kann. Sie erklärte jedoch, dass „wir den Druck spüren, und das ist gut so“. Die Region Asien-Pazifik „lernt vom Rest der Welt und setzt die Erfahrungen in der gesamten Region ein“. Um eine nachhaltige Veränderung zu erzielen, dürfe die Lösung jedoch nicht nur technologischer Natur sein. Die Menschen müssen eine Verbindung zu ihrer bebauten Umwelt haben. „Das ist der einzige Wirtschaftssektor, den wir als unser Zuhause bezeichnen. Neben der Dekarbonisierung spielt auch die soziale Nachhaltigkeit eine Rolle, um Gesundheit und Wohlbefinden zu verbessern.“
Joy Gai, Programmleiterin für die Region Asien-Pazifik beim World Green Building Council:
Investieren auf lange Sicht
Anthony Taylor ist Senior Executive Officer bei Masdar Green Real Estate Investment Trust. Er bekräftigte die Forderung nach Regulierung, um Anlageargumente für eine nachhaltige Wende im Immobiliensektor zu entwickeln. „Wir brauchen Anreize und Druck seitens der Regierungen und Regulierungsbehörden“, sagte er. „Dabei ist Fördern und Fordern gleichermassen wichtig.“
In den Industrieländern ist die Regulierung nach seiner Ansicht bereits weiter fortgeschritten. In der EU etwa müssen ab 2028 alle Neubauten im laufenden Betrieb emissionsfrei sein. Hubert Keller betrachtet die Möglichkeit strenger neuer Vorschriften als grosses Risiko für die Entstehung „gestrandeter Vermögenswerte“. „Durch emissionsfreie Neubauten, einschliesslich darin verbauter Emissionen, werden Immobilien-, Rohstoff- und Bausektor völlig aus dem Gleichgewicht geraten“, merkte er an. Für zahllose „braune“, also energieineffiziente Gebäude, werden sich keine gewerblichen Kunden mehr finden. Bei Gebäuden, die sehr energieeffizient sind und in denen viel Kohlenstoff verbaut ist, wird die Nachfrage durch gewerbliche Kunden und Anleger noch stärker steigen.
Wie Thomas Hohne-Sparborth anmerkte, war das Jahr für Anleger in erneuerbaren Energien ein schwieriges Börsenjahr. Er räumte ein , dass die meisten Fonds für saubere Energie Verluste erlitten, da der Sektor von den Zinserhöhungen hart getroffen wurde. Blickt man jedoch über diese zyklischen Entwicklungen hinaus, wird das „zugrunde liegende überragende technische Know-how“ die langfristige Stärke des Sektors gewährleisten.
Abschliessend hob Lord Turner nochmals den Unterschied zwischen Marktzyklen und den dazu gehörenden Trends hervor. Der Übergang zur Nachhaltigkeit wird keine Einbahnstrasse sein – es wird sowohl Gewinner als auch Verlierer geben. Er wies darauf hin, dass transformative Technologien Marktschwankungen auslösen können. Für die Anlegerinnen und Anleger ist es wichtig, „vor allem die grundlegenden technologischen und sozialen Veränderungen zu verstehen. Dabei sollten sie ihre langfristigen Ziele im Blick behalten, die über die unvermeidbaren zyklischen Ausschläge hinausgehen“.
1 Climate change: The massive CO2 emitter you may not know about – BBC News
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